Wirtschaftsministerin Reiche will die Energiewende besser steuern und vor allem Kosten sparen. Dafür schlägt sie zehn "Schlüsselmaßnahmen" vor. Kritiker warnen vor einem Ausbremsen der Energiewende.

Auf kaum ein Gutachten haben die Energiewirtschaft, Industrieverbände und Umweltgruppen so gespannt gewartet wie auf den sogenannten Monitoringbericht zur Energiewende. Als Wirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU am Vormittag in Berlin vor die Presse tritt, betont sie, dass sie die Energiewende an einem Scheidepunkt sieht. "Wir erreichen Klimaneutralität nur, wenn wir Wachstum, Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit gleichermaßen sichern. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit sind ebenso zu betrachten und zu berücksichtigen wie der Klimaschutz."

Kosten sollen gesenkt werden

"Energiewende. Effizient. Machen" ist der Monitoringbericht überschrieben, der vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln und dem Beratungsunternehmen BET erstellt wurde. 259 Seiten mit einer Bestandsaufnahme der Energiewende und Handlungsoptionen, um die Kosten für den Umbau hin zu erneuerbarem Strom zu senken.

Alexander Kox von BET betont, dass es nicht darum gehe, die Energiewende zurückzudrehen. "Wir haben versucht, deutlich zu machen, wir sind 'on track', was die Ausbauziele angeht. Wir haben aber auch versucht, deutlich zu machen, dass wir die Kosten ein bisschen aus dem Auge verloren haben", so der Gutachter. "Und dass eine Neuausrichtung auf Kosteneffizienz notwendig ist, damit wir die Ziele erreichen."

Ausbau Stromnetze größter Kostentreiber

Nach Einschätzung der Gutachter wird der Strombedarf etwas langsamer ansteigen als bislang in verschiedenen Studien angenommen wurde. Das schaffe Spielräume, um den weiteren Ausbau besser zu planen und zu steuern. Aus Sicht der Gutachter ist es insbesondere wichtig, neue Stromleitungen und neue Windkraft- und Solarparks besser aufeinander abzustimmen.

Denn der Ausbau der Stromnetze gilt als einer der größten Kostentreiber der Energiewende. Die Bundesnetzagentur rechnet mit Kosten in Höhe von mehr als 500 Milliarden Euro bis 2045. "Wir können die Kostensteigerungen abdämpfen", zeigt sich Wirtschaftsministerin Reiche überzeugt. "Darum muss es gehen. Stromkosten stabil zu halten und dramatische Kostensteigerungen zu vermindern."

Sparen bei Offshore-Anlagen und Subventionen

Reiche sieht den Monitoringbericht als Grundlage für ihre Vorschläge zur weiteren Energiewende, die sie in zehn "Schlüsselmaßnahmen" zusammenfasst. Ehrliche Bedarfsermittlung, Ausbau von Netzen und Erneuerbaren synchronisieren und Subventionen systematisch senken, nennt sie als Beispiele. Insbesondere bei Offshore-Windanlagen sieht Reiche Einsparpotenziale, außerdem will sie an die Subventionen für den Erneuerbaren-Ausbau ran. Konkret braucht es aus ihrer Sicht keine staatliche Förderung mehr für neue Dachsolaranlagen, die sogenannte Dach-PV.

Das stößt auf Widerspruch beim Koalitionspartner. "Die Dach-PV-Anlagen brauchen wir für das Erreichen der Klimaschutzziele", sagt SPD-Umweltpolitikerin Nina Scheer. "Wir haben uns klar verständigt, dass wir die Klimaschutziele einhalten wollen. Also wir dürfen nichts infrage stellen, was die Dach-PV-Anlagen betrifft."

Verbände der Erneuerbaren-Branche warnen vor Einschnitten bei der Förderung. Andere Wirtschaftsverbände reagieren dagegen positiv auf den Monitoringbericht. Es gehe darum, die Energiewende auf Kurs zu bringen, stärker auf die Kosten zu achten, betont etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie.

Umweltverbände fürchten Rückschritte

Umweltverbände wie Greenpeace oder die Deutsche Umwelthilfe befürchten Rückschritte beim Klimaschutz. Ebenso Michael Kellner von den Grünen: "Ich befürchte, dass Katherina Reiche Verunsicherung schaffen wird und Sand ins Getriebe streuen wird", so der frühere Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Er habe Sorge, dass Reiche die Energiewende ausbremsen wird.

Politik, Wirtschaft und Umweltverbände dürften den Monitoringbericht in den kommenden Tagen intensiv analysieren - und die Frage stellen, ob Reiche mit ihren Forderungen die richtigen Schlüsse aus dem Bericht zieht. Und ob die Klimaziele mit Abstrichen bei der Förderung tatsächlich zu erreichen sind. Dass sie an der deutschen Treibhausgasneutralität 2045 festhalten will, hat die CDU-Wirtschaftsministerin heute mehrfach betont. Der weitere Weg dahin, dürfte auch innerhalb der schwarz-roten Koalition noch für einige Debatten sorgen.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.