In Deutschland wird Israels Einsatz im Gazastreifen immer kritischer gesehen - das zeigt der ARD-DeutschlandTrend. Eine große Mehrheit ist dafür, die Waffenexporte zu begrenzen. Der Kanzler legt an Vertrauen zu.

Fast 20 Monate ist der Überfall nun her, bei dem die islamistische Terrororganisation Hamas in Israel etwa 1.200 Menschen tötete und 250 Geiseln nahm. Je länger die militärische Reaktion Israels im Gazastreifen andauert, umso kritischer wird der Blick der Deutschen.

Mittlerweile sagen fast zwei Drittel (63 Prozent), die militärische Reaktion Israels gehe zu weit. Und fast drei Viertel (73 Prozent) halten es für nicht gerechtfertigt, wenn von den militärischen Aktionen Israels gegen die Hamas auch die palästinensische Zivilbevölkerung betroffen ist. Beides sind Höchstwerte im ARD-DeutschlandTrend, für den das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap am Montag und Dienstag eine repräsentative Befragung unter 1.292 Wahlberechtigten in Deutschland durchgeführt hat.  

Israel verfolgt mit Luftangriffen und Bodentruppen das Ziel, die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen zu zerschlagen. Dabei gibt es fast täglich Berichte über die katastrophale Lage der Bevölkerung in Gaza. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind seit Beginn des Krieges mehr als 54.200 Palästinenser im Gazastreifen getötet worden. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht - und es fallen sowohl Zivilisten als auch Hamas-Mitglieder darunter.

Für die Lage der palästinensischen Bevölkerung machten die Deutschen in der Vergangenheit stärker die Hamas als Israel verantwortlich. Inzwischen sehen sie im ARD-DeutschlandTrend die Verantwortung gleichermaßen bei der Terrororganisation und Israel. 

Drei Viertel finden Kritik der Bundesregierung richtig

Seit einer guten Woche hat sich auch der Ton der Bundesregierung im Gaza-Krieg verändert. So sagte Kanzler Friedrich Merz (CDU) beim WDR Europaforum mit Blick auf den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen: "Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen."

Dafür gibt es in Deutschland mehrheitlichen Zuspruch - in allen Altersgruppen und unter Anhängern aller im Bundestag vertretenen Parteien. Insgesamt finden die Kanzler-Kritik am militärischen Vorgehen Israels im Gazastreifen drei von vier Deutschen richtig.  

Inzwischen wird auch über daraus folgende Konsequenzen offen diskutiert. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hat in der vergangenen Woche angekündigt, die Waffenexporte deutscher Rüstungsunternehmen aufgrund des militärischen Vorgehens Israels im Gazastreifen überprüfen zu wollen. Deutschland ist nach den USA der wichtigste Waffenlieferant Israels. In der deutschen Bevölkerung sprechen sich 43 Prozent dafür aus, Waffenexporte nach Israel zu begrenzen und weitere 30 Prozent dafür, sie vollständig zu stoppen. Nur jeder Sechste (17 Prozent) ist der Meinung, die Bundesregierung sollte deutsche Waffenexporte nach Israel unverändert genehmigen.  

Unions-Anhänger bei Waffenexporten am wenigsten entschieden

Während sich Anhänger von AfD, SPD, Grünen und Linke jeweils mit deutlicher Mehrheit für eine Begrenzung bzw. einen Stopp deutscher Waffenexporte nach Israel aussprechen, sind die Anhänger der Union weniger entschieden: Auch hier sprechen sich 44 Prozent für eine Begrenzung deutscher Waffenexporte aus. Allerdings fordern nur 16 Prozent einen vollständigen Stopp und fast jeder dritte Unions-Anhänger (29 Prozent) fände es richtig, wenn die Regierung deutsche Waffenlieferungen nach Israel unverändert genehmigt. Das spiegelt die Debatte innerhalb der Union wider, in der es für Wadephuls Vorstoß zur Überprüfung der Waffenlieferungen Widerspruch von CSU-Seite gab. 

Grundsätzlich sagt gut jeder Dritte, Deutschland habe aufgrund seiner Geschichte eine größere Verantwortung für den Schutz Israels als andere Länder; eine knappe Mehrheit aber sieht das anders. Dass Deutschland im Nahost-Konflikt bedingungslos an der Seite Israels stehen sollte, sagen nur 13 Prozent der Deutschen; drei Viertel stimmen dem nicht zu. 

Auch das Vertrauen der Deutschen in Israel als Partner Deutschlands hat in den vergangenen Monaten gelitten: Nur noch jeder sechste Deutsche (16 Prozent) sieht das Land aktuell als Partner, dem Deutschland vertrauen kann - im Oktober waren es noch 27 Prozent. Zum Vergleich: Die Ukraine erreicht in dieser Frage 48 Prozent, Nachbar Frankreich wird mit derzeit 83 Prozent traditionell hoch bewertet. Israel bewegt sich dagegen auf einem Niveau mit den USA (18 Prozent), in die das Vertrauen nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump erodiert ist. Drei von vier Deutschen halten die USA aktuell für keinen vertrauenswürdigen Partner. 

Fünf-Prozent-Ziel für Verteidigung?

Es sind keine einfachen Voraussetzungen, unter denen Bundeskanzler Friedrich Merz an diesem Donnerstag zum Antrittsbesuch ins Weiße Haus fährt. Themen gibt es viele: Neben dem Krieg im Gazastreifen dürfte es auch um die US-Zollpolitik und den Ukraine-Krieg gehen.

Eine wesentliche Forderung des US-Präsidenten hat die neue Bundesregierung zuletzt öffentlich unterstützt. Donald Trump will, dass die NATO-Mitgliedsstaaten statt zwei Prozent künftig fünf Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben - es wäre eine deutliche Erhöhung.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) hat sich Mitte Mai hinter diesen Vorstoß gestellt und erhält mehrheitlichen Rückhalt aus der deutschen Bevölkerung. Jeder Zweite (50 Prozent) fände ein Fünf-Prozent-Ziel angemessen. Für weitere 7 Prozent ginge ein solches NATO-Ziel sogar nicht weit genug. Für gut jeden Dritten (35 Prozent) ginge es zu weit. Im Westen Deutschlands erfährt das Vorhaben deutlich mehr Zustimmung als im Osten, wo es für gut die Hälfte zu weit ginge.  

Merz legt bei Politikerzufriedenheit zu

Auf das Treffen zwischen Merz und Trump blicken die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mit unterschiedlichen Erwartungen. 46 Prozent trauen dem Kanzler zu, eine gute Ebene mit dem US-Präsidenten zu finden. 44 Prozent trauen ihm das nicht zu. Grundsätzlich sind 47 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Ansicht, der neue Bundeskanzler bringe für die außenpolitischen Herausforderungen zu wenig diplomatisches Geschick mit, 40 Prozent trauen ihm dieses Geschick dagegen zu.   

Insgesamt konnte der Kanzler in seinem ersten Monat im neuen Amt stärker als alle anderen Kabinettsmitglieder an Vertrauen unter den Wahlberechtigten zulegen. Sein Zufriedenheitswert steigt von 25 Prozent im April auf aktuell 39 Prozent. Damit landet er gleichauf mit SPD-Finanzminister Lars Klingbeil. CSU-Innenminister Alexander Dobrindt (32 Prozent) und CDU-Außenminister Johann Wadephul (30 Prozent) erreichen geringere Werte. Allerdings traut sich zu Wadephul derzeit nur gut jeder Zweite überhaupt ein Urteil zu. SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius ist auch im neuen Kabinett der einzige, der eine Mehrheit der Deutschen (61 Prozent) hinter sich weiß.  

Schwarz-Rot startet mit weniger Rückenwind als die Ampel

Mit der Arbeit der Bundesregierung sind einen Monat nach deren Start vier von zehn Deutschen zufrieden. Neben einer deutlichen Mehrheit der Unions-Anhänger (82 Prozent) und einer knapperen Mehrheit der SPD-Anhänger (60 Prozent) weiß Schwarz-Rot auch vier von zehn Grünen-Anhängern (39 Prozent) hinter sich. Die Ampel-Regierung war Anfang 2022 mit etwas größerem Rückhalt gestartet (46 Prozent), hatte in der Regierungszufriedenheit aber zuletzt im Juli 2022 eine "Vier" vorne.  

Aktuell ist jeder Zweite weniger bzw. gar nicht zufrieden mit Schwarz-Rot. Zwar traut ihr jeweils eine knappe Mehrheit zu, die deutsche Wirtschaft wieder zu stärken und deutsche Interessen in der Welt besser zu vertreten. Gleichzeitig sind seit der Bundestagswahl die Zweifel gewachsen, dass sie das Leben in Deutschland sicherer machen, die irreguläre Migration wirksam begrenzen und steuern oder für mehr soziale Sicherheit sorgen kann. Jeweils eine Mehrheit traut ihr diese Herausforderungen nicht zu. Schwarz-Rot hat also noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten. 

Sonntagsfrage: Union legt leicht zu

In der aktuellen Sonntagsfrage baut die Union ihren Vorsprung zur AfD leicht aus: CDU/CSU kommen auf 29 Prozent (+2 im Vergleich zu Mai), die AfD erreicht unverändert 23 Prozent, die SPD 15 Prozent (-1), die Grünen 12 Prozent (+1) und die Linke 9 Prozent (-1). FDP und BSW würden mit jeweils unverändert 4 Prozent den Einzug in den Bundestag erneut verpassen. Alle anderen Parteien kommen zusammen ebenfalls auf 4 Prozent. 

Untersuchungsanlage Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Online- und Telefon-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 02. bis 03. Juni 2025
Fallzahl: 1.292 Befragte (770 Telefoninterviews und 522 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent, 3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap


Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1.000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.

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