Die humanitäre Lage in Gaza ist katastrophal, Forderungen nach mehr Druck auf die israelische Regierung werden lauter. Doch die Bundesregierung bleibt bei ihrem abwägenden Kurs.
Es war ein Besuch, der die aktuellen Herausforderungen im deutsch-israelischen Verhältnis überdeutlich aufzeigte. Nebeneinander standen der Gast aus Israel und sein deutscher Gastgeber am Holocaust-Mahnmal und gedachten sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die von Deutschen ermordet wurden.
Der deutsche Außenminister machte in seiner Rede bei der Kranzniederlegung deutlich, welche Verantwortung auch für die Regierung, der er angehört, aus dieser deutschen Schuld erwächst: Der Einsatz für die Sicherheit und eine friedliche Zukunft des Staates Israel sei eine Verpflichtung und werde es bleiben, sagte Johann Wadephul.
Sein israelischer Amtskollege unterstrich, was diese Verantwortung aus seiner Sicht auch bedeutet: Deutschland könne zur Verteidigung Israels beitragen, erklärte Gideon Saar - indem es die Mittel zur Verfügung stelle, die dem jüdischen Volk im vergangenen Jahrhundert gefehlt hätten.
Saar sprach am Holocaust-Mahnmal nicht explizit von deutschen Waffenlieferungen und einem möglichen Stopp dieser Exporte. Das Thema war aber schon vor seinem Besuch in Berlin gesetzt.
Mehrheit lehnt Israels Vorgehen ab
Die Debatte über den Umgang mit Israel ist in den vergangenen Wochen intensiver und die Debattenbeiträge der Bundesregierung sind deutlicher geworden. Der Bundeskanzler sieht das Vorgehen der israelischen Armee gegen die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht mehr als eine Strategie, die sich mit dem Kampf gegen Terrorismus begründen lässt.
Außenminister Wadephul erklärte vor dem Besuch seines israelischen Amtskollegen in einem Zeitungsinterview, man prüfe mögliche Völkerrechtsbrüche Israels im Gazastreifen und werde das Ergebnis dieser Prüfung künftig in die Entscheidung über Waffenexporte einfließen lassen.
Vom Regierungspartner SPD kommen Forderungen, mindestens Exporte von Rüstungsgütern, die im Gaza-Krieg zum Einsatz kommen könnten, auszusetzen. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion verlangte in einer aktuellen Debatte im Bundestag eine Prüfung, ob deutsche Waffen verwendet werden, um einen Staat vor Terrorismus und Krieg zu schützen oder zum Bruch von Völkerrecht und zur Verschlechterung der humanitären Lage.
Angetrieben wird die Debatte durch Berichte über mögliche Völkerrechtsverletzungen und über die hungernde Bevölkerung. Hinzu kommen Umfragen, wie zuletzt im ARD-DeutschlandTrend, in denen eine Mehrheit der Befragten Israels Vorgehen im Gazastreifen ablehnt.
Mittlerweile sagen fast zwei Drittel, die militärische Reaktion Israels gehe zu weit. 43 Prozent sind dafür, deutsche Waffenlieferungen nach Israel zu begrenzen - und weitere 30 Prozent dafür, sie vollständig zu stoppen.
Wadephul lässt Kritik durchblicken
Doch bei der Pressekonferenz nach dem bilateralen Gespräch im Auswärtigen Amt verzichtet der deutsche Außenminister darauf, Waffenexporte an Bedingungen zu knüpfen oder mit Sanktionen zu drohen.
Israel werde von Terrororganisationen in der Region und auch dem Iran attackiert und müsse sich verteidigen können. "Natürlich wird Deutschland Israel auch durch Waffenlieferungen weiter unterstützen. Das stand nie in Zweifel", sagt Wadephul.
Kritik am israelischen Vorgehen lässt Wadephul trotzdem durchblicken. So beklagt er die Bilder aus Gaza als "schockierend" und verlangt schnell mehr humanitäre Hilfe. "Das ist nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, es ist auch geltendes Völkerrecht." Den Beschluss der israelischen Regierung, 22 Siedlungen im Westjordanland zu genehmigen, bezeichnet Wadephul als "völkerrechtswidrig": "Darüber können wir auch als Freunde nicht hinwegsehen."
Der israelische Außenminister Gideon Saar lässt die meiste Kritik abprallen, weist eine Verantwortung Israels für die Lage in Gaza zurück. "Nur die Hamas ist verantwortlich für das Leid auf beiden Seiten", sagt er. Auf deutsche Bedenken reagiere man mit guten Antworten. Saar nennt die israelische Armee "die moralischste der Welt". Sie kämpfe diesen Krieg entsprechend dem internationalen Recht.
Ein Waffenembargo scheint unwahrscheinlich
Deutsche Unternehmen lieferten in der Vergangenheit unter anderem Ersatzteile für Kampfpanzer und Artilleriemunition an Israel. Solche Exporte sind genehmigungspflichtig. Der Bundessicherheitsrat entscheidet darüber im Geheimen und auch erst, wenn entsprechende Exportanträge der Rüstungsindustrie vorliegen.
Wenn also in der nächsten Zeit keine heiklen Anträge zur Entscheidung anstehen, zum Beispiel, weil den betreffenden Firmen die schwierige politische Lage bewusst ist und sie erst einmal abwarten, kommt die Bundesregierung auch nicht in die Situation, einzelne, besonders strittige Waffenlieferungen an Israel eventuell ablehnen zu müssen.
Ein komplettes Waffenembargo, wie es die Linke im Bundestag fordert, erscheint ohnehin unwahrscheinlich. Die Lieferung von Waffen, mit denen sich Israel gegen Bedrohungen von außen, wie durch die jemenitischen Huthis oder den Iran, verteidigen kann, steht politisch nicht infrage.
Das grundsätzliche Dilemma, wie es Außenminister Wadephul vor Kurzem nannte, in dem sich die Bundesregierung befindet, bleibt aber bestehen. Der Umgang mit Israel ist eine schwierige Gratwanderung für die deutsche Politik.
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