Noch in diesem Monat werden deutsche Beamte nach Afghanistan reisen, um in Kabul mit Vertretern der Taliban zu sprechen. Künftig sollen afghanische Straftäter wieder direkt von Deutschland aus abgeschoben werden können.

Für Bundesinnenminister Alexander Dobrindt ist klar: Afghanische Straftäter sollen nach Afghanistan abgeschoben werden. "Ich will, dass das regelmäßig möglich ist", sagte der CSU-Politiker vergangene Woche im Bundestag.

Er kündigte an, dass er dafür Gespräche in Kabul vorbereitet. "Ich bereite diese Gespräche deswegen vor, weil ich regelmäßig Straftäter nach Afghanistan abschieben will. Nicht nur mit Charterflügen, sondern auch mit Linienflügen."

Am Wochenende wird sein Ministerium dann noch deutlicher. Ein Sprecher teilt mit: "Im Oktober werden Top-Beamte des Bundesinnenministeriums nach Kabul reisen, um mit Verantwortlichen in Afghanistan über Abschiebungen zu verhandeln."

Die Verantwortlichen in Afghanistan sind die Taliban. Seit vier Jahren sind sie wieder an der Macht. Deutschland erkennt ihre Regierung, wie auch fast alle anderen Staaten auf der Welt, nicht an.

Kritik von den Grünen

Die Taliban unterdrücken Frauen und Mädchen brutal. Viele der Taliban-Führer stehen auf Sanktionslisten der Europäischen Union. Der Taliban-Innenminister Sirajuddin Haqqani ist ein international gesuchter Terrorist. Die EU wirft ihm unter anderem vor, an einem Anschlag beteiligt gewesen zu sein, bei dem 35 afghanische Polizisten getötet wurden.

"Dass die Taliban eine islamistische Terrororganisation ist, das darf man nicht vergessen", sagt der innenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Marcel Emmerich, dem ARD-Hauptstadtstudio. Er erinnert daran, dass die Bundeswehr rund 20 Jahre in Afghanistan im Einsatz war: "Und der Feind war die Taliban."

Dass deutsche Beamte direkt in Kabul mit Vertretern der Taliban sprechen sollen, bezeichnet Emmerich als "ein starkes Stück, was Dobrindt da an der Stelle macht". Er glaube "nicht daran, dass es da keine Gegenleistung gibt, sondern es wird auf einen Deal hinauslaufen".

Dobrindt weist auf frühere Gespräche hin

Wer konkret in Kabul mit wem spricht und was mögliche Gegenleistungen seien könnten: Das Bundesinnenministerium beantwortet Fragen dazu auch auf mehrfache Nachfrage nicht. Eine Sprecherin teilt lediglich mit, es handle sich um eine "Erkundungsreise". Zur operativen Vorbereitung von Rückführungen nach Afghanistan sei "eine Vor-Ort-Besichtigung der örtlichen Gegebenheiten erforderlich".

Auf die Kritik der Grünen hat Innenminister Dobrindt zuletzt mehrfach scharf reagiert. "Wie heuchlerisch ist das denn, was sie hier aufführen?", rief der CSU-Politiker den Grünen beispielsweise kürzlich im Bundestag zu.

Ein Grund für seinen Ärger: Auch die Vorgängerregierung hat vor einem Jahr einen Abschiebeflug nach Afghanistan organisiert - mit grüner Beteiligung. Wie auch beim zweiten Flug in diesem Sommer hat dabei das Emirat Katar geholfen.

Doch es gab auch damals schon direkte Gespräche, erklärte im Februar Olaf Scholz, damals noch Bundeskanzler: "Wir haben ja einen Abschiebeflug nach Afghanistan organisiert und glauben sie mal, da hatten wir auch Kontakte mit der afghanischen Regierung."

Der Austausch wird enger

Setzt die neue Bundesregierung also nur fort, was die Ampelkoalition ohnehin begonnen hat? Zumindest mit Blick auf die Zahl der Abschiebeflüge, kann man sagen: Einer fand noch unter Kanzler Scholz statt, einer nun unter Kanzler Friedrich Merz.

Allerdings soll sich das ändern. Dafür dienen auch die Gespräche in Kabul. Zumal CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag angekündigt haben, dass sie nach Afghanistan abschieben werden und zwar, wie es heißt, "beginnend" mit Straftätern und Gefährdern. Mittelfristig sollen es also deutlich mehr werden.

Und auch wenn die Bundesregierung weiter betont, dass die Taliban-Regierung nicht anerkannt wird, so hat sie dennoch zuletzt erstmals zwei Taliban-Konsular-Mitarbeiter nach Deutschland einreisen lassen. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dazu, dies seien "die einzigen beiden Mitarbeiter, die Deutschland seit der Machtübernahme der De-facto-Regierung akkreditiert hat".

Der Austausch wird also offenbar enger. Die bisherigen Mitarbeiter im Konsulat in Bonn haben unter Protest Anfang der Woche ihr Gebäude geräumt. Sie waren noch von der vorherigen afghanischen Regierung eingesetzt worden.

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