Für viele Studierende beginnt das Wintersemester mit WG-Castings und Wohnungssuche. Tausende sind vor Semesterstart noch immer ohne Zimmer. Die Lage in den großen Universitätsstädten verschärft sich.
"Es ist wirklich ein Albtraum", sagt Felix. Der 19-Jährige sucht seit Monaten nach einem Zimmer in Düsseldorf. Hier wird er Informatik studieren. "Ich habe Hunderte Mails und Nachrichten verschickt, Castings für WGs gehabt und im Internet überteuerte Angebote gefunden."
Zum Beispiel: 17 Quadratmeter in einer WG für vier Studierende. "Das Zimmer ist ruhig nach hinten raus zum Innenhof gelegen", heißt es im Angebot. Diese 17 Quadratmeter würden Felix im Monat 890 Euro kosten. "Wer kann sich so etwas leisten? Wie sollen Menschen in Düsseldorf so wohnen, studieren und leben können?", fragt Felix.
Der junge Informatik-Student wird für die erste Zeit bei einem Freunde auf der Schlafcouch übernachten. "Das ist aber kein Zustand. Ich hoffe noch auf ein Wunder. Ich stehe auch auf der Warteliste beim Wohnheim", sagt er.
Sozialpolitischer Skandal
Zu Beginn des Wintersemesters warten bundesweit etwa 33.000 Studierende auf einen Wohnheimplatz. Das sagt das Deutsche Studierendenwerk - und warnt zum Start des Hochschuljahrs vor einem bildungs- und sozialpolitischen Skandal. Vor allem in den großen Universitätsstädten sei die Lage besonders dramatisch.
"Die hohen Mieten drohen, viele Studierende finanziell zu erdrücken, und sorgen für lange Wartelisten bei den Studierendenwerken", sagt der Chef des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl. Er spricht vor einer "neuen Form der sozialen Auslese" bei der die Frage, ob ein Studium aufgenommen werden könne, bei der es nicht vom Notenschnitt abhänge, sondern vom Mietpreis am Hochschulort.
"Die Mehrheit der Studierenden, die nicht bei ihren Eltern wohnen, benötigen ein WG-Zimmer auf dem freien Markt. Dafür muss die Mietpreisbremse geschärft werden, gerade bei möblierten Zimmern, damit die Preise in den Hochschulstädten nicht weiter durch die Decke gehen", sagt Anbuhl.
Zwei Nebenjobs für die Miete
Die Mietpreise für WG-Zimmer seien seit dem Jahr 2020 um rund 21 Prozent gestiegen, sagt Annegret Mülbaier von der Vermittlungsseite WG-Gesucht.de. Diese Preissteigerung sei spürbar schneller als die Preisentwicklung bei allgemeinen Lebenshaltungskosten. "Wenn Studierende zwei Nebenjobs brauchen, nur um ihre Miete zu bezahlen, bleibt für das eigentliche Studium kaum noch Zeit", sagt Annegret Mülbaier.
Die Wohnungsnot und die steigenden Mietkosten lassen die Preise für Studierende erstmals im Durchschnitt die 500-Euro-Marke übersteigen. Zu Beginn des Wintersemesters liegen die Mietpreise für Studierende in Deutschland bei durchschnittlich 505 Euro pro Monat, wie aus Zahlen des Moses-Mendelssohn-Instituts hervorgeht. Auch mittelgroße Hochschulstädte werden für viele immer unerschwinglicher.
"Die Zahlen sind besorgniserregend. Die Mietpreisentwicklung kennt nun auch in den mittelgroßen Hochschulstädten vor allem eine Richtung: nach oben", sagt Studierendenwerk-Chef Matthias Anbuhl.
Auch Student Felix beobachtet diesen Trend: "Viele meiner Freunde sind ähnlich frustriert wie ich. Egal, ob die in Düsseldorf, Köln oder Münster studieren wollen. Die Preise für Zimmer sind immer hoch. Die Chancen auf ein gutes Zimmer sind immer gering", sagt der Student.
Wohnheim günstiger als Wohnungsmarkt
Die auf ein Wohnheim wartenden Studierenden verteilen sich laut Studierendenwerke häufig auf Großstädte, darunter Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und München. Auch Darmstadt, Göttingen, Heidelberg und Mainz sind dabei. Allein in München, der teuersten Hochschulstadt Deutschlands, warten etwa 8.800 Studierende auf einen Wohnheimplatz.
Auf den Gesamtbedarf an studentischen Wohnraum gerechnet, können die Wohnheime aber nur etwa 10 Prozent der Studierenden in ihren Einrichtungen unterbringen, was zu Wartelisten und enormen sozialen Druck auf Studierende führt. Verglichen mit dem freien Wohnungsmarkt sind die studentischen Wohnheime deutlich günstiger - doch es gibt insgesamt zu wenige Plätze.
Fehlender Wohnraum
"Die Situation auf dem Wohnungsmarkt hat sich für Studierende weiter verschlechtert", erklärt Michael Voigtländer vom IW Köln. Der Wissenschaftler forscht zur Entwicklung des Immobilienmarkts. "Im letzten Jahr sind die Mieten auf dem studentischen Wohnungsmarkt um 2,3 Prozent angestiegen. Die höchsten Mietsteigerungen in den letzten drei Jahren wurden in Leipzig, Freiburg und Konstanz mit jeweils mehr als 6 Prozent pro Jahr beobachtet."
In München müssten Studierende für eine 30-Quadratmeter-Musterwohnung rund 840 Euro Warmmiete zahlen. Auf Rang 2 folgt Frankfurt mit rund 730 Euro. Im Allgemeinen sind die Hochschulstandorte in Ostdeutschland laut IW Köln weiterhin günstiger als in Westdeutschland. In Chemnitz kostet ein WG-Zimmer rund 270 Euro.
Standort | Warmmiete in Euro |
---|---|
München | 837 |
Frankfurt | 734 |
Köln | 688 |
Berlin | 664 |
Stuttgart | 640 |
Hamburg | 626 |
Düsseldorf | 557 |
Dresden | 499 |
Rostock | 496 |
Jena | 466 |
Leipzig | 442 |
Greifswald | 402 |
Magdeburg | 374 |
Chemnitz | 296 |
Quelle: IW Köln
Wissenschaftler fordern tiefgreifende Strukturreformen
"Während die Nachfrage nach Wohnraum in Hochschulstädten hoch bleibt, geht die Bautätigkeit weiter zurück", kritisiert der Wissenschaftler. "Steigende Kosten, lange Genehmigungsverfahren und immer komplexere Standards bremsen die Schaffung neuen Wohnraums."
Für Studierende bedeutet das ein weiterhin knappes Angebot bei steigenden Mieten. Was der Wohnungsmarkt jetzt brauche, seien tiefgreifende Strukturreformen. "Es reicht nicht, punktuell Förderprogramme aufzulegen. Vielmehr müssen Verfahren vereinfacht und mehr Pragmatismus in der Baupolitik verankert werden."
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.