Die Spannungen im Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) haben in den vergangenen Jahren deutlich gezeigt: Mit veralteten Strukturen und langen Entscheidungswegen war der Verband kaum noch handlungsfähig. Nun liegt ein umfassender Reformvorschlag auf dem Tisch – die neue Satzung, über die am 23. September in der Mitgliederversammlung abgestimmt wird. Kernpunkte sind eine Verkleinerung des Vorstands, eine Amtszeitbegrenzung, die Einrichtung einer Geschäftsführerkonferenz sowie neue Regeln für die Stimmrechte.
AUTOHAUS sprach mit ZDK-Präsident Thomas Peckruhn und Vizepräsident Michael Kraft über die Hintergründe der Reform, die Rolle der Fachgruppen, die zunehmende Bedeutung neuer Händlerorganisationen wie dem VAD – und über die großen Herausforderungen der Branche. Beide machen klar: Der ZDK will künftig schlagkräftiger, moderner und mit einer Stimme auftreten. Doch ob die Mitglieder den Weg mitgehen, entscheidet sich erst in der Abstimmung.
AH: Herr Peckruhn, Herr Kraft, warum braucht der ZDK überhaupt eine Satzungsreform?
Thomas Peckruhn: Der Auslöser war der Streit im Verband, der zuletzt offen ausgetragen wurde. Aber eigentlich reicht die Ursache tiefer: Wir hatten über Jahre Strukturen, die nicht mehr funktionierten. Ein Vorstand mit 17 Mitgliedern, lange Entscheidungswege, ein Nebeneinander von Haupt- und Ehrenamt – all das hat Reibungsverluste erzeugt und das Arbeiten schwer gemacht. Wir mussten den ZDK grundlegend modernisieren, damit er wieder schlagkräftig wird.
Michael Kraft: Wichtig ist uns, dass wir künftig klare Rollen haben. Der Vorstand konzentriert sich auf die strategische Ausrichtung, die Geschäftsstelle übernimmt das operative Geschäft. In der Vergangenheit gab es dabei immer wieder Überschneidungen mit dem Ehrenamt – das soll sich ändern. Unser Ziel ist mehr Transparenz, Effizienz und Vertrauen bei den Mitgliedern.
AH: Was sind die Kernpunkte der vorgeschlagenen neuen Satzung?
T. Peckruhn: Zentral ist die geplante Verkleinerung des Vorstands: Künftig soll er aus sieben Mitgliedern plus Präsident bestehen. Das würde ihn arbeitsfähiger machen und lange Diskussionen verhindern. Zudem ist vorgesehen, eine Amtszeitbegrenzung einzuführen – drei Perioden, danach ist Schluss, es sei denn, eine Dreiviertelmehrheit entscheidet anders. Außerdem wollen wir ein professionelles Onboarding für neue Vorstandsmitglieder einführen.
M. Kraft: Ein ganz neuer Baustein in dem Reformvorschlag ist die Geschäftsführerkonferenz. Dort sollen künftig alle Geschäftsführer der Landes- und Fabrikatsverbände sitzen. Dieses Gremium würde den Vorstand beraten und vor jeder Sitzung einen Beraterkreis mit drei Mitgliedern entsenden. Damit könnten wir die Expertise breiter einbinden und eine echte Vernetzung schaffen – etwas, das bisher kaum vorhanden war.
AH: Ein großes Thema ist die Neuregelung der Stimmrechte. Wie soll das künftig aussehen?
T. Peckruhn: Bisher hatte jedes Mitglied eine Grundstimme, unabhängig von der Höhe seiner Beiträge. Das war ein ständiger Kritikpunkt, insbesondere der großen Landesverbände. Künftig ist vorgesehen, die Grundstimme an einen Mindestbeitrag zu knüpfen. Zusätzlich soll gelten: Für je 5.000 Euro Mitgliedsbeitrag gibt es eine weitere Stimme. Gleichzeitig wollen wir eine Kappungsgrenze einführen, damit einzelne große Verbände nicht alles dominieren.
AH: Was braucht es, um den Landesverband NRW zurück ins Boot zu holen?
T. Peckruhn: Vor allem Vertrauen. NRW hat den Austritt erklärt, aber wir wollen ihnen zeigen, dass ihre Anliegen ernst genommen werden. Dafür müssen wir klare demokratische Strukturen schaffen, die sowohl im ZDK als auch im ZVK funktionieren. Wichtig ist: Niemand darf sich übergangen fühlen. Wenn wir das erreichen, bin ich zuversichtlich, dass auch NRW wieder Teil des Ganzen wird.
AH: Was passiert, wenn die Satzungsreform in der Mitgliederversammlung keine Dreiviertelmehrheit findet?
T. Peckruhn: Natürlich wäre das ein Rückschlag. Aber wichtiger als ein schneller Beschluss ist, dass wir am Ende wirklich alle mitnehmen. Es bringt nichts, wenn eine Reform durchgedrückt wird und danach neue Konflikte entstehen. Deshalb haben wir bewusst Änderungsanträge zugelassen und bis zum letzten Tag Gesprächsbereitschaft signalisiert. Wenn es beim ersten Anlauf nicht reicht, dann arbeiten wir weiter – solange, bis wir eine tragfähige Lösung haben.
M. Kraft: Sollte es am Ende Gegenstimmen geben, werden wir das akzeptieren. Wir sind jedoch überzeugt, dass die Reform inhaltlich so stark ist, dass sie auch Kritiker am Ende überzeugen wird. Denn am Ende geht es nicht um Befindlichkeiten, sondern um die Zukunftsfähigkeit des gesamten Kfz-Gewerbes.
AH: Welche Rolle spielen künftig die Fachgruppen?
T. Peckruhn: Wir haben die bestehenden Fachgruppen – also die Fabrikatsvereinigung und die freien Werkstätten – ausdrücklich in der Satzung verankert. Das war uns wichtig, weil sie die Expertise aus der Praxis liefern. Gleichzeitig öffnen wir die Struktur für neue Gruppen, etwa für Nutzfahrzeuge oder digitale Dienste. So können wir flexibel auf Entwicklungen reagieren.
M. Kraft: Damit stellen wir sicher, dass alle Teile der Branche gehört werden. Freie Werkstätten, Markenbetriebe, große Händlergruppen – sie alle sind Teil des ZDK. Es darf keine Gegensätze geben, sondern nur ein gemeinsames Ziel: die Interessen der Betriebe gegenüber Politik und Öffentlichkeit durchzusetzen.
AH: In der Branche wurde zuletzt auch viel über den VAD gesprochen. Wie sehen Sie dessen Rolle?
T. Peckruhn: Der VAD ist eine Realität, die wir nicht ignorieren. Er soll große Handelsgruppen bündeln, die sich in den bestehenden Strukturen oft nicht ausreichend vertreten fühlen. Unser Ziel ist es, diese Gruppen nicht als Konkurrenz zu sehen, sondern einzubinden – sei es als Untergruppe oder in enger Kooperation. Wichtig ist: Niemand will dem anderen etwas wegnehmen, alle wollen die Branche stärken.
M. Kraft: Klar ist auch, dass große Handelsgruppen andere Bedürfnisse und Erwartungshaltungen haben. Wenn der VAD hier als Ergänzung wirkt und seine Stimme im ZDK eingebracht wird, profitieren am Ende alle. Entscheidend ist, dass wir gemeinsam auftreten und uns nicht gegenseitig schwächen.
AH: Wie könnte eine Integration des VAD in den ZDK satzungsgemäß aussehen?
T. Peckruhn: Unsere Satzung sieht seit jeher vor, dass auch andere auf Bundesebene tätige Vereinigungen, die mit dem Kfz-Gewerbe verbunden sind, Mitglied im ZDK werden können. Bislang ist das nur beim Karosserieverband der Fall. Aber genau dieses Tor steht auch dem VAD offen. Wenn er die Interessen der großen Handelsgruppen bündelt und als Stimme dieser Unternehmen auftritt, könnte er sich problemlos innerhalb des ZDK einbringen – ohne dass doppelte Strukturen entstehen.
M. Kraft: Entscheidend ist, dass wir am Ende ein gemeinsames Sprachrohr der Branche sind. Und genau mit Blick nach vorne stellt sich die Frage, wie wir die großen Veränderungen unserer Zeit meistern.
AH: Kritiker befürchten, dass sich trotz aller Reformen alte Probleme wiederholen. Was entgegnen Sie?
T. Peckruhn: Das sehe ich nicht so. Wir haben erstmals eine klare Aufgabenverteilung geschaffen: Der Vorstand konzentriert sich auf die strategische Ausrichtung, die Geschäftsstelle übernimmt die operative Umsetzung und die Geschäftsführerkonferenz hat eine beratende Funktion. Damit schließen wir aus, dass Gremien gegeneinander arbeiten oder Doppelstrukturen entstehen.
M. Kraft: Hinzu kommt, dass wir die Kommunikation nach außen neu geregelt haben. Künftig spricht nur der Präsident oder ein von ihm benannter Stellvertreter für den Verband. Damit beenden wir die Kakophonie, die wir in der Vergangenheit erlebt haben. Der ZDK wird künftig mit einer Stimme auftreten.
AH: Abseits der Satzungsreform – welche inhaltlichen Herausforderungen stehen für das Kfz-Gewerbe aktuell im Vordergrund?
T. Peckruhn: Wir stecken mitten in einer Transformation. Elektromobilität, autonomes Fahren und digitale Dienste verändern die Geschäftsmodelle unserer Betriebe. Viele klassische Erträge im After Sales brechen weg. Aber es entstehen auch neue Chancen: etwa im Bereich Ladeinfrastruktur, Software-Services oder Flottenmanagement. Unser Ziel ist es, die Betriebe fit zu machen und ihnen Wege in neue Geschäftsfelder aufzuzeigen.
M. Kraft: Wichtig ist, dass wir nicht nur über Risiken sprechen. Ja, Elektrofahrzeuge verursachen weniger Wartungsaufwand, und mit autonomen Fahrzeugen sinken Unfallzahlen. Aber zugleich entstehen neue Aufgaben: Prüfungen, Software-Updates, Kalibrierungen. Wir müssen diese Chancen klar benennen und unseren Mitgliedern Instrumente an die Hand geben, wie sie damit Geld verdienen können.
AH: Und wie will der ZDK hier unterstützen?
T. Peckruhn: Indem wir Orientierung geben. Viele Betriebe fragen sich: Womit verdiene ich morgen mein Geld? Wir wollen Antworten liefern – durch Studien, politische Lobbyarbeit, aber auch ganz praktisch mit Konzepten für neue Geschäftsmodelle.
M. Kraft: Dazu gehört auch, dass wir die Politik stärker einbinden. Nehmen Sie die Diskussion über alternative Kraftstoffe: Das ist ein Thema, das die gesamte Branche betrifft – freie Werkstätten genauso wie markengebundene Händler. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass diese Lösungen nicht aus ideologischen Gründen blockiert werden.
AH: Welche Rolle spielt Europa in dieser Debatte?
T. Peckruhn: Parallel zur nationalen Reform haben wir auf europäischer Ebene den Dachverband "Automotive Mobility Europe" mitgegründet. Dort arbeiten wir mit unseren Partnern aus Frankreich, Spanien, Italien und weiteren Ländern zusammen. Ziel ist es, die Interessen des Kfz-Gewerbes bei Themen wie CO₂-Flottenregulierung oder Transformation mit einer europäischen Stimme zu vertreten.
M. Kraft: Gerade bei Fragen wie der Elektromobilität oder synthetischen Kraftstoffen ist es entscheidend, dass wir auf EU-Ebene gehört werden. Wenn wir dort nicht präsent sind, werden die Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg getroffen – mit gravierenden Folgen für unsere Betriebe.
AH: Immer wieder fällt im Zusammenhang mit der Reform auch das Thema Verjüngung. Wie wollen Sie jüngere Kräfte für den Verband gewinnen?
T. Peckruhn: Das ist sicherlich eine Herausforderung. Einen Dreißigjährigen, der mitten in wichtigen Karriereschritten steckt, überzeugt man nicht so leicht, Verantwortung im Ehrenamt zu übernehmen. Aber wir müssen es versuchen. Der ZDK darf kein Verband von gestern sein, sondern muss nach vorne schauen – und dafür brauchen wir die Besten.
M. Kraft: Genau das ist der entscheidende Punkt: Wir brauchen die Besten – aus den freien Werkstätten ebenso wie aus den markengebundenen Betrieben. In einigen Verbänden sehen wir bereits, dass Vorstände sich verjüngen und dass Unternehmen große Anstrengungen unternehmen, um neue Kräfte einzubinden. Das ist wichtig, damit die Reform nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch gelebt wird. Verjüngung und Schlagkraft gehören zusammen.
AH: Wo wollen Sie den ZDK in zwei Jahren sehen?
T. Peckruhn: Ich wünsche mir, dass wir dann nicht mehr über interne Konflikte sprechen müssen, sondern über inhaltliche Arbeit: Wie wir die Betriebe in der Transformation begleiten, wie wir als Partner der Politik anerkannt sind und wie wir als moderne Organisation auftreten. Unser Ziel ist, dass der ZDK wieder Meinungsführer in der automobilen Wertschöpfungskette ist. Und dass unsere Mitglieder wissen: Dieser Verband ist ihr Sprachrohr – stark, geeint und zukunftsorientiert.
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