Die verurteilte Rechtsextremistin Liebich ist flüchtig. Der Fall hat eine Debatte über das neue Selbstbestimmungsgesetz angefacht. Betroffene sind froh über das Gesetz, die AfD will es abschaffen.

Nelio van Heeswijk hat den 7. Oktober dick markiert im Kalender. Dann nämlich kann er zum Standesamt gehen und neben ein paar anderen Dokumenten die so genannte "Erklärung mit Eigenversicherung" abgeben.

Drei Monate zuvor musste der 29-Jährige anmelden, dass er plant, seinen Vornamen und Geschlechtseintrag von weiblich auf männlich im Geburtenregister zu ändern. Erst nach dieser Frist kann die Erklärung eingereicht werden, die den Schritt offiziell macht. Das Prozedere sei "deutlich angenehmer" gewesen als erwartet.

Das Selbstbestimmungsgesetz löste im November 2024 das sogenannte Transsexuellengesetz ab. Es erleichtert trans und intergeschlechtlichen Menschen, ihren Namen und ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Bis dahin durchliefen Betroffene eine langwierige und kostspielige Prozedur mit Gutachten und Gerichtsbeschluss.

Bis 2011 mussten sich trans Menschen dafür sogar noch sterilisieren lassen. Über die Jahre hatte das Bundesverfassungsgericht in insgesamt sechs Urteilen Regelungen des Transsexuellengesetzes kassiert, weil diese fortlaufend Grundrechte verletzten. Das noch unter der Ampel-Regierung verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz hat also den Prozess deutlich erleichtert.

Debatte über Fall Liebich

Nach Bekanntwerden des Falls der verurteilten Rechtsextremistin Marla-Svenja Liebich machte Innenminister Alexander Dobrindt allerdings Druck. Hier wird natürlich das Selbstbestimmungsgesetz missbraucht, sagte Dobrindt im ZDF. Die Öffentlichkeit, die Politik, die Justiz sollen an der Nase herumgeführt werden und das müsse man ja nicht dauerhaft zulassen, so der CSU-Politiker.

Ohnehin hatte die schwarz-rote Regierung im Koalitionsvertrag vereinbart, die Regelungen bis Ende Juli kommenden Jahres zu überprüfen. Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion heißt es, nach dieser Evaluierung müsse ernsthaft über eine Neuregelung gesprochen werden.

Anders die AfD. Man wollte das Gesetz schon nicht, als es beschlossen wurde, erklärte der AfD-Abgeordnete Martin Reichardt. Nach Willen der Partei soll es abgeschafft werden.

Der Fall Liebich und das Selbstbestimmungsgesetz Liebich ist im Juli 2023 - damals noch als Sven Liebich - vom Amtsgericht Halle wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Anfang dieses Jahres wurde bekannt, dass Liebich seinen Geschlechtseintrag von männlich auf weiblich und den Vornamen in Marla Svenja ändern ließ.

Der Fall fachte die Debatte über das neue Selbstbestimmungsgesetz wieder an. Mit dem im November 2024 in Kraft getretenen Gesetz, das das frühere Transsexuellengesetz ablöste, wurden Änderungen des Geschlechtseintrags und des Vornamens deutlich erleichtert.

Aufgrund früherer abfälliger und beleidigender Äußerungen Liebichs über trans Personen besteht der Verdacht, dass es sich um eine gegen das neue Gesetz gerichtete rechtsextremistische Provokation handeln könnte. Innenminister Alexander Dobrindt warf Liebich einen Missbrauch der Regelungen vor und forderte Änderungen am Gesetz.

SPD: Keine erneute oder verstärkte Diskriminierung

Carmen Wegge ist rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Sie sagt, man werde nichts tun, was zu einer erneuten oder verstärkten Diskriminierung von trans Personen führt. Wenn die Bundesländer nicht genügend Mechanismen gegen einen Missbrauch haben, sollte sich im nächsten Schritt vielleicht eine Bund-Länder-Arbeitsgruppen damit beschäftigen, so Wegge.

Nelio van Heeswijk überrascht es nicht, dass das Gesetz im Fall Liebich ganz offensichtlich missbraucht wurde. Er sagt, man könne und müsse damit leben, dass es solche Fälle geben wird. Letztendlich sei das Gesetz für viele Menschen "eine wahnsinnige Entlastung und eine riesengroße Erleichterung". 

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.