Der Messerangriff 2024 auf dem Mannheimer Marktplatz hat Deutschland schockiert. Welche Lehren lassen sich aus dem Prozess ziehen und wie groß ist die Gefahr weiterer Taten?
Bekannt wurde die Tat durch die brutale Ermordung des Polizeibeamten Rouven Laur. Knapp oberhalb seiner Schutzweste stach der Angreifer Laur in den Hals. Doch das Ziel seines Attentats sei Michael Stürzenberger gewesen, erklärte der Angeklagte vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.
Der relativ bekannte Islamkritiker und Rechtspopulist war am 31. Mai 2024 als Hauptredner der "Bürgerbewegung Pax Europa" (BPE) vorgesehen und zog zahlreiche Menschen auf den Mannheimer Marktplatz. Solche, die Stürzenberger für seine scharfen Worte bewundern. Und eben Sulaiman A., der sich mit dem Zug aus seinem südhessischen Wohnort Heppenheim auf den Weg in die nordbadische Metropole machte. Aber tat er das aus freien Stücken?
Umfeld nahm zunehmende Radikalisierung wahr
Fest steht, dass A. wie viele andere islamistische Attentäter der vergangenen Jahre vor seiner Tat radikale und Gewalt predigende Inhalte im Internet gelesen hatte. Sein Umfeld berichtete von einer zunehmenden Radikalisierung und Abschottung des jungen Familienvaters, der es auf den ersten Blick geschafft zu haben schien: Als unbegleiteter Jugendlicher war er aus Afghanistan nach Deutschland gekommen, durchlief mehrere Jugendhilfeeinrichtungen, hatte sportliche Erfolge.
Mit einer türkischstämmigen Mitschülerin gründete er - gegen Widerstände von Schule und der Schwiegerfamilie - eine eigene Familie in einer vom Schwiegervater gekauften Eigentumswohnung in einem Heppenheimer Wohnblock und hatte Ideen für eine Selbständigkeit im Dienstleistungsbereich. Eine klassische islamistische Terrorkarriere sieht eigentlich anders aus.
Radikalisierung im Wohnzimmer
Doch verborgen vom Umfeld und offenbar auch der Ehefrau konsumierte A. in immer größerem Umfang Internetangebote von radikalen islamistischen Predigern, vor allem aus Afghanistan. Diese Botschaften scheinen ihn weg von seiner Familie hin in eine Gedankenwelt gezogen zu haben, in der er sich berufen fühlte, als Muslim "Rache" für Verbrechen zu nehmen, die seinen "Brüdern und Schwestern" angetan wurde. Und ganz besonders soll dabei die Situation im Gazastreifen eine Rolle gespielt haben.
Eine solche Radikalisierung Einzelner und Anschläge als "Rache" für die Menschen in Gaza hatten Experten der deutschen Polizei und des Verfassungsschutzes schon seit Beginn der militärischen Operationen Israels befürchtet. Mit der Tat von A. in Mannheim dürften sie erstmals tödliche Realität geworden sein.
Doch im Gegensatz zum tödlichen Anschlag auf das Stadtfest in Solingen im August 2024, bei dem drei Menschen ermordet wurden, konnten die Ermittler im Mannheimer Fall nicht nachweisen, dass der "Islamische Staat" (IS) oder eine andere Terrororganisation vorab von der Tat wusste oder deren Mitglieder konkrete Handlungsanweisungen gegeben hatten.
Parallele zum Anschlag in München
Ähnlich dem Attentat eines anderen Afghanen auf eine ver.di-Demonstration im Februar 2025, bei dem eine Mutter und ihr Kind ermordet und mehr als 40 Menschen durch die Todesfahrt des Angreifers verletzt wurden, scheint der Entschluss zur Tat beim Täter allein und ohne weitere Rückkoppelung gelegen zu haben. Auch der mutmaßliche Täter von München, dessen Verfahren noch läuft, galt nach außen als erfolgreich und gut integriert.
Im Fall des Anschlags von Solingen konnte der IS sich offensichtlich schon deshalb kurz nach der Tat zu "unserem Soldaten" bekennen, weil seine Vorbereitung begleitet worden war.
Solche Kontakte zwischen "Operatoren" und Attentätern, in denen Tipps vermittelt und Überzeugungen gestärkt werden sollen, geben Polizei und Nachrichtendiensten immerhin die theoretische Chance, Nachrichten und Chatverläufe zu entdecken und rechtzeitig tätig zu werden. Häufig gelingt das allerdings ausländischen Diensten, die dann bislang die deutschen Behörden gewarnt haben.
Prediger sind weiter aktiv
Im Fall Sulaiman A. hatte vorher niemand einen Anhaltspunkt erkannt, und die Internetprofile des von ihm konsumierten Predigers werden weltweit tausendfach gelesen. Was dort steht, ist extrem radikal und bleibt doch abstrakt. Die konkrete Tat soll sich in den Köpfen der Täter bilden. Nicht nur in Mannheim hat das zu tragischen Ergebnissen geführt. Und die Prediger posten weiter.
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