Wer BYD – kurz für "Build Your Dreams" – lediglich als einen weiteren chinesischen Autohersteller abtut, unterschätzt den Konzern gewaltig. Im Jahr 1995 von Wang Chuanfu gegründet, stellte das Unternehmen zunächst Batterien her – die heutige Schlüsseltechnologie schlechthin für erfolgreiche Elektromobilität. Dieser technologische Ursprung prägt die Firma bis heute. Denn erst 2003 stieg BYD in den Automobilbau ein. Und entwickelte sich seitdem rasant zu einem der weltweit größten Produzenten von Elektrofahrzeugen: 2024 überholte BYD sogar Tesla beim globalen Absatz. Längst ist der einstige Speicherspezialist ein breit aufgestellter Technologie-Mischkonzern, der von eigenen Batteriezellen über Halbleiter bis hin zur finalen Fahrzeugmontage fast die gesamte Wertschöpfungskette beherrscht. Ebenso gehören Hybrid-Antriebe inzwischen zum Portfolio.
BYD definiert seine Ambitionen unmissverständlich. "Wir wollen das Apple der Autoindustrie sein", erklärt Stella Li, Executive Vice President des Unternehmens, selbstbewusst. Damit meint die 55-jährige Topmanagerin und derzeit wahrscheinlich mächtigste Frau der Autoindustrie nicht nur das Streben nach einer Premium-Positionierung. Sondern vor allem den Ansatz eines geschlossenen, technologiegetriebenen Ökosystems: Design, Technik und Benutzererlebnis sollen in einem Guss und – für BYD wirtschaftlich viel entscheidender – aus einer Hand kommen.
Ein Beispiel dafür ist das "Flash Charging" mit einem Megawatt (entspricht 1000 Kilowatt). Um diesen Spitzenwert zu erreichen, sind neben der "Super-E-Plattform" genannten Fahrzeugarchitektur eigene Hochleistungsladesäulen nötig. Umgerechnet soll damit in nur fünf Minuten Strom für 400 Kilometer Reichweite geladen werden können. Während in China bereits einige hundert davon in Betrieb sind, sollen bis zum zweiten Quartal 2026 zwischen 200 und 300 Stationen in Europa entstehen. Bislang basieren jedoch nur die Serienmodelle Tang L – international Atto 8 genannt – und Han L auf der Super-E-Plattform. Was sicher auch ein Grund dafür sein wird, dass BYD die europäischen Säulen von Anfang an auch für Fremdfabrikate freigeben will – mit entsprechend gedrosselter Ladeleistung.
Dieser Anspruch auf Technologieführerschaft, kombiniert mit einer aggressiven Preisgestaltung, bildet die Speerspitze von BYDs globaler Expansionsstrategie. Das Produktportfolio des Konzerns ist bereits riesig. Inklusive der Kernmarke BYD und den Submarken Denza, die für Premium und Luxus steht, sowie dem „Ultra-Luxus“-Ableger Yangwang bietet der Konzern auf dem Heimatmarkt China weit mehr als 25 verschiedene Fahrzeugmodelle an. In Deutschland fällt der Auftritt noch deutlich bescheidener aus, soll aber beständig wachsen.
Denza Z9 GT (2025)
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Aktuell umfasst das Portfolio hierzulande acht Modelle der Kernmarke: das kompakte Budget-Modell Dolphin Surf, den darüber positionierten Kleinwagen Dolphin, die kompakten SUVs Atto 2 und Atto 3, den sportlich gezeichneten SUV Sealion 7, den Siebensitzer Tang sowie die Limousine Seal und das kürzlich gestartete SUV-Coupé Seal U. Dazu kommt noch eine Kombi-Variante des Seal, die ausschließlich mit Hybridantrieb erhältlich ist.
Denza: Kurz vor dem Marktstart
Doch die nächste Welle des Angriffs auf die etablierte Konkurrenz rollt bereits an. Denn Denza steht kurz vor dem Marktstart in Deutschland; ein eigenständiger Internetauftritt ist bereits online. Im Frühjahr soll die Luxusmarke, die ursprünglich als Joint Venture mit Mercedes-Benz startete, mit zunächst vier Modellen nach Europa kommen. Allen voran der Sportkombi Z9 GT, der bis zu 710 kW/957 PS leistet und ebenfalls für das Flash-Laden geeignet ist. Danach folgen der luxuriöse Van D9, den BYD als Konkurrenz zur Mercedes V-Klasse positioniert, sowie der Crossover-SUV N7 und der Geländewagen B9. Zudem ist ein Sportwagen mit dem Kürzel Z in Planung. Auch das noch über Denza positionierte Label Yangwang, das mit technologischen Demonstrationen wie dem Geländewagen U8, der auf der Stelle wenden kann, für Aufsehen sorgt, erwarten Branchenkenner bereits 2026 in Europa.
In Deutschland spiegeln die Zulassungszahlen dieses aggressive Wachstum bislang nur bedingt wider. Zwar verzeichnete BYD laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in den letzten zwei Jahren prozentual enorme Zuwächse, bewegt sich aber absolut gesehen noch auf niedrigem Niveau. Registrierte das KBA 2023 in Deutschland rund 4.100 Neuzulassungen, konnte BYD diese Zahl bis Ende 2024 zwar mehr als verdreifachen – der Marktanteil bleibt mit unter zwei Prozent jedoch noch überschaubar. Die selbstgesteckten Ziele von fünf bis zehn Prozent Marktanteil in Deutschland scheinen derzeit äußerst ambitioniert.
BYD Yangwang U9X (2025)
Etablierte Hersteller in Europa rätseln dennoch, wie BYD das bislang immense Tempo in Entwicklung und Wachstum vorlegen kann. Während bei europäischen OEMs oft fünf bis sieben Jahre für einen komplett neuen Fahrzeugzyklus vergehen, stampft BYD neue Modelle und ganze Marken in der Hälfte der Zeit aus dem Boden. Einblicke in dieses "Geheimnis" gibt BYD-Designchef Wolfgang Egger. Der 62-jährige Deutsche arbeitete zuvor unter anderem für Audi und Alfa Romeo – und sieht den entscheidenden Vorteil in der Unternehmenskultur.
Europäische Hersteller seien oft in ihren eigenen Traditionen gefangen. "Bei BYD gibt es weniger Hierarchie und eine horizontalere Organisation", erklärt Egger. Die chinesische Mentalität im Unternehmen sei "sehr offen" und "nicht in historischen Schemata verhaftet". Diese Flexibilität erlaube es, Entscheidungen extrem schnell zu treffen und umzusetzen. Wo in Europa oft langwierige Abstimmungsprozesse und Abteilungsdenken vorherrschten, setze BYD auf parallele Arbeitsabläufe und enge Verzahnung.
"Wir können die Dinge nicht nacheinander abarbeiten; wir müssen alles zur gleichen Zeit angehen", so Egger über das hohe Tempo. Dieser Ansatz erfordere ein ausgeprägtes Maß an Vertrauen und Teamgeist, insbesondere zwischen Design und Entwicklung. "Wir sind Freunde", betont Egger süffisant die enge Beziehung zu den Ingenieuren. "Diese starke Interaktion von Anfang an" sei der Schlüssel zur vorgelegten Geschwindigkeit. Die flachen Hierarchien, gepaart mit dem Willen, schnell zu agieren und der technologischen Basis aus dem Batteriegeschäft, bilden das Fundament für die globale Wachstumsoffensive von BYD. Ob dieses Tempo ausreicht, um die anspruchsvollen und oft über Generationen hinweg markenverbundenen deutschen Kunden zu überzeugen, bleibt sicher eine der größten Herausforderungen für den vergleichsweise jungen chinesischen Hersteller.
Eröffnung Denza Showroom München (2025)
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