Die parlamentarische Sommerpause ist zu Ende, der Bundestag tagt ab Mittwoch wieder. Die schwarz-rote Koalition hat besonders in Finanzfragen noch viele Baustellen. Was genau steht jetzt an? Ein Überblick.
Trotz deutlicher Meinungsunterschiede haben Union und SPD in der vergangenen Woche vor ihrem angestrebten "Herbst der Reformen" Geschlossenheit demonstriert. Bundeskanzler Friedrich Merz räumte am Freitag Kommunikationsdefizite in den ersten Monaten der schwarz-roten Regierung ein und versprach Besserung.
"An der Kommunikation müssen wir noch ein bisschen arbeiten", sagte der CDU-Vorsitzende in einem Interview des Parteikanals CDU.TV. "Die Sachentscheidungen sind richtig, aber unsere Außendarstellung ist noch verbesserungsbedürftig."
Nach dem schwarz-roten Koalitionsausschuss am Mittwoch sah SPD-Fraktionschef Matthias Miersch das Regierungsbündnis "auf einem guten Weg". Trotz unterschiedlicher Meinungen in einzelnen Fragen sei er sich nach dem jüngsten Treffen sicher, "dass wir das gemeinsam schaffen", sagte Miersch im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "In einer Koalition gibt es unterschiedliche Vorstellungen, und die Kunst in der Politik ist dann, auch Kompromisse zu schließen."
Diese Baustellen muss die Koalition im Einzelnen bewältigen:
Finanzierungslücke
Die Bundeshaushalte für 2025 und 2026 hat Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) einigermaßen geräuschlos auf die Beine gestellt. Doch in der Etatplanung für 2027 klafft ein 30 Milliarden Euro großes Loch. Keine Bundesregierung hat eine solche Finanzierungslücke jemals erfolgreich gestopft.
Auch Schwarz-Rot wird das durch Kürzungen und das erhoffte Wirtschaftswachstum allein kaum gelingen. Nötig sind nun teils wohl auch schmerzhafte Entscheidungen zum Beispiel zu Subventionen, zu Förderprogrammen und im Sozial- und Steuersystem. Aktuell drohen Maßnahmen wie eine höhere Pendlerpauschale und Förderung für Agrardiesel zusätzliche Löcher in den Etat zu reißen, die man sich eigentlich nicht leisten kann.
Hinter den Kulissen wird laut kritisiert, dass nicht alle in der Koalition gleichermaßen bereit seien, einen Beitrag zum Sparen und Reformieren zu leisten.
Der Haushalt für das laufende Jahr hingegen steht seit dem späten Donnerstagabend und kann endgültig im Bundestag beschlossen werden. Der Haushaltsausschuss des Parlaments hatte in einer Bereinigungssitzung noch letzte Änderungen vorgenommen.
Dies sind die Eckdaten:
- Geplant sind nun Ausgaben von rund 502,5 Milliarden Euro - das sind 460 Millionen weniger als die Bundesregierung vorgesehen hatte.
- Bei der Neuverschuldung gab es keine Änderungen mehr: Im Kernhaushalt stehen neue Kredite von fast 82 Milliarden Euro.
- Hinzu kommen allerdings noch Milliardenkredite aus Sondertöpfen für die Bundeswehr und die Infrastruktur, sodass am Ende Schulden von mehr als 140 Milliarden zu Buche stehen dürften.
Sozialreformen
Das Sozialsystem mit Rente, Kranken- und Pflegeversicherung, Bürgergeld und anderen Leistungen droht wegen der Konjunkturschwäche und der demografischen Entwicklung für die Beitragszahler immer teurer zu werden. Zwischen Union und SPD kochte zuletzt eine Grundsatzdebatte über die Kosten für den Sozialstaat hoch. Besonders das Bürgergeld steht im Fokus.
Kanzler Merz setzte Arbeitsministerin Bärbel Bas unter Druck: Fünf Milliarden Euro müssten sich hier einsparen lassen, rechnete er der SPD-Chefin vor. "Wenn wir uns nicht mehr trauen, in einem Transfersystem, das in die falsche Richtung läuft, zehn Prozent einzusparen, dann versagen wir vor dieser Aufgabe", sagte der CDU-Chef in einem Interview mit Sat.1.
Kanzleramtsminister Thorsten Frei drängt bei der Reform des Bürgergelds zu einem schnellen Vorgehen. "Die Bundesarbeitsministerin wird in den nächsten Tagen einen Vorschlag unterbreiten. Mit dem werden wir dann arbeiten", sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post am Freitag. Es gebe dazu eine klare Vereinbarung im Koalitionsvertrag. "Und daran wird sich die Ministerin orientieren", betonte Frei.
Im Arbeitsministerium wird zwar an einem Reformentwurf gearbeitet. Im Fokus - das geht aus früheren Äußerungen von Bas hervor - dürften etwa nachgeschärfte Mitwirkungspflichten stehen. Nicht ganz, was die Union sich erhofft. Konkrete Beschlüsse sind zu diesem Thema beim Koalitionsausschuss heute nicht zu erwarten: Für längerfristige Reformen soll eine Kommission Vorschläge machen.
Immer stärker steigende Ausgaben setzen die Politik auch bei den Krankenkassen-Finanzen weiter unter Druck. So stiegen die Leistungsausgaben der noch rund 90 Krankenkassen im ersten Halbjahr um 7,95 Prozent auf 166,1 Milliarden Euro, wie aus Kennzahlen des GKV-Spitzenverbands hervorgeht.
Die schwarz-rote Koalition hatte zuletzt als Ziel ausgegeben, dass die Beiträge für die Versicherten nach Möglichkeit stabil bleiben sollten. Auffällig ist der im ersten Halbjahr auf 2,8 Milliarden Euro gestiegene Überschuss der Krankenkassen. Nach Rekorddefiziten im Jahr 2024 war bis Ende März bereits ein Überschuss von 1,8 Milliarden Euro entstanden.
"Aber das sollte niemanden beruhigen", sagte der Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Oliver Blatt, der Nachrichtenagentur dpa. "Die Ausgabendynamik ist im ersten Halbjahr ungebrochen." Der Überschuss sei dringend notwendig, um die gesetzliche Mindestreserve der Kassen wieder aufzufüllen. In den vergangenen Jahren hatte es einen Rücklagen-Abbau gegeben. "Gerade mit Blick auf die dynamische Ausgabenentwicklung ist aber noch offen, ob das gelingen kann", sagte Blatt.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat am Freitag rasche Maßnahmen angemahnt. "Der Handlungsbedarf ist klar: Wir brauchen kurzfristige Maßnahmen und langfristig wirkende Strukturreformen", sagte Warken bei einer Pressekonferenz. Sollten diese Reformen nicht umgesetzt werden, drohten abermalige Beitragssteigerungen, warnte die Ministerin. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte Warken.
Warken kündigte an, noch in diesem Monat eine Expertenkommission einzuberufen, die zeitnah Vorschläge für Reformen erarbeiten solle. Dazu laufe derzeit "regierungsintern die finale Abstimmung". Die Reformen sollen dazu führen, dass ab 2027 die Beiträge stabilisiert würden.
Steuererhöhungen
Ebenfalls angestoßen durch die Finanzierungslücken im Haushalt läuft eine Debatte über mögliche Steuererhöhungen, die Geld in die Staatskasse spülen könnten. Und zwar auf Chefebene: Klingbeil hatte höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende nicht ausgeschlossen. Merz erteilte solchen Ideen dagegen eine prinzipielle Absage.
Mit dem Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis Radtke, sprach sich allerdings auch ein Unionspolitiker für bestimmte Erhöhungen aus: Die Erbschaftsteuer könne verschärft werden. Außerdem könne die Reichensteuer, die mit 45 Prozent noch über dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent liegt, etwas angehoben werden.
Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch legte nochmals nach: "Wenn wir die mittleren Einkommen entlasten wollen und vielleicht sogar den Spitzensteuersatz später beginnen lassen wollen, dann muss man sagen, wie man das finanziert. Und dann müssen die, die eben ganz, ganz viel haben, unter Umständen auch mehr zur Kasse gebeten werden", sagte er im Podcast von Politico.
CSU-Chef Markus Söder hatte sich dafür ausgesprochen, den Ländern bei der Festsetzung der Erbschaftsteuersätze freie Hand zu geben. Merz hatte Söders Vorschlag bereits zurückgewiesen.
Investitionen
Noch nie hat eine Bundesregierung so hohe Investitionen geplant - doch wie stellt man sicher, dass das Geld auch wirklich abfließt? Das war in den vergangenen Jahren bereits ein Problem.
Finanzminister Klingbeil sagte, dass man sich im Koalitionsausschuss verabredet hat, bald ein Investitionsbeschleunigungsgesetz ins Kabinett einzubringen. Damit soll sichergestellt werden, dass die 500 Milliarden Euro aus dem sogenannten Sondervermögen Infrastruktur schnell abfließen können.
Das "Zauberwort" heiße dabei, dass man "mehr oder weniger die gesamte Infrastruktur zum überragenden öffentlichen Interesse" erkläre, sagte Kanzler Merz. Damit lassen sich Planungs- und Genehmigungsverfahren verkürzen.
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