Wie sollen die Personalprobleme der Bundeswehr gelöst werden: mit einem freiwilligen oder einem verpflichtenden Dienst? Darüber sollte der Bundestag in einer ersten Lesung beraten. Doch die hat die Union nun verschoben.

Bereits Ende August war das Gesetz zur Modernisierung des Wehrdienstes im Bundeskabinett. Im Anschluss haben es Bundeskanzler Friedrich Merz und Verteidigungsminister Boris Pistorius gemeinsam auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Für den SPD-Verteidigungsminister war es ein "Riesenschritt nach vorne" und der CDU-Kanzler zeigte sich optimistisch, dass die angestrebten jährlichen Rekrutierungszahlen mit Freiwilligen erreicht werden. Denn schließlich gebe es im Gesetz einen Mechanismus zur Nachsteuerung.

Knapp sechs Wochen später sagt Merz grundsätzlich seine Unterstützung für das Wehrdienst-Modell von Pistorius weiter zu. Gleichzeitig zweifelt der Kanzler aber am Erfolg. "Ich vermute, es wird bei Freiwilligkeit allein nicht bleiben", sagte er zuletzt in der ARD-Sendung Caren Miosga.

CSU wirft Pistorius vor, eine "Wischiwaschi-Wehrpflicht" zu schaffen

Aktuell gibt es bei der Bundeswehr in diesem Jahr bereits 12.400 freiwillig Wehrdienstleistende. Doch das reicht nicht. Das Ziel im kommenden Jahr sind nach Ministeriumsangaben 20.000 neue Rekruten.

Deren Unterbringung, Ausrüstung und Ausbildung wären mit den derzeit vorhandenen Kapazitäten gerade so möglich. Gleichzeitig sollen nur für den geplanten freiwilligen Wehrdienst in den kommenden Jahren 40.000 neue Wohnplätze für Rekruten in den deutschen Kasernen in Modulbauweise erst noch aufgebaut werden. Ein Milliardenprogramm, das jetzt startet. Die Bundeswehr bereitet sich also auf den freiwilligen Wehrdienst vor.

Während der SPD-Verteidigungsminister guter Hoffnung ist, dass sich genug Freiwillige für die Bundeswehr finden, gibt es bei der Union weiter Zweifel. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wünscht sich "mehr Verbindlichkeit". CSU-Chef Markus Söder nennt den Gesetzentwurf von Pistorius "Wischiwaschi-Wehrpflicht".

Verpflichtendes Dienstjahr auch für Frauen?

Wenn die Verteidigungsfähigkeit des Landes gefährdet ist, dann soll die Wehrpflicht wieder eingesetzt werden. So sieht es der Gesetzentwurf vor, doch das ist CDU und CSU zu schwammig. Die Schwesterparteien wollen konkrete Zahlen im Gesetz, damit sich überprüfen lässt, ob der freiwillige Wehrdienst erfolgreich ist.

Würde die Wehrpflicht wieder eingesetzt, dann käme sie in ihrer ursprünglichen Form zurück und es müssten sich aus einem Jahrgang etwa 350.000 junge Männer entscheiden, ob sie zur Bundeswehr gehen oder Zivildienst machen. Wie dafür die deutlich umfangreichere Infrastruktur kurzfristig geschaffen werden soll, bleibt in der Diskussion aber bislang ungeklärt.

Neben dem freiwilligen Wehrdienst und der alten Wehrpflicht gibt es auch noch die alte CDU-Forderung nach Einführung eines allgemeinen verpflichtenden Dienstjahrs für Männer und Frauen in Deutschland. Auch sie wurde von Bundeskanzler Friedrich Merz unlängst bei Caren Miosga wieder ins Spiel gebracht.

Linkspartei will möglicher Grundgesetzänderung nicht zustimmen

Für das verpflichtende Dienstjahr bräuchte es allerdings eine Grundgesetzänderung, wofür wiederum eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig ist. Die Linkspartei, die der Grundgesetzänderung zustimmen müsste, wenn die Koalition nicht auf die AfD angewiesen sein will, erteilte dem Merz-Vorstoß eine klare Absage. "Auf keinen Fall wird es mit uns einen Pflichtdienst für beide Geschlechter geben", sagte Parteichef Jan van Aken.

Die Grünen wollen aktuell auch nicht über ein Gesellschaftsjahr diskutieren, sondern einen freiwilligen Wehrdienst endlich einführen.

Wenn sich die Koalitionsfraktionen einigen, könnte sich der Bundestag in der kommenden Woche in erster Lesung damit beschäftigen. Die Zeit drängt, wenn das Gesetz zur Modernisierung des Wehrdienstes ab Anfang 2026 umgesetzt werden soll.

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