Als die ersten Assistenzsysteme aufkamen, wurde manchen Fahrzeugen unterstellt, auf deutschen Autobahnen schon mal Angst zu haben. Im Vergleich zu modernen Modellen wie dem Leapmotor C10 waren sie aber geradezu mutig. Dafür ist das chinesische SUV mit unter 40.000 Euro relativ günstig.
Auf dem deutschen Automarkt versuchen mittlerweile einige chinesische Marken ihr Glück, darunter Leapmotor. Leapmotor? Wer den Namen noch nie gehört hat, ist in guter Gesellschaft. Das junge, 2015 gegründete chinesische Unternehmen ist hierzulande noch weitgehend unbekannt, das soll sich jedoch ändern. Denn dank eines Joint Ventures mit dem Stellantis-Konzern, der die Mehrheit von 51 Prozent an Leapmotor International hält, können die Chinesen das Vertriebsnetz des Mutterkonzerns nutzen, zu dem unter anderem Opel, Fiat und Peugeot gehören und ihre Autos über Händler statt nur online verkaufen.
Aktuell ist Leapmotor mit zwei Modellen auf dem deutschen Markt vertreten, einem elektrischen Kleinstwagen im Stil eines Fiat 500 und dem Mittelklasse-SUV C10. Das stand uns für den Alltagstest zur Verfügung, allerdings nicht in der batterieelektrischen Version, sondern als Plug-in-Hybrid, als REEV (Range Extended Electric Vehicle). Dazu später mehr.
Optisch muss sich der 4,74 Meter lange C10 nicht verstecken, was unter anderem auch daran liegt, dass die Kreativen sich bei der Gestaltung von Heck und Seitenlinie offensichtlich vom Design eines Porsches Macan inspirieren haben lassen.
Auch im Inneren gab es ein bekanntes Vorbild: Tesla hat beim Armaturenbrett, Lenkrad und natürlich beim großen Touchscreen Pate gestanden. Aber nach dem Motto "Besser gut kopiert als schlecht selbst ausgedacht" dürfte der C10 mit seinem Design den Interessenten gefallen, die moderne SUV oder Crossover goutieren. Auch das Platzangebot, Materialauswahl, Verarbeitung und das Kofferraumvolumen (400 bis 1375 Liter) gehen in Ordnung.
Sehr schwierige Kommunikation
Aber der schöne Schein birgt so seine Tücken. Die schicke, durchgehende Lüftungsleiste im unteren Bereich des Armaturenbretts lässt sich beispielsweise nicht für Fahrer und Beifahrer individualisieren; fast alle Einstellungen müssen mangels physischer Schalter übers Display laufen, darunter auch die Verstellung der Außenspiegel. Das birgt jede Menge Ablenkungsgefahr beim Fahren. Der einmal mit viel Mühe gefundene Radiosender muss bei jedem Starten des Fahrzeugs neu aktiviert werden.
Wer glaubt, die Dame im Armaturenbrett könne helfen, irrt gewaltig. Die Sprachsteuerung funktioniert schlecht, die Dame versteht auch einfache Befehle wie Radio lauter/leiser stellen nicht. Und sie kann ihr Unverständnis nur im schlechten Deutsch kundtun. Hier besteht noch einiges an Feinarbeit, um das Fahrzeug umgänglicher zu machen.
Umständlich gestaltet sich auch das Öffnen, Schließen und Starten des Autos: Der Schlüssel im Scheckkartenformat muss erst an die Außenkappe des Außenspiegels gehalten werden, um den Zugang freizugeben beziehungsweise wieder abzuschließen. Alternativ gelingt das aber per App, allerdings nicht bei einem Testwagen, weil die Daten dazu personalisiert sind.
Nervige Assistenzsysteme bimmeln und klingeln ständig
Am nervigsten agierten die Assistenzsysteme. Mag ja sein, dass chinesische Autofahrer damit vertraut sind, ständig und eindringlich durch lautes Bimmeln und Klingeln auf Gefahrensituationen hingewiesen zu werden. Nur wie verhält man sich, wenn gar keine Gefahrensituationen ersichtlich sind, und es trotzdem ständig bimmelt und klingelt? Oder wenn das System eine Vollbremsung hinlegt, weil es ein an einem Kreuzungsbereich korrekt wartendes Auto als Gefahr für den vorfahrtsberechtigen C10 zu erkennen glaubte?
Zum Glück war kein Fahrzeug in diesem Moment hinter uns. Wir waren einfach nur genervt, deaktivierten die eigentlich sinnvollen Helfer wie Spurhalteassistent oder Tot-Winkel-Warner bei jedem Start neu. Wobei der Spurhalteassistent sich dem Deaktivieren durch einen Trick widersetzte: Er wechselte in den "Notbetrieb".
Beim nächsten Software-Update sollten die Systeme - auch die Verkehrsschildererkennung - dringend angepasst werden. Zum Glück sind die Chinesen schnell mit Updates, so dass damit zu rechnen ist, dass entsprechende Marktanpassungen flott und "over the air" vorgenommen werden.
Beim Motorkonzept setzt Leapmotor beim REEV (Range Extended EV) auf eine Kombination aus 1,5-Liter-Benziner mit 65 kW/88 PS und 158 kW/215 PS starkem E-Motor. Die 28,4 kWh große Batterie ist für eine Reichweite von rund 140 Kilometern gut und lässt sich am Schnelllader mit maximal 65 kW aufladen, an der Wallbox sind maximal 6,6 kW möglich.
Der E-Motor übernimmt immer den Antrieb auf der Hinterachse, der Benziner fungiert als Generator und lädt die Batterie auf, wenn sie nicht extern nachgeladen wird. Somit fährt der REEV immer elektrisch. Verkaufsargument ist die kulminierte Reichweite aus Batterie und Benzintank, die auf knapp 1.000 Kilometer kommt.
Keine sportiven Erwartungen bitte
Der C10 fährt sich wie ein E-Auto, was er im Grunde genommen ja auch ist. Der Verbrenner läuft mit gleichmäßigem Geräusch, unbeeindruckt von der Gaspedalstellung. Am besten schwimmt man gelassen im Verkehr mit. Sportive Erwartungen sind hier fehl am Platz.
Zwar sprintet das SUV in 8,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und danach bis zur Richtgeschwindigkeit munter weiter, danach wird es aber zäh und bis die mögliche Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h erreicht ist, vergeht einige Zeit. Das ist aber kein wirkliches Manko. Wie bei den allermeisten E-Autos liegt die Wohlfühlgeschwindigkeit im Bereich von 130 km/h und das ist auf den meisten Straßen der Welt auch das erlaubte Maximum.
Lohnt sich der technische Aufwand mit dem Range Extender? Wie bei jedem klassischen Plug-in-Hybrid hängt der Grad der Effizienz von der Ladedisziplin des Fahrers ab. Wird die Batterie regelmäßig extern nachgeladen, sind Normverbrauchswerte von 20,5 kWh und 0,4 Liter möglich; wenn nur der Benziner für die Stromgewinnung zuständig ist, muss man mit 6,4 Litern Verbrauch rechnen. Bei unseren Testfahrten kamen wir auf 22 kWh beziehungsweise 7,5 Liter. Wer regelmäßig nachlädt, wird auch mit dem elektrischen C10 (160 kW/218 PS; 70 kWh-Akku) glücklich. Dieser verbraucht nach Norm 18,5 kWh und schafft 425 Kilometer.
Beim Preis und der Ausstattung gibt es nichts zu meckern. Ab 37.600 Euro steht der C10 REEV wie übrigens auch der C10 in der Preisliste, unser Testauto in der Design-Linie ist ab 39.100 Euro erhältlich. Zusätzlich zu der üppig ausgestatteten Basis gibt es 20-Zöller, Ambientebeleuchtung, Heizung fürs Lenkrad und die Vordersitze sowie die Kunstledersitze mit einer speziellen Silikonbeschichtung. Als Extra listet Leapmotor nur 800 Euro für einen anderen Lackton als das Standardgrün. Solange jedoch das Assistentensystem so übergriffig und unausgegoren agiert, rückt das gute Preis-Leistungs-Verhältnis als Kaufargument ins Hintertreffen.
Leapmotor C10 REEV - technische Daten
- Fünftüriges SUV mit Heckantrieb, Länge 4,74 Meter, Breite 1,90 Meter (Breite mit Außenspiegeln: k.A.), Höhe 1,68 Meter, Radstand 2,83 Meter, Kofferraumvolumen: 400-1.375 Liter
- Range Extender mit Benzin- und E- Antrieb, Leistung Elektromotor: 158 kW/215 PS, max. Drehmoment 320 Nm, Leistung Benzinmotor: 65 kW/88 PS, max. Drehmoment 125 Nm, Lithium-Phosphat Batterie mit 28,4 kWh, 0-100 km/h: 8,5 s, Vmax: 170 km/h, Verbrauch (kombiniert, WLTP): 20,5 kWh/100 km plus 0,4 l/100 km, Benzinverbrauch bei entladener Batterie (kombiniert, WLTP): 6,4 l/100 km, Testverbrauch: mit voller Batterie: 22 kW/h, entladen: 7,4 l/100 km, Reichweite (WLTP): 974 km
- Preis: ab 37.600 Euro, Preis des Testautos: 39.900 Euro
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