CSU-Chef Söder ist überzeugt, dass sich der Ärger um die verschärften Grenzkontrollen schon legen wird - trotz deutlicher Zweifel an deren rechtlicher Grundlage. Binnen zwei Tagen wurden offenbar 19 Asylsuchende zurückgewiesen.
Seit mehreren Tagen wird an deutschen Grenzen schärfer kontrolliert - quasi seit Amtsantritt der neuen Bundesregierung. Auch Asylsuchende werden nun zurückgewiesen. Der striktere Kurs in der Migrationspolitik hatte nicht nur in mehreren Parteien Kritik laut werden lassen, sondern auch bei Deutschlands Nachbarstaaten. Dort wird bezweifelt, ob das Handeln der neuen schwarz-roten Koalition mit EU-Recht vereinbar ist.
Einwände, für die CSU-Chef Markus Söder durchaus Verständnis zeigt. Er verstehe, "dass es am Anfang beim einen oder anderen europäischen Partner Skepsis" gebe, sagte der bayerische Ministerpräsident im Interview mit der Bild am Sonntag. Doch er sei überzeugt, "dass die europäischen Nachbarn das am Ende akzeptieren werden".
Deutschland habe sich in eine "Sonderposition" begeben, indem es viele Migrantinnen und Migranten aufgenommen habe. Und das, "obwohl wir es nach dem europäischen Rechtssystem gar nicht machen müssen", betonte Söder. Beim Thema Migration habe "seit vielen Jahren eine europäische Unordnung" geherrscht. Der CSU-Vorsitzende stellt sich klar hinter die verschärften Grenzkontrollen. Über deren "Details" wolle Deutschland nun schnellstmöglich mit seinen europäischen Partnern reden.
Offenbar 19 Asylsuchende zurückgewiesen
Die verschärften Grenzkontrollen erfolgen auf Weisung des neuen Bundesinnenministers Alexander Dobrindt. Nur wenige Stunden nach seinem Amtsantritt ordnete der CSU-Politiker sie an und entschied zudem, dass künftig auch Asylsuchende an den Landgrenzen zurückgewiesen werden können. Ausnahmen gelten für sogenannte vulnerable Gruppen, etwa Kinder oder Schwangere. CDU, CSU und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass es Zurückweisungen "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" geben soll.
Die bei den Grenzkontrollen eingesetzten Einsatzkräfte folgen der Weisung des CSU-Politikers, wie eine erste Bilanz der Bild am Sonntag unter Berufung auf Zahlen der Bundespolizei zeigt. Demnach wurden binnen zwei Tagen - am Donnerstag und Freitag - 19 Flüchtlinge trotz eines Asylgesuchs an einer deutschen Grenze zurückgewiesen. In vier Fällen konnten Asylsuchende aufgrund der geltenden Ausnahmeregelungen einreisen. Insgesamt wurden an den beiden Tagen laut Bundespolizei insgesamt 365 unerlaubte Einreisen registriert und 286 Migranten zurückgewiesen. Hauptgründe für Zurückweisungen waren demnach fehlende Visa, fehlende oder gefälschte Dokumente oder Einreisesperren.
Ein Verstoß gegen das EU-Recht?
Die verschärften Kontrollen und Zurückweisungen hatten bei Grünen und Linken scharfe Kritik hervorgerufen - aber auch beim Koalitionspartner der Union, der SPD. Hauptargument dabei: Zweifel an der Rechtslage. Die Grünen prangerten "flächendeckende Grenzkontrollen und pauschale Zurückweisungen" als Verstoß gegen das EU-Recht an. Und die SPD mahnte, ein solcher Schritt könne nur in Abstimmung mit Deutschlands Nachbarstaaten erfolgen. So hatte etwa Polens Regierungschef Donald Tusk der neuen Bundesregierung vorgeworfen, sie hebele das Schengensystem aus, also das Prinzip des freien Reisens ohne Kontrollen an den Binnengrenzen der EU.
Bundeskanzler Friedrich Merz versuchte diesen Einwänden bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel entgegenzutreten. Es gebe "keinen deutschen Alleingang" und es werde in etwa so an den Grenzen kontrolliert, wie während der Fußball-Europameisterschaft 2024. Eine Aussage, der Polizeigewerkschaften klar widersprachen. Sowohl die Gewerkschaft der Polizei (GdP) als auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) betonten, dass die Weisung aus dem Innenministerium Zurückweisungen "zwingend vorschreibt". Was bei den Kontrollen der EM nicht der Fall gewesen sei.
Deutschlands Nachbarn sind sichere Drittstaaten
Nach deutschem Recht sind Zurückweisungen durchaus möglich - und zwar nach Paragraf 18 des Asylgesetzes. Demzufolge kann eine Einreise etwa verweigert werden, wenn ein Migrant aus einem sicheren Drittstaat einreist. Alle Nachbarstaaten Deutschlands fallen in diese Kategorie. Bundesinnenminister Dobrindt beruft sich auf eben jenes deutsche Asylgesetz.
Die deutschen Regeln kommen jedoch nur zur Anwendung, wenn die europäischen Bestimmungen, die eigentlich Vorrang haben, nicht mehr angewendet werden. Und nach den EU-Regeln zu Asyl- und Migrationsfragen dürfte die Polizei Asylbewerber eben nicht einfach an der Grenze zurückweisen.
Deshalb beruft sich Dobrindt zusätzlich auf einen Artikel aus dem EU-Recht, nämlich Art. 72 AEUV. Dieser erlaubt es den Mitgliedsstaaten unter bestimmten, besonderen Voraussetzungen, die europäischen Regeln nicht mehr anzuwenden. Und zwar dann, wenn die "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" und der "Schutz der inneren Sicherheit" in dem Mitgliedsstaat andernfalls in Gefahr wären.
Polizeigewerkschaft schlägt wegen Personalmangel Alarm
Die Gewerkschaft der Polizei wies erneut auf eine Problematik abseits der rechtlichen Zweifel hin - dem infolge der verschärften Grenzkontrollen gestiegenen Arbeitsaufwand, für den deutlich mehr Personal notwendig werde. "Wir müssen wegen der neuen Bundesregierung in eine realistische Betrachtung gehen, was die Kolleginnen und Kollegen da leisten können und wie der tatsächliche Personalbedarf aussieht", sagte der niedersächsische Landeschef der Gewerkschaft, Kevin Komolka, im NDR-Interview.
Komolka wies darauf hin, dass für Abschiebungen die Verwaltungsvollzugsbeamten der Landesaufnahmebehörde zuständig sind. Doch von diesen Stellen gebe es zu wenige, darum seien die Abschiebungen nur mit Hilfe der Polizei möglich. "Und da kommen wir an unsere Grenzen, wenn die Polizei diese Aufgaben auch noch in großem Maß wahrnehmen soll", warnte er GdP-Landeschef.
Grenzkontrollen nur ein "wuchtiger Einstieg"
Doch trotz der anhaltenden Debatte über die verschärften Grenzkontrollen sieht CSU-Chef Söder in ihnen nur einen "wuchtigen Einstieg". Weitere Maßnahmen sollen folgen: Flüge aus Afghanistan sollen gestoppt, das von der Ampelkoalition reformierte Staatsbürgerschaftsrecht wieder geändert und Ausweisungen in sogenannte sichere Herkunftsstaaten verstärkt werden - Dinge, die grundsätzlich auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD festgeschrieben sind.
Diese Maßnahmen würden zum einen abschrecken, nach Deutschland zu kommen. Zum anderen erwartet sich Söder einen massiven Effekt durch freiwillige Ausreisen, "weil man hier weniger zu erwarten hat".
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.