CSU-Chef Söder plädiert für einen Stopp aller Bürgergeld-Zahlungen an Geflüchtete aus der Ukraine - SPD-Chef Klingbeil hält davon offenbar wenig: Manche Vorschläge trügen "nicht dazu bei, dass wir in der Koalition gemeinsam vorankommen".
Vizekanzler Lars Klingbeil hält wenig vom Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), allen Geflüchteten aus der Ukraine statt des Bürgergelds die geringeren Asylbewerberleistungen zu gewähren. "Mancher Vorschlag, der jetzt in den letzten Tagen gemacht wurde, trägt, glaube ich, nicht dazu bei, dass wir in der Koalition gemeinsam vorankommen", sagte der SPD-Chef am Rande seines Antrittsbesuchs bei US-Finanzminister Scott Bessent.
Im Koalitionsvertrag sei klar vereinbart, dass neu ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine kein Bürgergeld mehr erhalten sollten. "Das wird jetzt auch so schnell wie möglich umgesetzt", so Klingbeil. "Das ist eine Entscheidung, die ich auch richtig finde."
Er appellierte, in der schwarz-roten Koalition nicht in Streitigkeiten zu verfallen. Die Regierung habe eine große Verantwortung, Probleme anzupacken. "Das ist der Modus, in dem ich arbeiten will und wo ich mir auch Mühe gebe als Vizekanzler, Finanzminister und Parteivorsitzender: Dass wir Sachen abräumen und dafür sorgen, dass wir vorankommen, dass die Probleme der Menschen gelöst werden", betonte er.
Söder will Bürgergeld-Stopp für alle Ukrainer
Söder hatte im ZDF gefordert, auch schon bisher in Deutschland lebenden ukrainischen Geflüchteten kein Bürgergeld mehr zu gewähren, sondern Leistungen wie Asylbewerbern. Diese fallen geringer aus und werden oft als Sachleistungen oder per Bezahlkarte gewährt. Söder sagte, er wolle in der Koalition durchsetzen, dass es "kein Bürgergeld mehr gibt für all diejenigen, die aus der Ukraine gekommen sind". Dies müsse nicht nur für diejenigen gelten, die in Zukunft kommen, "sondern für alle".
Die Forderung des CSU-Chefs geht damit über den Koalitionsvertrag von Union und SPD hinaus. Dort ist als Stichtag der 1. April dieses Jahres vorgesehen. Geflüchtete, die danach aus der Ukraine kommen, sollen bei nachgewiesener Bedürftigkeit nur Asylbewerberleistungen, aber kein Bürgergeld mehr erhalten.
Frei befürchtet keinen Koalitionsstreit
Kanzleramtschef Thorsten Frei zeigte sich im Interview mit den tagesthemen indes zuversichtlich, dass man in der schwarz-roten Koalition einen gemeinsamen Standpunkt finden werde. "Wenn Sie einen Koalitionsvertrag haben, dürfen Sie natürlich jederzeit auch darüber hinausdenken", sagte er. "Es ist so, dass man sich mit dem Thema beschäftigen muss, aber wenn wir uns nicht verständigen könnten, dann gelten selbstverständlich die Verabredungen des Koalitionsvertrages - daran rüttelt niemand."
In einer Koalition könne man über die Punkte sprechen, die man für richtig und notwendig erachte, genau das habe Söder getan. "Insofern erwächst daraus für sich genommen noch kein Konflikt in der Koalition." Er habe "jetzt hier keine Missstimmung wahrgenommen", ergänzte Frei. Er glaube, "dass das Bürgergeld vom ersten Tag an keinen Beitrag dazu geleistet hat, die Arbeitsmarktintegration der Ukrainer zu verbessern".
Thorsten Frei, Kanzleramtsminister, über unterschiedliche Meinungen zum Thema Bürgergeld in der Koalition
tagesthemen"Die Ärmsten der Armen werden in den Fokus gerückt"
Für den Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge geht die gesamte Sozialstaatsdebatte in eine falsche Richtung, wie er im Interview mit tagesschau24 erklärt: "Die Ärmsten der Armen, das sind die Geflüchteten - in diesem Falle die Ukrainerinnen und Ukrainer - und das sind die Bürgergeld-Beziehenden: Die werden in den Fokus gerückt, dort soll gespart werden."
Und gleichzeitig werde "dieselbe Summe, die man jährlich für das Bürgergeld ausgibt, aufgewendet, um damit in den nächsten vier Jahren Unternehmen zu entlasten beim sogenannten Investitionsbooster, den der Bundestag vor Kurzem beschlossen hat - nämlich auch 46 Milliarden Euro. Und ich finde, es ist wirklich die Frage: Geht es tatsächlich den Armen zu gut und den Reichen zu schlecht? Oder ist es nicht genau umgekehrt und müssten wir nicht mehr Solidarität wagen?"
Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler, zur Bürgergeld-Debatte
tagesschau24, 04.08.2025 18:00 UhrBeim Thema Zahlungen an Geflüchtete aus der Ukraine müsse die Union Klarheit gewinnen. Wenn man zuerst die ukrainischen Geflüchteten privilegiere, indem man sie direkt in das Bürgergeld lasse - "dann kann man nicht zwei drei Jahre später kommen und sagen, wir streichen ihnen das Bürgergeld, weil wir das Geld zum Beispiel für die Rüstung brauchen". Das sei ein falscher Zusammenhang.
"Eher würde ich fragen, warum werden Ukrainerinnen und Ukrainer anders behandelt als Geflüchtete aus anderen Kriegsgebieten, denen es genauso schlecht geht?" Das Grundgesetz mache keinen Unterschied zwischen Ausländern und Deutschen, so Butterwegge.
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