Eine Initiative mehrerer Städte will kranke Kinder aus Gaza aufnehmen. Die Bundesregierung konzentriert sich bislang lieber auf eine Unterstützung der Hilfsangebote vor Ort. Warum?
Nach knapp zwei Jahren Krieg liegen große Teile des Gazastreifens in Schutt und Asche. Zehntausende Menschen sind tot, Zehntausende verletzt, Hilfsorganisationen sprechen von einer Hungersnot. Vor allem Kinder leiden - unter ihnen schwer kranke.
Mehrere Städte in Deutschland bieten deshalb Hilfe an. Sie wollen Kinder aus dem Kriegsgebiet ausfliegen und in deutschen Krankenhäusern behandeln.
"Wir wollen ein humanitäres Signal, ein humanitäres Zeichen senden und deshalb gerade auch die Schwächsten erreichen", sagt Belit Onay, Oberbürgermeister von Hannover. "Und Kinder und Jugendliche sind die Leidtragenden in diesem Krieg", und deshalb komme "von uns die Initiative zu sagen, wir wollen da helfen, wo wir helfen können".
Hilfsinitiative mehrerer Städte
Der Grünen-Politiker stellte vergangene Woche seine Hilfsinitiative vor, die sich ausdrücklich auch an Kinder aus Israel und dem Westjordanland richtet. Seitdem haben sich mehrere Städte angeschlossen, darunter Bonn und Leipzig.
Für die CDU-Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Serap Güler, ist der Vorstoß allerdings vor allem eines: Parteipolitik. Sie nennt die Idee "nett für den Wahlkampf", den Menschen selbst helfe er aber nicht.
"Kein Wahlkampf in vielen Teilen des Landes"
Über den Wahlkampfvorwurf ärgert sich Onay besonders: "Ich glaube, da ist der Vorwurf, dass das Wahlkampf sei, doch sehr zynisch gerade bei diesem Thema." Güler scheine vor allem als CDU-Vorsitzende in Köln zu sprechen, so Onay. In Nordrhein-Westfalen ist aktuell Kommunalwahlkampf.
"Hier haben wir keinen Wahlkampf in Niedersachsen und in vielen anderen Teilen des Landes auch nicht", sagt Onay. "Für uns geht es darum, ein humanitäres Signal zu senden, die Hilfe dort ankommen zu lassen, wo sie notwendig ist. Und das sind insbesondere eben die Kinder und Jugendlichen."
Innenministerium zweifelt an Umsetzbarkeit
Was ist aber mit dem anderen Vorwurf Gülers: Dass die Aktion den Menschen nicht helfe? Das Auswärtige Amt und das Innenministerium prüfen noch, welche Hilfe möglich wäre.
Das Innenministerium, das am Ende für eine Koordination der Hilfe in Deutschland zuständig wäre, argumentiert: "Die Umsetzbarkeit von solchen Initiativen, also verletzte Kinder aus Gaza nach Deutschland zu bringen, hängt entscheidend von der Sicherheitslage, von der Möglichkeit der Ausreise und von weiteren Faktoren ab. Konkrete Vorhaben werden zurzeit mit den verantwortlichen Partnern geprüft. Dabei steht für uns die Ausweitung der medizinischen Hilfe vor Ort und in regionaler Nähe im Hauptfokus."
Vor Ort ist allerdings fast keine medizinische Hilfe mehr möglich. Krankenhäuser sind zerstört, Hilfslieferungen kommen kaum noch in den Gazastreifen, Ärztinnen und Ärzte selbst sind unter den Opfern des Krieges. Deshalb hat zum Beispiel Großbritannien angekündigt, Kinder aus Gaza in britischen Krankenhäusern zu behandeln.
Auch ukrainischen Kindern wurde geholfen
Dass so etwas durchaus machbar ist, sagt auch die Linken-Chefin Ines Schwerdtner. Sie erinnert an eine Hilfsaktion, bei der Schwerverletzte aus dem Ukraine-Krieg nach Deutschland ausgeflogen und behandelt wurden.
"Wir sind da schon geübt. Wir haben ukrainischen Kindern geholfen, sie aus den Kriegsgebieten geholt, in die Städte geholt, die Kinder aufnehmen können", sagt Schwerdtner. "Es haben sich bereits Städte bereit erklärt, Kinder aus Gaza aufzunehmen, aber die Bundesregierung blockiert das."
Dass in Berlin immer noch debattiert wird, während die Kinder in Gaza weiter leiden, empört auch Michael Fürst. Der Präsident des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen ist Mitinitiator der Initiative aus Hannover.
Für Fürst ist klar: Mit Parteipolitik hat das Hilfsangebot nichts zu tun. "Für uns sind Kinder enorm wichtig, für die Juden genauso wie für die Muslime. Für die Christen natürlich genauso. Und deswegen ist es wichtig, dass wir den Kindern helfen. Ungeachtet einer politischen oder kulturellen Problematik, ungeachtet des Glaubens."
Trotzdem bleibt die Hilfe für Kinder in Gaza erstmal weiterhin: ein Politikum.
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