In einem Brief fordern mehr als 100 SPD-nahe Personen um Ex-Fraktionschef Mützenich einen Kurswechsel in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Gespräche mit Russland. Das Schreiben könnte für Unruhe in der Koalition sorgen.
Prominente Stimmen in der SPD fordern in einem Grundsatzpapier eine Umkehr im deutschen Umgang mit Russland und anderen sicherheitspolitischen Fragen. In dem mit "Manifest" überschriebenen Dokument, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, drängen die Verfasser der "SPD-Friedenskreise" auf Gespräche mit Russland und einen Stopp der Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.
Die mehr als 100 Unterzeichnenden, darunter der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der Außenpolitiker Ralf Stegner, Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans, sowie Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel, stellen sich damit gegen den Kurs der Bundesregierung und auch der aktuellen SPD-Führung. Ob alle Unterschriften von SPD-Mitgliedern stammen, wird nicht deutlich.
Kritik an geplanten Verteidigungsausgaben: "Irrational"
In dem Papier heißt es: Europa sei "von einer Rückkehr zu einer stabilen Friedens- und Sicherheitsordnung" weit entfernt. In Deutschland und den "meisten europäischen Staaten" hätten sich jene durchgesetzt, "die die Zukunft vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen".
Eine wiederkehrende "Politik der reinen Abschreckung ohne Rüstungskontrolle und der Hochrüstung" werde keine Sicherheit schaffen, heißt es weiter. Für die geplante Anhebung der Verteidigungsausgaben gebe es "keine sicherheitspolitische Begründung", dies sei vielmehr "irrational". In dem Dokument wird stattdessen eine "defensive Ausstattung der Streitkräfte" sowie eine "eigenständige" Verteidigungsfähigkeit" Europas unabhängig von den USA gefordert.
SPD-Vertreter fordern "gegenseitige Friedensfähigkeit"
Die Verteidigungsfähigkeit solle mit einer "Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik" verknüpft werden, "um gemeinsame Sicherheit und gegenseitige Friedensfähigkeit zu erreichen". Zu diesem nicht einfachem Weg gebe es "keine verantwortungsbewusste Alternative". Zunächst brauche es unter anderem die "Begrenzung weiterer Eskalation" sowie die behutsame Wiederaufnahme diplomatischer Kontakte.
Statt immer mehr Geld für die NATO brauche es "mehr finanzielle Mittel für Investitionen in Armutsbekämpfung, für Klimaschutz und gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen". Deutschland und die EU sollten sich zudem auch nicht "an einer militärischen Eskalation in Süd-Ost-Asien" beteiligen.
Gespräche und spätere Zusammenarbeit mit Moskau gefordert
Der Krieg in die Ukraine wird klar als "völkerrechtswidriger Angriff Russlands" bezeichnet, deutlicher wird die Kritik an Moskau nicht. Letztlich fordern die Unterzeichner diplomatische Anstrengungen, um das Töten in der Ukraine zu beenden. Die Unterstützung für die Ukraine bei ihren "völkerrechtlichen Ansprüchen" müsse verknüpft werden "mit den berechtigten Interessen aller in Europa an Sicherheit und Stabilität".
Nach dem Schweigen der Waffen müsse der "außerordentlich schwierige Versuch unternommen werden, wieder ins Gespräch zu kommen", heißt es wörtlich. Es brauche zudem eine "schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und eine Zusammenarbeit mit Russland".
Mit Informationen von Uli Hauck, ARD-Hauptstadtstudio
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.