Kawasaki legt mit der W230 den Ururenkel seines ersten nach Deutschland importierten Motorrades auf. Im authentischen Stil und mit bodenständiger Technik erinnert die Kawa an vergangene Zeiten.
Beim Blick auf die neue Kawasaki W230 fühlt man sich unwillkürlich zurückversetzt in die Zeit, als die vier großen japanischen Motorradmarken die Eroberung des Weltmarkts begannen. Kawasaki startete die Erfolgsgeschichte in Deutschland 1966 mit der 650W1, einem unverkleideten, sportlichen Motorrad mit Reihentwin nach Vorbild einer britischen BSA. Diese Zeiten ruft die Urenkelin W230 im authentischen Retro-Outfit für 5.245 Euro wieder wach.
Wie damals sind die Kotflügel der W230 aus echtem Metall, die Telegabel trägt schützende Faltenbälge und am Heck stützen sich klassische Stereo-Federbeine gegen den Schleifenrahmen aus Stahl ab. Scheinwerfer, Blinkergehäuse und Rückspiegel sind rund, die Sitzbank durchgehend und gerade. Hinter dem geweihartig geschwungenen Lenkerröhrchen sitzt es sich erdverbunden in 74,5 Zentimetern Höhe, das gibt Sicherheit. Allerdings wandern die Knie auf den recht weit vorn montierten Rasten erstaunlich weit nach oben, das halten Langbeinige nicht lange durch.
Ein Druck aufs Starterknöpfchen lässt den tatsächlich luftgekühlten 233-Kubik-Single anspringen - fein verrippt bringt einzig und allein Fahrtwind Kühlung, keine versteckten Wasser- oder Ölkühler füllen den luftigen Raum hinter dem Rahmenunterzug. Erstaunlich voll tönt es aus dem metallenen Peashooter-Schalldämpfer, sanft und fast ab Standgas setzt sich die kleine Kawa in Bewegung. Im rollenden Stadtbetrieb hält die W230 locker mit, tapfer und wahrnehmbar zitternd klettert die Nadel im analogen Drehzahlmesser nach oben. Selbst im oberen Drehzahldrittel vermittelt der kleine Zweiventiler noch so etwas wie Drehfreude, erkauft das aber ungeachtet der Ausgleichswelle mit präsenten Vibrationen.
Fahrspaß zum vertretbaren Preis
Mit butterweicher Kupplung und knackig-kurzem Sechsganggetriebe ergibt sich so etwas wie klassischer Sportsgeist, mit echten knapp 18 PS reißt die Kawa aber keine Bäume aus. An mancher Steigung macht sich das Fehlen des ein oder anderen Pferdchens schmerzlich bemerkbar, auf gerader Strecke nimmt die Elektronik den Motor bei 113 km/h etwas rabiat an die Kandarre. Dafür begnügt sich der Antrieb mit sozialkompatiblen 2,5 Litern auf 100 Kilometer.
Langweilig wird einem auf der Klassik-Kawa trotz der geringen Leistung nicht, denn sie bietet eine unerwartet belebende Art von Fahrdynamik. Mit nur 143 kg zählt sie nicht nur zu den Leichtesten ihrer Klasse, zusätzlich verleihen ihr die schmalen, natürlich auf traditionellen Speichenrädern aufgezogenen Reifen einen fahrradähnlichen Charakter. Auf Chinapneus mit Namen IRC Grand High Speed und mit unterdämpften Federelementen flitzt die Kawa mutig und schwungvoll durchs Winkelwerk, je enger, desto lieber - der oftmals strapazierte Begriff vom mühelosen Handling erfährt hier eine neue, höchst erfrischende Interpretation. Auf der W 230 bekommt die Umgebung und nicht nur das Asphaltband die Aufmerksamkeit des Fahrers geschenkt.
Bei den möglichen Geschwindigkeiten stellt sich die Frage nach der Stabilität nicht, mit zu viel Schwung kommt der Zweikolben-Schwimmsattel im Vorderrad unter vollem Einsatz der Unterarmmuskeln gut zurecht. Gegenüber früher erscheint die Kombination aus 18 PS und Scheibenbremsen mit ABS jedenfalls erheblich gesünder als die von Trommelbremsen gezügelten 50 PS beim Uropa von 1965.
Nach einer halben Stunde auf der W 230 fühlen sich die meisten Fahrer gründlich geerdet, der frische Fahrtwind hat Stress, Revierkämpfe und übertriebene Ambitionen weggepustet. Für die glaubhafte Zeitreise in die Vergangenheit ruft Kawasaki inklusive Nebenkosten vertretbare 5245 Euro auf.
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