Drei Tage lang hat Entwicklungsministerin Alabali Radovan den Nahen Osten besucht. Noch nie waren die Beziehungen zu Israel so schwierig - und der Gaza-Konflikt so angespannt. Eine Bilanz der Reise.

Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan läuft über die uralten, abgewetzten Steine von Ost-Jerusalems Altstadt. Der deutsche hier ansässige Benediktiner-Abt Nikodemus mit langer schwarzer Kutte begleitet sie. Er berichtet von Anfeindungen, die ihm täglich begegnen. Sogar angespuckt werde er.

Wie er trotzdem durchhalte, will die Ministerin wissen, und was ihn motiviere weiterzumachen. "Es ist einfach ein heiliger Ort für uns Christen", erwidert Nikodemus. Er spricht mit der Ministerin über die religiöse Vielfalt, zeigt ihr Tempelberg und Grabeskirche.

Die 35-jährige Alabali Radovan sieht all das zum ersten Mal in ihrem Leben und sagt dem Abt zum Abschied, dass sie in Deutschland zeigen will, wie viel komplexer die Realität an diesem Ort sei: "Israel und die palästinensischen Gebiete sind viel mehr als das, was einige vermuten."

Gewaltsame Vertreibung

Wenig später läuft sie wieder über Steine, dieses Mal über die Trümmer eines Hauses im Westjordanland. Alabali Radovan spricht mit der palästinensischen Familie, der es gehörte: Vater, Mutter, Tochter. Die Frau schluchzt, als sie von der gewaltsamen Vertreibung durch israelische Behörden erzählt. Erst drei Wochen sind seitdem vergangen. Sie hätten nicht einmal Zeit gehabt, all ihre Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen.

Alabali Radovan zeigt sich bewegt von den Schilderungen der Familie: "Mich schockiert diese Zerstörung. Ich möchte betonen, dass die Bundesregierung diese Art von Vorgehen auf das Schärfste verurteilt."

Im Gespräch mit einem UN-Vertreter: Alabali Radovan besichtigt im Westjordanland ein zerstörtes Familienhaus.

Gespräche über Wiederaufbau und Anerkennung

Die Siedlungspolitik im Westjordanland ist nur eines von vielen schwierigen Themen für die SPD-Ministerin. In der palästinensischen Autonomiebehörde spricht sie mit Premier Mohammad Mustafa auch über die Zukunft Gazas - es geht um Wiederaufbau und um die Anerkennung Palästinas.

Die stehe für die Bundesregierung am Ende eines Prozesses, sagt Alabali Radovan. "Es ist klar, es gibt hier noch Reformbedarf bei der palästinensischen Autonomiebehörde. Es gibt Punkte, die aktuell gegen eine Anerkennung sprechen. Dennoch finde ich, wir müssen so schnell wie möglich jetzt ins Gespräch darüber kommen, wie dieser Prozess aussieht und wie wir den als deutsche Bundesregierung begleiten können."  

Und während sich der Konflikt um Gaza-Stadt weiter verschärft, kündigt die Ministerin Hilfe für den weitgehend zerstörten Gazastreifen an: Übergangsunterkünfte für besonders betroffene Familien, die zur Verfügung gestellt werden sollen, sobald es die Lage zulasse.

Hochrangige israelische Regierungsvertreter fehlen

In Tel Aviv begegnet Alabali Radovan Angehörigen verschleppter Geiseln und besucht den "Platz der Geiseln" im Zentrum der Stadt. Sie geht dort durch einen beklemmend engen Tunnel - eine Kunstinstallation, die den Horror der Geiseln nachempfinden lässt, die von der Hamas verschleppt wurden.

Hochrangige israelische Regierungsvertreter empfangen die deutsche Ministerin nicht, nur der Generalmajor einer Behörde, die unter anderem für humanitäre Hilfslieferungen nach Gaza und die Abstimmung deutscher Entwicklungsprojekte im Westjordanland zuständig ist.

Es könne sein, dass es einfach nicht gepasst hat, vermutet der mitreisende außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Adis Ahmetovic. "Es ist trotzdem nicht gut, wenn wir nicht miteinander sprechen." Der Krieg in Gaza, der Wiederaufbau Gazas, die Entwicklung dieser Region und möglicherweise eine Zwei-Staaten-Lösung - das "kriegen wir nur hin, wenn wir zusammen sprechen", sagt Ahmetovic.

Die Ministerin besucht in Tel Aviv eine Kunstinstallation, die an das Schicksal der Geiseln erinnern soll.

Gazas Zukunft ist auf allen Stationen präsent

Eine Zwei-Staaten-Lösung und der Wiederaufbau Gazas - kurz: die Zukunft der Palästinenserinnen und Palästinenser - war Thema auf allen Stationen Reem Alabali Radovans. Von Bundeskanzler Friedrich Merz ist sie beauftragt, eine Wiederaufbaukonferenz für Gaza zu begleiten. Mit ihm stand sie während ihrer Reise in Kontakt.

Alabali Radovan lotete aus, wer in der Region welche Lasten trägt, auch finanzielle. Darum ging es in Jordanien und dann am Ende ihrer Reise in Saudi Arabien. In dem Golfstaat machte sie als erste deutsche Entwicklungsministerin Halt.

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