In weiten Teilen Brandenburgs sind sinkende Grundwasserstände und Seewasserspiegel ein immer größer werdendes Problem. In besonderem Maße ist davon der Straussee betroffen. Einwohner und Politik suchen nach Lösungen.

Während manch einer an einem verregneten Juli-Tag seufzt, sind Regentage in der brandenburgischen Stadt Strausberg ein Grund zur Freude. Denn der örtliche Straussee leidet unter Wassermangel. An der tiefsten Stelle ist er immer noch 19 Meter tief, doch sein Pegel sinkt seit Jahren. Die jährlichen Niederschläge und unterirdischen Zuflüsse reichen nicht aus, um die Wasserverluste durch Verdunstung und andere Faktoren auszugleichen. Die Veränderungen greifen mittlerweile in das ökologische, gesellschaftliche und infrastrukturelle Gefüge der Region ein.

Das traditionsreiche Freibad am See wurde vor sechs Jahren geschlossen. Der Wasserspiegel war so stark gefallen, dass der Nichtschwimmerbereich vollständig trocken lag. Heute führt nur noch eine steile Abbruchkante direkt ins tiefere Wasser. Das Baden für Kleinkinder und Nichtschwimmer ist damit unmöglich. Die historische Fähre, die seit mehr als 130 Jahren den See überquert, bekam Probleme: Das Anlegen war nicht mehr möglich. Der Steg musste mit schwimmenden Pontons verlängert werden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Auch direkt am Ufer zeigen sich erste Auswirkungen: Immer mehr Bäume verlieren ihren Halt und entwurzeln. Inzwischen wird sogar geprüft, ob die Statik von Gebäuden in unmittelbarer Seenähe gefährdet sein könnte. Erste Risse in Hausfassaden wurden bereits gemeldet.

Das Freibad am See musste schon vor Jahren schließen.

Der See kommt nicht mehr hinterher

Ein erstes hydrogeologisches Gutachten, unter anderem der TU Dresden, lieferte bereits 2020 eine eindeutige Diagnose: Der sinkende Wasserstand des Straussees ist das Ergebnis mehrerer Faktoren, allen voran des Klimawandels. Zwar prognostizieren Klimamodelle künftig mehr Niederschläge, besonders in den Wintermonaten, doch diese können den zunehmenden Trockenphasen im Sommer kaum entgegenwirken. In Brandenburg sind die Sommertemperaturen bereits um vier bis fünf Grad gestiegen.

"Was im Straussee passiert, ist repräsentativ für die gesamte Seenlandschaft Brandenburgs", erklärt Thomas Volpers vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: "Vor allem solch großflächigen Seen leiden unter den hohen Durchschnittstemperaturen im Sommer und der damit verbundenen starken Verdunstung. Das führt zu einem drastischen Absinken der Grundwasserspiegel. Und der Straussee speist sich aus Grundwasser."

Der sinkende Wasserstand des Straussees ist Ergebnis mehrerer Faktoren.

Das zusätzliche Abschöpfen des Grundwassers verschärft die Situation erheblich. 5 Millionen Kubikmeter entnimmt der Wasserverband jährlich in der Region Strausberg - zur Versorgung von Haushalten, Gewerbe und Industrie mit Trinkwasser. Modellrechnungen zeigten, dass allein die erhöhte Entnahme an der Wasserfassung Spitzmühle seit 2014 rund ein Fünftel des Wasserdefizits im Straussee ausmacht.

Die zunehmende Versiegelung von Flächen durch Bevölkerungszuzug kommt erschwerend hinzu. Regenwasser kann vielerorts nicht mehr versickern, was die Neubildung von Grundwasser erschwert. Zusätzlich gerät der regionale Wasserhaushalt durch die Ansiedlung großer Industrieprojekte, wie Tesla, im benachbarten Grünheide unter Druck.

Trinkwasser für Privatpools

Auch die Bürger selbst sind Teil des Problems. 2022 lag der durchschnittliche Wasserverbrauch im Gebiet des Wasserverbands Strausberg-Erkner bei 175 Litern pro Person und Tag - deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 126 Litern. Der Wasserverband sieht einen wesentlichen Grund dafür in der Vielzahl an Wochenend- und Gartengrundstücken, deren Besitzer Trinkwasser aus der Leitung nutzen. Allein in den Sommermonaten fließen rund drei Millionen Kubikmeter Wasser vor allem in die Gärten und Privatpools.

Die Stadtverordnetenversammlung richtete deswegen im Juni einen eindringlichen Appell an die Bürgerinnen und Bürger sowie die Gewerbetreibenden von Strausberg: Wasser solle sparsam genutzt werden.

Frank Weber braucht diesen Appell nicht. Er bewässert seine Pflanzen schon lange mit aufgefangenem Regenwasser - für den Rasen reicht es allerdings nicht mehr, der ist mittlerweile braun. Er ist Vorsitzender der Bürgerinitiative zur Erhaltung des Straussee, die er vor sechs Jahren gegründet hat. 300 Mitglieder engagieren sich mit ihm zusammen.

Er wünscht sich mehr als Appelle, um den See zu schützen. "Trinkwasser ist schlicht zu billig. Das erweckt den Eindruck, es sei unbegrenzt verfügbar", sagt er. "Wer seinen Garten damit bewässern will, sollte dafür auch einen angemessenen Preis zahlen müssen."

Viele Ideen, keine Lösung

Lösungsvorschläge sind zahlreich, doch bisher kam nichts davon zur Umsetzung. So wurde etwa diskutiert, Meerwasser nach Brandenburg zu leiten, zu entsalzen und für die Bewässerung nutzbar zu machen oder sehr gründlich gereinigtes Abwasser gezielt unversiegelten Flächen zuzuführen, um die Grundwasserneubildung zu fördern. Auch Vorschläge, Regenwasser besser zu speichern, stehen im Raum. Doch viele dieser Ideen scheitern bislang unter anderem an rechtlichen Hürden oder fehlenden finanziellen Mitteln.

Derzeit auf dem Tisch: die mögliche Nutzung von Wasser aus einem anderen See in der Nähe. Dort werden jährlich rund 12 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Tagebau abgepumpt und in den Kriensee eingeleitet. Ein Teil des Wassers könnte theoretisch in den Straussee fließen. Eine Machbarkeitsstudie legt allerdings nahe: Das sulfathaltige Wasser müsste erst aufbereitet werden, bevor es in den See geleitet werden könnte.

Stadt befürchtet hohe Kosten

"Wir brauchen eine langfristige, nachhaltige Lösung", das ist Frank Weber von der Bürgerinitiative wichtig, "und das kann nur die Herstellung des Wasserkreislaufs sein. In der Form, dass gereinigtes Wasser wieder in den Bereich der Grundwasserentnahme zurückgeführt wird, zur Stützung des Landschaftswasserhaushaltes.”

Elke Stadeler, die Bürgermeisterin der Stadt Strausberg, ist zurückhaltend. Allein der Leitungsbau würde rund zehn Millionen Euro kosten und die Dimension der Aufgabe wäre noch gar nicht konkret definiert. Beim Erhalt des Sees ginge es nicht darum, ob man will, sondern ob man kann. Der Wunsch, die Situation zu verbessern, bestünde auf allen Seiten.

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