Steigende Ausgaben, weniger Einnahmen - viele Städte und Gemeinden sehen sich finanziell am Limit. Die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen warnt: Wenn es so weitergehe, verliere man die Menschen.
"Wir haben kaum noch Gestaltungsspielraum“, sagt Jutta Steinruck (parteilos), scheidende Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen am Rhein. Während ihrer achtjährigen Amtszeit habe sie lernen müssen, dass es eher darum gehe, wo eingespart werden und Strukturen in der Verwaltung verschlankt werden können. Und das, während gleichzeitig Schulen, Straßen und Brücken saniert werden müssen. Sie warne davor, Städte wie Ludwigshafen "kaputtzusparen“, denn das betreffe den Alltag von Hunderttausenden Menschen.
Wenn es künftig kein Geld mehr gebe für Kitas, Schulen, Sport und Kultur, "dann verlieren wir zunehmend die Menschen und auch die Demokratie“, befürchtet die ehemalige SPD-Politikerin. Steinruck war 2023 aus der Partei ausgetreten und hatte dies mit landes- und bundespolitischen Entscheidungen begründet - und den daraus resultierenden sozialen Folgen für ihre Stadt. Auch heute sagt die 63-Jährige: "Der Staat lässt uns finanziell allein." Mit sozialer Gerechtigkeit habe das nichts zu tun, das "ist eine Zumutung“.
Forderung nach gerechter Lastenverteilung
Für das kommende Jahr rechnet die bereits jetzt hochverschuldete Stadt mit einem Haushaltsdefizit von rund 148 Millionen Euro. Damit steigt die Gesamtschuldenlast Ludwigshafens auf knapp 1,4 Milliarden Euro an. Der größte Teil der Ausgaben entfällt auf Sozialleistungen.
Die hohe Neuverschuldung habe nichts mit schlechter Haushaltsführung zu tun, sagt Oberbürgermeisterin Steinruck. Grund sei, dass die Stadt Leistungen erbringen müsse, die nicht vollständig gedeckt seien. Beispielsweise für Grundsicherung, Jugendhilfe, Asylbewerber und die Betreuung in Kindertagesstätten.

Räumt Ende des Jahres den Platz: Ludwighafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck
Steinruck fordert, dass Bund und Land auch die vollen Kosten erstatten, wenn sie Aufgaben an die Kommunen übertragen. Doch dies sei nicht der Fall, ob bei kommunaler Wärmeplanung oder dem Ausbau der Ganztagsbetreuung an Schulen. So blieben Personal- und Raumkosten etwa größtenteils bei der Kommune hängen. Für Städte und Gemeinden bedeute dies, sie müssten an anderer Stelle kürzen oder Schulden machen.
Wenn Bund und Land diese Kosten übernehmen würden, hätte Ludwigshafen kein Haushaltsdefizit mehr, argumentiert Steinruck. Sie fordert eine stärkere Beteiligung des Bundes an Sozialausgaben und einen größeren kommunalen Anteil an der Umsatzsteuer. Und einen vollständigen Ausgleich kommunaler Steuerausfälle durch den Bund.
Städtebund: Kommunale Finanzlage bundesweit dramatisch
Die finanzielle Situation der Kommunen in ganz Deutschland sei dramatisch, sagt Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Bereits 2024 verbuchten die Kommunen mit 25 Milliarden Euro ein Rekorddefizit, in diesem Jahr könnten es sogar 30 Milliarden werden. Zimmermann rechnet auch in den kommenden Jahren mit einer hohen Neuverschuldung der Kommunen.
Ursachen seien die anhaltend schwache Konjunktur und hohe Inflation sowie sinkende kommunale Steuereinnahmen bei gleichzeitig ungebremst steigenden Ausgaben. Selbst bisher finanzstarke Gemeinden in Baden-Württemberg und Bayern erlebten inzwischen einen Einbruch ihrer kommunalen Finanzen. Die Rücklagen seien vielerorts bereits vollständig aufgebraucht. Die Folgen seien massive Liquiditätsprobleme, eine explodierende Kassenkreditverschuldung und weniger Investitionen in den Kommunen.
Weitere Einsparungen, wie von der kommunalen Finanzaufsicht gefordert, oder höhere Gebühren seien keine Lösung, findet Ludwigshafens Oberbürgermeisterin. "Wir können die Industriekrise nicht durch höhere Eintrittspreise fürs Schwimmbad auffangen - das ist absurd“.
Vielmehr fordert sie eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs und eine nachhaltige Altschuldenregelung. Die Hälfte der Liquiditätskredite ihrer Stadt seien zwar vom Land Rheinland-Pfalz getilgt worden, aber verbunden mit Auflagen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dazu müsste die Stadt zehn Jahre lang jedes Jahr zehn Millionen Euro einsparen, doch das sei unrealistisch, weil gleichzeitig alle Kosten steigen.
Chemiestandort im Umbruch
Ludwigshafen war einst ein blühender Industriestandort mit moderner Infrastruktur, florierender Innenstadt und Sitz des - bis heute - weltweit größten Chemiekonzerns BASF. Doch die fetten Jahre sind längst vorbei. Beim Chemieriesen kriselt es seit Jahren gewaltig, Personal und Produktionsstätten im Stammwerk werden zunehmend abgebaut und ins Ausland verlagert. Aktuell sind dort noch etwa 33.000 Menschen beschäftigt, doch weitere "schmerzhafte“ Einschnitte sind bereits geplant.
Die BASF ist zwar weiterhin ein wichtiger Wirtschaftsmotor für die Stadt. Doch der Konzern ist dabei sich umzustrukturieren, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Zukunftsinvestitionen der BASF wirkten sich zudem steuermindernd aus, sagt Jutta Steinruck. Steigende Energiekosten und veränderte Rahmenbedingungen hätten dazu geführt, dass die Steuerlast gesunken sei. Durch frühere Steuergesetzgebungen sei Geld von Ludwigshafen wegverlagert worden, das habe die Stadt zusätzlich belastet.
Hinzu kommt, dass die Einnahmen durch die Gewerbesteuer - eine der Haupteinnahmequellen von Kommunen - in den vergangenen Jahren insgesamt stark eingebrochen sind. 143 Millionen Euro Gewerbesteuer flossen 2025 in die städtischen Kassen - 55 Millionen weniger als noch vor zehn Jahren.
Hohe Belastung durch Sanierungsstau und Energiewende
Trotz sinkender Einnahmen und klammer Kassen investiert die Stadt enorme Summen in Straßen- und Brückensanierungen und in die Wärmewende. So sind bis 2045 rund eine Milliarde Euro für die Umsetzung der Energiewende in Ludwigshafen eingeplant, etwa für den Ausbau der Fernwärme. Hinzu kommt die teure Sanierung der zwei maroden Hochstraßen. Die zentralen Verkehrsadern der Region galten einst als Sinnbild für Fortschritt und Modernität. Jetzt werden sie abgerissen und durch neue, teils ebenerdige Straßen ersetzt. Gesamtkosten des Projekts: 1,1 Milliarden Euro, rund 300 Millionen Euro muss die Stadt selbst zahlen, den Rest übernehmen Bund und Land.
Die Arbeiten an den Bauwerken haben die Innenstadt in eine riesige Baustelle verwandelt. Auch der 70 Meter hohe Rathausturm, das einstige Wahrzeichen der Stadt, direkt an der Hochstraße gelegen, wird abgerissen. Dort wo gerade Bagger Stockwerk für Stockwerk abtragen, ganz oben im 15. Stock, war früher mal das Oberbürgermeister-Büro. Jutta Steinruck sitzt längst im Gebäude gegenüber. Ende des Jahres räumt sie ihren Platz. Auf ihren Nachfolger warten viele Baustellen, da ist sich Steinruck sicher: "Die einfache Lösung gibt es nicht. Aber eines ist klar: Wir brauchen veränderte Rahmenbedingungen - und endlich echte Unterstützung für die Städte, die die Hauptlast tragen."
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.