Bei der Bahn steht die nächste "Generalsanierung" an. Neun Monate lang wird zwischen Hamburg und Berlin modernisiert - für Pendler eine Zumutung. Muss das sein? Das fragt sich auch die Politik.
Mit dem ICE vom Berliner Hauptbahnhof in unter zwei Stunden nach Hamburg fahren, das wird vorerst nicht mehr möglich sein. Mindestens 45 Minuten länger sind die Züge auf der Umleitung unterwegs - und das von heute Abend an - bis Ende April nächsten Jahres: Denn die Bahn hat volle neun Monate für die zweite sogenannte Generalsanierung eingeplant.
Bedeutet: Vollsperrung von rund 280 Kilometern Gleisen - viermal so viel wie bei der Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim, die im vergangenen Jahr als erste von über 40 Hochleistungsstrecken generalüberholt wurde.
Gleise und Weichen im Fokus
Bauleiter Julian Fassing von der DB InfraGO hat auch zwischen Hamburg und Berlin wieder das Kommando. Was haben er und die bis zu 1.000 täglich beteiligten Mitarbeitenden dort genau vor? "Der Schwerpunkt liegt auf dem Oberbau, also Gleisen und Weichen. Sei es Neubau oder Erneuerung. Insbesondere auch die Stellwerkstechnik. Und dann gibt es natürlich an vielen anderen Anlagenteilen noch Maßnahmen."
Die vollständige Digitalisierung der Strecke mit dem Zugleitsystem ETCS gehört aber nicht dazu. Und auch bei neuen Weichen und Ausweichstellen für die Züge hat die Bahn im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen offenbar gekürzt.
"Im Grunde stehen wir zu diesem Konstrukt"
Trotzdem neun Monate Vollsperrung? Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene, zeigt dafür wenig Verständnis: "Ich finde, wenn man weniger baut als ursprünglich vorgesehen, müsste zumindest der Zeitraum verkleinert werden für die Sperrung. Da warte ich bis heute auf eine plausible Erklärung." Genau wie vermutlich viele Anwohnerinnen und Anwohner in den betroffenen fünf Bundesländern. Die sollen im Regionalverkehr auf Busse umsteigen, zum Teil mit dreimal so langen Fahrtzeiten.
Trägt das Konzept "Generalsanierung" also überhaupt noch? Der neue Bundesverkehrsminister, Patrick Schnieder von der CDU, stellt sich zumindest Fragen. "Überfordern wir die Menschen nicht? Kann man es bei anderen Sanierungen ein bisschen anders machen, kann man es besser machen? Aber im Grunde stehen wir zu diesem Konstrukt. Wir wollen das schon umsetzen, auch in etwa in dem Zeitraum, den wir uns da vorgenommen hatten."
Kapazitäten der Bauindustrie sind begrenzt
Schon jetzt ist allerdings klar: Mehr als 40 wichtige Bahnstrecken bis 2030 generalüberholen, das wird nicht klappen. Auch weil die Kapazitäten der Bauindustrie begrenzt sind. Die Bahn schlägt nun das Jahr 2036 als Zielmarke vor. Dabei hatte die Politik bisher anderes versprochen.
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) will nun mit der Bahn über das weitere Vorgehen sprechen. "Wir werden schauen, wie wir das zusammenkriegen. Wo haben wir Punkte, wo wir sagen: Da müssen wir etwas ändern? Und dann wird ein Gesamtkonzept draus. Da würde ich keine große Geschichte draus machen."
"Wir kriegen das schon hin"
Bei mehr als 100 Milliarden Euro, die der Bund bis 2029 in die Bahn investieren will, ist die Geschichte aber vielleicht doch etwas größer, findet der Bundesrechnungshof. Der mahnt schon länger, dass der Bund als Eigentümer der Bahn nicht immer nur mehr Geld nachschießen, sondern den Konzern viel stärker kontrollieren und klare Ziele ausgeben sollte. Eine solche Strategie hat Verkehrsminister Schnieder jetzt für den Spätsommer angekündigt.
Bauleiter Fassing wird dann schon auf seiner neuen Mega-Baustelle zwischen Berlin und Hamburg unterwegs sein - und sein Team motivieren, bis zum Frühjahr durchzuhalten. Wie das genau geht? "Möglichst viele, ich sag' mal, infizieren mit dem Gedanken: 'Wir kriegen das schon hin. Und egal, was an Problemen kommt, wir lösen die gemeinsam.' Und dann kriegen wir das auch hin."
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