Die Ukraine-Beratungen vor dem Trump-Putin-Treffen gelten als diplomatischer Coup von Kanzler Merz. Er will in Europa eine Führungsrolle einnehmen. Aber wie viel Gewicht hat Merz wirklich?
Europa zu neuer Stärke führen - das ist von Beginn an eines der erklärten Ziele von Kanzler Friedrich Merz (CDU). "Ich möchte gern meinen persönlichen Beitrag dazu leisten, dass Europa erfolgreich in die nächsten Jahre geht."
Gleich in seiner ersten Amtswoche sucht er demonstrativ den Schulterschuss: mit Frankreich, Polen und Großbritannien. Gemeinsam reisen Macron, Tusk, Starmer und Merz in einem Sonderzug nach Kiew. Symbolträchtige Bilder, starke Töne. Für den Kanzler ist klar: "Nur wenn wir mit einer Stimme sprechen, werden wir uns in einem rauen geopolitischen Umfeld behaupten können."
Merz und Trump: "Auf der persönlichen Ebene gut"
Ein Umfeld, das geprägt ist von Russlands Krieg gegen die Ukraine, von großen Fliehkräften innerhalb der Europäischen Union, Eskalationen im Nahen Osten und einem unberechenbaren US-Präsidenten, den es als Verbündeten und Wirtschaftspartner bei der Stange zu halten gilt.
Merz kann bei Donald Trump punkten: weil er sich für das Fünf-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben ausspricht, weil er mit markigen Ankündigungen Führung signalisiert und Verständnis zeigt für die Forderungen Trumps: "Wir werden in den nächsten Jahren alles daransetzen, die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee in der europäischen Union zu machen. Wie es einem Land unserer Größe und Wirtschaftskraft angemessen ist und wie es unsere Alliierten zu Recht von uns erwarten."
Ein Treffen im Weißen Haus dauert länger als geplant: Merz trifft den richtigen Ton, lässt Trump viel Raum. Er lobt viel, dosiert Kritik, verpackt sie gut. Der Lohn für die Zurückhaltung: "Wir verstehen uns auf der persönlichen Ebene gut. Da gibt es eine Gesprächsebene, die ist offen, die ist sehr kollegial und wir werden darauf aufbauend auch sicherlich in weiterer Zukunft sehr gute Gespräche haben und auch eine sehr kurze Verbindung miteinander."
Ein diplomatischer Coup
Der kurze Draht, das direkte Gespräch: Es dürfte den Weg frei gemacht haben für den virtuellen Ukraine-Gipfel am Mittwoch. Dass es Merz gelungen ist, wichtige europäische Staats- und Regierungschefs zusammenzuschalten, mit dem US-Präsidenten im Beisein des ukrainischen Präsidenten gilt als diplomatischer Coup.
Dabei zahlt sich auch aus, dass Merz darauf achtet, möglichst viele europäische Staats- und Regierungschefs einzubinden.
Es ist das, gibt der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen offen zu, was Europa gerade tun kann: "Und jetzt hängt es ganz entscheidend vom amerikanischen Präsidenten ab. Das ist die Realität, mit der wir umgehen müssen."
Einfluss Europas hängt an Erfolgen
Der Kanzler hat es geschafft, sich als Vermittler europäischer Interessen in Szene zu setzen. Inwieweit es ihm gelingen wird, Europa wirklich zu neuer Stärke zu führen, steht auf einem anderen Blatt. Denn wie er selbst sagt: "Die Welt da draußen wartet nicht auf uns."
Ob Europa an Einfluss zurückgewinnt, wird davon abhängen, ob den vielen Ankündigungen auch Taten folgen werden, ob Europa schneller wird - und nicht immer erst handelt, wenn es fast zu spät ist.
Wie gut die Europäer dieses Mal aufgestellt sind, wird sich am Samstag zeigen. Wenn es gilt auf das Gipfeltreffen von Trump und Putin zu reagieren - im besten Fall mit einer Stimme.
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