Seit der Entscheidung des Kanzlers, die Waffenlieferungen an Israel einzuschränken, rumort es in der Union. Nun versuchen einige CDU-Politiker, den Schaden zu begrenzen und das interne Störfeuer auszutreten.

Normalerweise ist es in der Politik so: Von der Opposition gibt es Ärger und Widerspruch, von der eigenen Partei oder Fraktion kommt Applaus. Bei der Kanzlerentscheidung zu Israel ist es andersrum. Merz hat den meisten Ärger aus der eigenen Fraktion von CDU und CSU bekommen.

Und selbst von denen, die finden, es war eine sachlich richtige Entscheidung, keine deutschen Waffen mehr an Israel zu liefern, die im Krieg in Gaza eingesetzt werden können, hagelt es Kritik. Die Solo-Entscheidung nennen einige ein kommunikatives Desaster.

Doch nach dem Wochenende gilt ein neuer Spirit, zumindest in der Führung der Unionsfraktion. Jetzt heißt die neue Losung: Verbindendes mit dem Kanzler betonen und alles andere kleinreden. Die Union, der ehemalige "Kanzlerwahlverein", versucht, die Reihen wieder zu schließen.

Das funktioniert aber nur teilweise. Insbesondere aus Kreisen der CSU hört man öffentlich, dass man eine Revision der Kanzlerentscheidung erwartet.

CSU bewertet die Entscheidung als nicht vernünftig

Konkret sagt der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer: "Man muss eine derart weitreichende Entscheidung, auch wenn sie nur temporären Charakter hat, im Konsens treffen. Und ich bin guter Hoffnung, dass es in den nächsten Tagen und Wochen gelingen wird, hier auch zu einer vernünftigen Entscheidung zu kommen."

Das heißt aber eben auch, dass die jetzige Entscheidung des Kanzlers in der CSU als nicht vernünftig bewertet wird.

In der Sache verweist man darauf, dass Deutschland durch die Entscheidung, nicht mehr alle Waffensysteme und Munition an Israel zu liefern, den Kontakt zur israelischen Regierung verlieren wird, dass der bisher immer noch bestehende Zugang zu Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nun weg sei.

Spahn stellt sich nüchtern hinter Merz

Dem widerspricht einer der außenpolitischen Experten und CDU-Fraktionsvize, Norbert Röttgen. Er stellt sich hinter die Entscheidung von Merz: "In der Sache ging es bei der Entscheidung darum, der eigenen Bevölkerung, Israel, aber auch unseren Partnern gegenüber klarzustellen, dass Deutschland sich an der für grundlegend falsch gehaltenen Ausdehnung des Krieges in Gaza nicht durch Waffenlieferungen beteiligt."

Und nach mehreren Tagen hat sich nun gestern auch Fraktionschef Jens Spahn grundsätzlich hinter den Kanzler gestellt. Allerdings nannte er die Entscheidung von Friedrich Merz "vertretbar", was eine eher nüchterne Zustimmung bedeutet.

Söders Schweigen ist dröhnend laut

Tatsächlich hört man nach der ersten Empörung am Wochenende kaum noch harte Kritik an Merz aus den eigenen Reihen, zumindest nicht öffentlich. Das Schweigen aus München von Markus Söder ist allerdings dröhnend laut. Auch er wurde erst im Nachhinein vom Kanzler informiert und man ahnt, was das für Söder bedeutet.

Wenn keine Kamera läuft, dann nennen Unionsvertreter das Vorgehen des Kanzlers allerdings immer noch "enttäuschend" oder "taktisch unklug". Irritiert sind die außenpolitischen Fachpolitiker auch davon, dass der eigene Kanzler exakt zu der Zeit, als man sich zu einer internen Schalte zusammengefunden hatte, um über die Kommunikationsprobleme zu reden, den tagesthemen ein Interview gegeben und sich dort erklärt hat, nicht aber in der intern zuständigen Runde. Darüber waren einige "überrascht".

Bundeskanzler Friedrich Merz zum Teilstopp von Rüstungsgütern nach Israel und zum geplanten Trump-Putin-Gipfel

tagesthemen, 10.08.2025 23:15 Uhr

Merz hat ein Kommunikationsproblem

Und obwohl in diesen Gesprächen auch immer darauf hingewiesen wird, dass das Sommerloch der Berliner Politik das Problem für die Union noch größer macht, sich also die Öffentlichkeit auf ein Problem stürzt, das eigentlich gar nicht so groß ist, ist auch klar: Friedrich Merz hat ein Kommunikationsproblem.

Er galt schon immer als impulsiv und entscheidungsstark, gerade das haben viele an ihm in der Rolle des Oppositionschefs geschätzt. Doch nun ist Merz Kanzler und muss vor seinen Entscheidungen einige Leute in der Regierung, aber auch in der eigenen Fraktion, mit einbinden. Basta-Politik wird nicht reichen in einer Unionsfraktion, die schon lange kein "Kanzlerwahlverein" mehr ist, der alles, was der Kanzler will und entscheidet, brav und unisono mitträgt.

Anfällig für innerparteiliche Revolten

Das gilt insbesondere in der Israel-Politik, die für viele in CDU und CSU so etwas wie die parteieigene DNA darstellt. Jahrelang war die Pro-Israel-Linie unverrückbar. Merkel hat die Sicherheit Israels zur Staatsräson erklärt. Wenn man jetzt davon abweicht, gibt es großen Erklärungsbedarf. Damit ist eine politische Stresssituation entstanden, die der Kanzler offenbar nicht gesehen hat.

Das Sachliche an der Kanzlerentscheidung zu den Waffenlieferungen nach Israel wird Friedrich Merz argumentieren und klären können. Ihm hilft, dass eine Mehrheit der Deutschen hinter seiner Entscheidung steht.

Doch Merz scheitert gerade an seinem Timing, der Tonalität und mangelnder interner Orchestrierung. Die Union steht deshalb kurz vor dem 100-Tage-Jubiläum dieser Regierung unter Druck wegen der Art, wie der Kanzler sie verkündet: zu solistisch, zu symbolisch, zu spät konkretisiert - und damit anfällig für innerparteiliche Revolten.

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