Von Johannes Neudecker, Julian Weber, Frank Johannsen, Lukas Müller und Annette Birschel, dpa

Der Streit um den Chip-Zulieferer Nexperia sorgt für Unsicherheit in der Autoindustrie. Hersteller und Zulieferer versuchen, Produktionsausfälle zu verhindern. Was bisher bekannt ist und warum das für die Autoindustrie so wichtig ist, klären die FAQs.

Warum gibt es Probleme?

Auslöser war das Vorgehen der niederländischen Regierung beim Chiphersteller Nexperia. Die Regierung in Den Haag hatte dem chinesischen Eigentümer von Nexperia Ende September die Kontrolle entziehen lassen – Gerichtsakten zufolge auf Druck der USA. China stoppte daraufhin die Ausfuhr von Nexperia-Produkten für die Autoindustrie.

Grund für den Konflikt ist nach Aussagen des niederländischen Ministerpräsidenten Dick Schoof Missmanagement der chinesischen Unternehmensführung. Der Eingriff des niederländischen Wirtschaftsministers Vincent Karremans bei Nexperia sei „keine Maßnahme gegen China“, sagte der geschäftsführende Regierungschef laut der Nachrichtenagentur ANP beim EU-Gipfel in Brüssel.

Chinas Handelsminister Wang Wentao hatte das Eingreifen der niederländischen Regierung laut Angaben aus Peking im Telefonat mit Karremans kritisiert. Dies habe die Stabilität der globalen Lieferketten ernsthaft beeinträchtigt, sagte er. China fordere von den Niederlanden, die Angelegenheit schnellstmöglich zu lösen.


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Wofür sind die Teile wichtig?

Nexperia mit Sitz im niederländischen Nimwegen ist ein wichtiger Anbieter sogenannter diskreter Halbleiter. Das sind eher einfache Bauteile, die aber für die Wirtschaft unverzichtbar sind. Internen VW-Angaben zufolge entfallen rund 40 Prozent des weltweiten Angebots an Standardchips für die Automobilindustrie auf Nexperia.

Die Halbleiter kommen häufig in elektronischen Steuergeräten von Fahrzeugelektroniksystemen zum Einsatz. In einem modernen Auto stecken Dutzende dieser Geräte. Diese fertigen die Hersteller meist nicht selbst, sondern beziehen sie von Zulieferern.

Nach Angaben des Verbands ZVEI übernehmen diskrete Bauteile viele Funktionen: Sie verarbeiten Signale in Steuergeräten, regeln und stabilisieren die Spannung und binden Sensoren an. Wie viele Halbleiter in einem Auto verbaut sind, hängt laut ZVEI vom Einzelfall ab.

Bei einzelnen Bauteilen ist Nexperia nach eigenen Angaben Weltmarktführer. Zu den Kunden zählten – Stand August – Automobilhersteller wie Tesla und Zulieferer wie Bosch. Die meisten Autokonzerne werden nicht direkt beliefert. Nexperia-Chips befinden sich aber in Komponenten von Zulieferern wie Bosch oder ZF.

Wie schnell lässt sich der Ausfall ersetzen?

Auf den ersten Blick handele es sich bei den Chips um Massenware, sagt Peter Fintl, Automobilexperte des IT-Dienstleisters Capgemini. Allerdings seien sie oft sehr speziell angepasst und daher nicht ohne weiteres zu ersetzen. „Für bestimmte Bauteile kann man nicht einfach auf andere Hersteller umswitchen.“

Das mache die Suche nach Ersatzlieferanten kompliziert und langwierig. „Darin liegen nun die Herausforderungen“, so Fintl. Änderungen in den Lieferketten seien grundsätzlich möglich, allerdings dauere das. „Hier spricht man nicht von Tagen oder Wochen, sondern von Monaten oder Quartalen.“

Wie reagieren die Autobauer?

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) warnte bereits vor möglichen Ausfällen wegen fehlender Chips – bis hin zu Produktionsstopps. Bisher laufe die Produktion in den Autowerken aber noch normal, hieß es bei den deutschen Herstellern.

VW zeigte sich zuversichtlich, Produktionsstopps noch abwenden zu können. Derzeit werde mit einem alternativen Lieferanten verhandelt, der den Ausfall der Nexperia-Halbleiter ausgleichen könnte, sagte Markenproduktionsvorstand Christian Vollmer dem „Handelsblatt“.

Noch am Mittwoch hatte VW vor möglichen Produktionsausfällen gewarnt, die auch kurzfristig möglich seien. Mercedes-Benz teilte mit, man sei „im Kurzfristzeitraum abgesichert“. Der Konzern arbeite „intensiv mit unseren Partnern daran, eventuell auftretende Lücken zu schließen“. Ähnlich hatte sich zuvor BMW geäußert.


Was unternehmen die Zulieferer?

Erste Zulieferer wie ZF richteten bereits Taskforces ein, um die Lage zu bewältigen. Gemeinsam mit Kunden und Lieferanten arbeite man daran, die von Nexperia-Produkten abhängigen Lieferketten stabil zu halten und Alternativen zu prüfen.

Bosch teilte auf Anfrage mit: „Wie andere Kunden von Nexperia stellt auch uns die aktuelle Situation vor große Herausforderungen.“ Expertenteams stünden im engen Austausch mit dem Hersteller sowie anderen Lieferanten und Kunden, um mögliche Einschränkungen bei der Produktion zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.

Der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung, Wolfgang Weber, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Mitgliedsfirmen des Verbands arbeiteten an Ersatzlösungen. Es gebe Signale, die Anlass zur Hoffnung gäben. „Ein Problem liegt jedoch in der notwendigen Qualifizierung der Ersatzbauteile – wir können also keine Entwarnung geben.“ Die Krise müsse schnell politisch gelöst werden.

Was macht die Politik?

Auch die Bundesregierung sucht nach Lösungen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte am Mittwoch, man sei besorgt und mit den verschiedenen Beteiligten in engem Austausch – auch mit der chinesischen Regierung.

Am Mittwochabend gab es dazu eine Schalte des Bundeswirtschaftsministeriums mit Verbänden und Unternehmen aus der Automobil- und Elektronikindustrie, wie dpa von Beteiligten erfuhr. Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.

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