Durch Schwarzarbeit entgehen dem Bund jedes Jahr hohe Einnahmen. Jetzt sollen Kontrollen verschärft werden. Finanzminister Klingbeil und Arbeitsministerin Bas machen sich vor Ort ein Bild von der Arbeit des Zolls.

Sie kommen mit Blaulicht und fast zwei Dutzend weiß-blauen Autos: 100 Kontrolleure mit stichsicheren Westen, dazu grellgelbe Überzieher mit der großen Aufschrift "Zoll". Die Einsatzkräfte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit laufen schnellen Schrittes auf eine Baustelle in Berlin. Eine verdachtsunabhängige Prüfung, wie es heißt. Überraschend also.

Etwas hinterher hängt eine Traube Journalisten samt Kamerateams und zwei Menschen, die sich die Warnwesten über ihre weißen Hemden gezogen haben. Diese beiden sind keine Profis vom Zoll, sondern die SPD-Bundesminister Lars Klingbeil und Bärbel Bas.

Sie wollen sich angucken, wie so eine Baustellenkontrolle praktisch abläuft. "Für uns geht es darum, dass die wenigen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, dingfest gemacht werden", sagt Finanzminister Klingbeil später.

Erst einmal aber bekommen er und Arbeitsministerin Bas von Einsatzleiter Ronny Tillmann erklärt, worauf es heute ankommt. Geprüft wird beispielsweise, ob alle auf der Baustelle Sozialbeiträge zahlen, ob womöglich jemand arbeitslos gemeldet ist und trotzdem arbeitet, ob jemand illegal beschäftigt wird oder nicht den Mindestlohn bekommt. Der ist für Elektriker, Dachdecker und Gerüstbauer unterschiedlich. Arbeitsministerin Bas nickt.

Klingbeil und Bas lassen sich von Einsatzleiter Ronny Tillmann den Einsatz am Bau erklären.

Fiskus und Sozialversicherungen entgehen Milliarden

Schwarzarbeit ist ein Problem, das den Staat viel Geld kostet. Bei 766 Millionen Euro lag die Schadenssumme, die der Zoll im vergangenen Jahr in Deutschland festgestellt hat - 369 Millionen davon allein im Baugewerbe. Weit geringer sind die verhängten Strafgelder: Hier kamen 30 Millionen zusammen.

Das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs. Beim Institut der deutschen Wirtschaft forscht Dominik Enste zur Schwarzarbeit, seit zwanzig Jahren beschäftigt ihn das Thema. Mit anonymen Befragungen, Hochrechnungen und Analysen versucht er, dem Dunkelfeld auf die Spur zu kommen. Er geht davon aus, dass mehr als 3,3 Millionen Menschen in Deutschland schwarzarbeiten.

Das koste die Unternehmen hierzulande bis zu 500 Milliarden Umsatz pro Jahr, sagt Enste. Dem Fiskus und den Sozialversicherungen entgehen ihm zufolge jährlich etwa 16 Milliarden. Gewaltige Summen. Allerdings: Schwarzarbeit komplett auf Null zu reduzieren, sei kaum möglich, sagt der Experte. "Ein Land ganz ohne Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit gibt es nicht", so der Forscher.

Gesetz soll für zwei Milliarden Mehreinnahmen sorgen

Das ist auch dem Bundesfinanzminister klar. Doch der Weg ist das Ziel. Zwei Milliarden Mehreinnahmen ab 2028 sollen es laut dem Gesetzentwurf werden. Signale senden, Schwarzarbeit eindämmen - soweit es eben geht.

Bei der Baustellenkontrolle in Berlin ist Einsatzleiter Tillmann mit dem Briefing der Politiker fertig. "So", sagt Klingbeil, "Theorieteil abgeschlossen." Dann gehen die Ministerin und der Minister auf die Baustelle.

Auf so einer Baustelle wollten sich in der Regel viele Arbeiter gar nicht der Prüfung entziehen, sagt Einsatzleiter Tillmann. "Wir sind ja auch für die Arbeitnehmer da", so der Mann vom Zoll. "Wir wollen ja, dass die ihren Lohn bekommen, auf den sie einen Anspruch haben, dass sie nicht ausgebeutet werden." Auf der heutigen Baustelle habe es aber vorab keine Hinweise darauf gegeben. Es sei eine Zufallsprüfung.

Personalausweispflicht in weiteren Branchen

Der Bau hat den größten Anteil an der Statistik, steht aber bereits länger im Katalog der von Schwarzarbeit besonders betroffenen Branchen. Die Liste soll durch das geplante Gesetz erweitert werden: Beispielsweise Barbershops, Kosmetik- und Nagelstudios kommen neu hinzu. In diesen Branchen wird intensiver kontrolliert. Generell sollen Arbeitnehmer in diesen Branchen nun verpflichtet werden, bei der Arbeit den Personalausweis dabei zu haben und sich bei Kontrollen auszuweisen.

Die Kontrolleure vom Zoll sollen auch mehr Befugnisse bekommen. Die Datenanalyse und der Datenaustausch sollen verbessert werden. Für zusätzliches Personal und das Upgrade bei der Technik will das Finanzministerium in den kommenden vier Jahren fast 500 Millionen Euro ausgeben.

Das trifft bei der Zollgewerkschaft einen Nerv. "Viele Prozesse laufen noch papiergebunden", schreibt die in ihrer Stellungnahme: "Wie so oft betont nützen auch die besten neuen Befugnisse wenig, wenn die technische Realität vor Ort veraltet bleibt." Das soll sich ändern, die digitale Vernetzung soll besser werden.

Tatsächlich sieht man auf der Baustelle in Berlin noch Kontrolleure, die Klemmbretter mit einem Papierstapel in der Hand halten. Die Prüfung läuft weiter, als die Ministerin und der Minister das Gebäude nach einer guten Viertelstunde wieder verlassen. Ergebnisse werden wohl erst in einigen Tagen feststehen, teils müssen im Nachhinein Daten überprüft werden.

"Viele Prozesse laufen noch papiergebunden": Die Zollgewerkschaft hofft auf Digitalisierung.

Vergleichsweise gute Steuermoral in Deutschland

Durch das Gesetz sollen die Daten aus den Prüfungen in Zukunft auch an die Jobcenter gemeldet werden. "Sozialleistungsbetrug wie auch Schwarzarbeit, das ist kein Kavaliersdelikt", sagt Arbeitsministerin Bas vor der Baustelle den Journalisten. Der Datenaustausch mit den Jobcentern sei deswegen ein wichtiger Aspekt: "Damit wir die Möglichkeit haben, zu Unrecht gezahlte Sozialleistungen auch schnell zurückzufordern."

Ein Schritt voran. Dennoch werde das Gesetz die Schwarzarbeit nicht abschaffen, ist das Fazit von Schwarzarbeitsforscher Enste. "Der private Handwerker, den sie nur zum Teil offiziell abrechnen, ist für den Zoll kaum zugänglich", erklärt er. "Auch Haushaltshilfen sind zu 90 Prozent nicht angemeldet. Aber der Zoll kann ja nicht quasi in die Privatwohnung eindringen, um die illegal beschäftigte Haushaltshilfe festzunehmen."

Insgesamt stehe Deutschland allerdings gut da. Es gebe eine vergleichsweise gute Steuermoral, die helfe gegen Schwarzarbeit: "Man muss vermeiden, dass man italienische Verhältnisse bekommt, wo der Bürger den Staat quasi als Feind, als Gegner ansieht, dem man ein Schnippchen schlagen möchte."

Vor der Berliner Baustelle lassen sich Klingbeil und Bas inzwischen Tricks bei der Schwarzarbeit erklären. Besonders polnische Dokumente würden oft gefälscht, erklärt ein Zollbeamter. Das Ziel: sich als EU-Bürger mit Arbeitsrecht auszugeben.

Wie gut die Fälschungen denn so seien, fragt Klingbeil. "Das geht von bis", antwortet der Beamte. "Es gibt sehr gute Fälschungen, aber auch solche für ein paar Hundert Euro, die wirklich schlecht sind."

Nachdem das Kabinett heute den Entwurf für das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz durchgewunken hat, geht dieser nun in den parlamentarischen Prozess. Bis der Bundestag das Gesetz beschließt, kann es noch einige Monate dauern.

Nicole Markwald, ARD Berlin, tagesschau, 06.08.2025 16:20 Uhr

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