Auch nach dem Facelift bildet freilich wieder der RS die Topvariante des Škoda Enyaq. Es gibt kaum eine bodenständigere Möglichkeit, deutlich mehr als 300 PS spazieren zu fahren. ntv.de war bereits unterwegs mit dem überarbeiteten Modell.
Wie bodenständig kann ein Škoda Enyaq sein? Oder anders gefragt, wie bodenständig darf er sein? Wem die elektrisch angetriebene Familienkutsche jedenfalls zu spießig erscheint, dem haben die Tschechen ein bisschen Rüstzeug dagegen in die Hand gegeben. Sozusagen in drei Schritten zum Antispießerauto. Erster Schritt im Konfigurator: das Coupé auswählen. Zweiter Antispießigkeitsschritt: Na klar, wer kennt nicht das legendäre Mamba-Grün, das die Volkswagen-Tochter schon etliche Jahre im Programm führt. Klick. Und im dritten Schritt fällt die Entscheidung natürlich auf den rasanten RS.
Der sieht jetzt noch ein bisschen futuristischer aus, mit der neu gestalteten Front. Die zeichnet sich durch einen betont schmalen Grill sowie technoiden LED-Tagfahrlicht-Segmenten aus. Und dank RS-spezifischer Stoßfänger sind auch optisch mächtig sportliche Vibes im Spiel. Und wenn ein potenzieller Neukunde dann selbst aus einem ambitionierten Mittelklasse-Benziner in den elektrischen RS umsteigt, dürfte nicht selten gestaunt werden.
Denn es ist ja nicht nur der kräftige Drehmomenteinsatz (679 Newtonmeter) ab der ersten Umdrehung. Durch den Wegfall jeglicher Übersetzungswechsel wird der Antrieb erst so ansatzlos. Wenn du das Fahrpedal bewegst, marschiert der 2,3-Tonner los, und zwar ohne den geringsten Hauch von Verzögerung.
Und wer dann auf dem Pedal bleibt, erlebt in der Tat einen wuchtigen Kompakten mit richtig Schmackes. Das Werk nennt 5,4 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h - da könnte ein BMW-M340i-Fahrer echt große Augen machen, wenn es ihm nicht gelingt, einen unscheinbaren Enyaq abzuschütteln. Aber ab 180 km/h zieht der Münchener dann vorbei in diesem Gedankenexperiment. Exakt dort ist der Tscheche nämlich limitiert.
Laden muss schneller werden
Doch das reicht für den Alltag locker aus. Zumal der Enyaq ein entspannter Cruiser ist, mit dem man souverän Meter machen kann bei mittlerem Tempo und nicht am Limit. Apropos Limit. Der limitierende Faktor beim batterieelektrischen Fahrzeug ist ohnehin das Ladegeschehen. Und hier bietet der MEB-Baukasten zwar eine solide Grundlage, aber eben auch keine herausragende Ladeleistung. Immerhin beziffert der Hersteller das Ladefenster von 10 auf 80 Prozent mit 26 Minuten bei einer Peakladeleistung von 185 kW (das sind zehn kW mehr als früher). Es kommt eben immer auf die Ladekurve an.
Wie sich diese in der Praxis gestaltet, wird ein erster Test zeigen müssen. Aber 79 kWh Netto-Batteriekapazität sind schon mal eine gute Grundlage für weite Reisen am Stück. Ob der Saft allerdings für 563 Kilometer reicht, wie von Škoda angegeben, dürfte stark von äußeren Bedingungen wie Fahrstil sowie Außentemperatur abhängen. Die werksseitig genannten 16 kWh Stromverbrauch je 100 Kilometer wären für einen derart starken Allradler jedenfalls ambitioniert. Jedoch ist die Kombination von Asynchronmotor ohne Permanentmagnete vorn und Synchronmotor hinten effizienztechnisch schon ausgebufft, da der vordere Motor in der Teillast quasi ohne Schleppverluste mitläuft, wenn er nicht beansprucht wird.
RS mehr Tourer als drahtiger Performer
Aus der Perspektive der Durchführbarkeit sollten weite Strecken indes kein größeres Problem darstellen. Sitze kann der Volkswagen-Konzern. Im Enyaq RS präsentieren sie sich etwas sportlicher, und man entschied sich für Mikrofaser-Polsteroberflächen nicht unähnlich zu Wildleder. Der Stuhl bietet ordentlichen Seitenhalt, vermutlich mehr, als selbst ein Enyaq RS benötigt, weil er am Ende doch eher der kommode Tourer als das Querperformance-Biest ist.
Platz gibt es im 4,66 Meter langen SUV ebenfalls nicht zu wenig. Selbst hinten weilt man luftig - sogar im schicken Coupé mit leicht stärker abfallender Dachlinie. Und wer mit kompletter Besatzung verreist, bekommt Gepäck im Äquivalent von 570 Litern (beim SUV 585 Liter) unter, was für einen Familienausflug mehr als reichen sollte.
Inspiziert man die Kofferraumklappe beim Einladen genau, fällt der integrierte Eiskratzer ins Auge - bei Škoda immer noch Teil der Ausstattung, genauso wie übrigens der Regenschirm in einem dafür vorgesehenen Fach in der Fahrertür. Dafür haben die Marketing-Strategen sogar einen Begriff namens "Simply Clever". Das ist die eine Form der Praxistauglichkeit; die andere ist eine intuitive Menübedienung auf dem nicht gerade klein geratenen Touchscreen.
Erste Bewährungsprobe: alle nervigen Assistenten ausschalten. Ist mit viermal abwählen in der entsprechenden Leiste abgehandelt und geht fix. Der Rest des Funktionsumfangs ist durchaus üppig, ihn lernt man mit der Zeit kennen. Passt. Eine weitere Bewährungsprobe im Falle des RS ist allerdings sein Preis. Denn 58.600 Euro sind kein Pappenstiel - das muss man erst einmal stemmen, auch wenn Brocken wie Head-up-Display oder edle Ziernähte bereits an Bord weilen. Da kann man bloß auf attraktive Leasingangebote hoffen. Für das Coupé verlangen die Tschechen 2285 Euro Aufpreis. So viel muss es einem schon wert sein, Teil der Anti-Spießerautofraktion zu sein.
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