Auf der Suche nach einem Elektroauto ist die Marke Kia eine immer ernster zu nehmende Anlaufstation. Den EV4 als ersten Elektro-Kia in der Kompaktklasse vermutet aufgrund seiner stattlichen Erscheinung wohl kaum jemand in diesem Segment.

Mit der fortschrittlichen Elektrotechnologie-Plattform "Electric-Global Modular Platform" (E-GMP) und einer klaren Strategie hat sich Kia eine starke Position als wichtiger Impulsgeber und Innovator erarbeitet und ist mittlerweile für qualitativ hochwertige Produkte bekannt. Die E-GMP ermöglicht mit bis zu 800 Volt schnelle Ladezeit und große Reichweite.

Für das jüngste Modell EV4 müssen im Gegensatz zu den größeren Modellen EV6 und EV9 allerdings 400 Volt reichen, dafür positioniert sich der EV4 aber auch als erschwinglichere Option in der Kompaktklasse. Dort startet er als Schrägheck-Version bei 37.590 Euro, als noch extravagantere Fastback-Limousine bei 41.490 Euro.

Während die Fastback-Limousine mit 4,73 Metern Länge das Kompaktsegment schon Richtung Mittelklasse verlässt, liegt der für Europa in Europa gebaute Schrägheck-EV4 mit 4,43 Metern im oberen Bereich des C-Segments. Sein markanter Auftritt im Kia-Markendesign lässt ihn aber größer wirken, viele halten ihn gar für einen SUV.

Die von Kia "Opposites United" genannte Design-Philosophie für die EV-Modelle verbindet futuristische und minimalistische Elemente. Auch der EV4 ist damit ganz eindeutig ein Hingucker, der bei ersten Probefahrten im sonnenverwöhnten Marbella viele wohlmeinende bis beeindruckte Blicke auf sich zog. Natürlich ist Design wie immer Geschmacksfrage, aber Langeweile oder gar Beliebigkeit kann beiden EV4-Varianten niemand unterstellen, schon gar nicht dem Fastback mit seinem sehr spacigen Heck, auf das wir später noch zu sprechen kommen.

Gekonnt gewollt

Der erste Qualitätseindruck ist sehr gut, wie mittlerweile bei allen Kia-EV-Modellen. Der gute Eindruck hält sich bis in den Innenraum, wo Kia es schafft, auch ohne Holz/Leder/Alu-Applikationen eine wertige Atmosphäre zu schaffen. Kunststoff, Stoff und Kunstleder können gut aussehen, vor allem, wenn das Interieur-Design bewusst reduziert bis minimalistisch gehalten ist. Das wirkt wie gekonnt gewollt, nicht wie gewollt und nicht gekonnt. Beeindruckend ist aber vor allem der überall vorhandene Platz, von den Ablagemöglichkeiten bis zum Fond, in dem sich den Passagieren dank 2,82 Metern Radstand ein nahezu luxuriös-luftiger Fußraum eröffnet. Im Kompaktklasse-Kia EV4 kann man es lange aushalten, vorn wie hinten.

Ordentlich Platz gibt es auch fürs Gepäck. Im Schrägheck verschwinden zwischen 435 und 1.415 Liter Fracht hinter der großen Heckklappe, im längeren Limousinen-Heck sogar 490 bis 1.435 Liter. Beim Hantieren mit Gepäck erfordert die dem extravaganten Design geschuldet niedrige Kofferraumklappe der Limousine allerdings mehr körperliches Engagement.

Gelungenes Bedienkonzept

Gut gelungen ist das Bedienkonzept im EV4 mit so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig physischen Tasten. Das serienmäßige Panoramadisplay aus zwei Bildschirmen mit je 31,2 Zentimetern Diagonale beherbergt das digitale Kombiinstrument vor dem Lenkrad plus Navigationssystem sowie die Steuerung der Klimaautomatik. Die Grafik ist kristallklar, die Darstellung der bordeigenen Navigation allerdings sehr minimalistisch. Macht nichts, das Smartphone ist über Bluetooth schnell eingebunden und sorgt dann für mehr Navi-Grafik. Der rechte Bildschirm streckt sich weit genug, um auch dem Beifahrer Zugriff auf den Infotainment-Touchscreen zu erlauben. Auf dem optionalen Head-up-Display lassen sich außerdem die wichtigsten Informationen direkt von der Frontscheibe ablesen, ohne den Blick von der Straße nehmen zu müssen. Rückspiegel und Sitze verfügen über wunderbar konventionelle und intuitive Bedienelemente.

Mit der immensen Informationsfülle auf den Displays muss sich der Neuling am EV4-Lenkrad allerdings erst mal anfreunden. Das Dickicht lässt sich mit Individualisierungsmöglichkeiten lichten, der Neubesitzer muss sich am Anfang halt Zeit nehmen, um die Menüs zu durchforsten und die Displays auf seine Bedürfnisse anzupassen. Wichtig: Die zahlreichen und in Summe auf Dauer nervigen Hinweis- und Warntöne wie zum Beispiel für Tempolimit-Überschreitung und Spurhalten lassen sich am Lenkrad kurzerhand abschalten, bei jedem Fahrtantritt aufs Neue.

Angenehmes Fahrverhalten

In Fahrt erweist sich der EV4 als ausgesprochen angenehmer Geselle. Vor allem komfortorientierte Fahrer und Passagiere werden ihn mögen, denn er ist ein derart kommod abgestimmter Gleiter, dass er auf kräftigen Bodenwellen schon mal etwas schauklig wirkt, ohne allerdings jemals ein Gefühl der Unsicherheit entstehen zu lassen. Im Gegenzug hält er mit ruhiger Souveränität fast alles von den Passagieren fern, was ihm an unangenehmen Fahrbahnfehlern so unter die Räder kommt. Seine Komfortabstimmung hindert den vorderradgetriebenen EV4 allerdings nicht daran, selbst sehr zügig gefahrene Kurven wie auf den sprichwörtlichen Gleisen zu umrunden. Auch der Geradeauslauf ist makellos. Den Komfort vervollständigt eine hörbar effiziente Schalldämmung, die außer ein wenig Reifenrauschen so gut wie nichts in die Kabine lässt.

Mit seinen 204 PS und 283 Newtonmetern Drehmoment ist der EV4 zudem ausgesprochen zügig unterwegs. Selbst im Eco-Modus vermisst der Fahrer bei Überholmanövern nichts. Kia gibt für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h 7,4 Sekunden an, wenn die kleinere der beiden zur Wahl stehenden Batterien an Bord ist. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit 170 km/h angegeben.

Perfekt integrierte Rekuperationsfunktion

Auch beim Verzögern zeigt sich der EV4 von seiner besten Seite. Die oft nicht ausreichend gewürdigte Rekuperationsfunktion hat Kia hier perfekt integriert. Der EV4 verfügt über One-Pedal-Driving in drei Stufen, die sich per Fingertipp an den Schaltpaddeln am Lenkrad wählen lassen und deren höchste den EV4 selbst auf starkem Gefälle zum Stillstand bringen kann. Auf bergigen Probefahrt-Etappen ließ sich der EV4 damit bergab fahren, ohne Fahr- oder Bremspedal benutzen zu müssen. Das lässt nicht nur jede Menge Bewegungsenergie in die Batterie zurückfließen, sondern schont auch die Bremsen. Und je nachdem, wie technikaffin der Fahrer ist, macht das auch noch Spaß. Vergessen wir nicht: Die Rekuperation ist die einzige Fähigkeit, die ausschließlich ein Elektrofahrzeug bieten kann. Beim Verbrenner ist dieser Effekt unmöglich und die wertvolle Energie geht beim Bremsen in komplett nutzlose Hitze auf.

Auch dieser gekonnten Rekuperation ist es zu verdanken, dass der EV4 recht sparsam unterwegs sein kann. Wir haben je nach Fahrprofil zwischen 14 und 18 kWh/100 km aus dem Akku gezogen. Der niedrige cW-Wert von 0,265 trägt ebenfalls seinen Teil dazu bei. Niedriger Verbrauch resultiert natürlich in hoher Reichweite, und die gibt Kia an mit bis zu 625 Kilometern (WLTP) mit dem 81,4-kWh-Akku, mit bis zu 440 Kilometern (WLTP) für den 58,3-kW-Akku. Sehr gute Werte in der Kompaktklasse. Mit 400-Volt-Technologie soll der EV4 am Gleichstromlader mit bis zu 128 kW in maximal 31 Minuten von 10 auf 80 Prozent laden.

Abgesehen von seiner schon in der untersten von drei Versionen recht kompletten Ausstattung wie navigationsbasierter adaptiver Geschwindigkeitsregelanlage und Autobahnassistent erfreut der Kia mit umfangreicher Konnektivität, einer siebenjährigen Herstellergarantie, achtjähriger Akkugarantie und, ja, auch noch 1000 Kilogramm Anhängelast. Platz, Qualität, Komfort, Fahrerlebnis und Reichweite sind klare Argumente für den neuen Kompaktklasse-Kia EV4. Sowohl die für Europa konzipierte Schrägheck-Version als auch die längere Fastback-Limousine mit dem extravaganten Heck sind wertvolle Bereicherungen im Elektroauto-Angebot.

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