Die AfD werde davon profitieren, dass das rechtsextreme Magazin Compact nicht verboten wird - behauptet dessen Chefredakteur. Gibt das Urteil tatsächlich Hinweise darauf, wie ein mögliches AfD-Verbotsverfahren verlaufen könnte?
Natürlich feierte sich Jürgen Elsässer, der Chefredakteur des Compact-Magazins, nach der Urteilsverkündung mit den entsprechenden Worten: Das Urteil sei "epochal" und es handele sich "um die wichtigste Entscheidung für die Pressefreiheit seit der Gründung der Bundesrepublik". Die Vorwürfe, Compact vertrete den "völkischen Volksbegriff" hätten sich nun als unzutreffend erwiesen, behauptete Elsässer vor dem Gerichtssaal.
Eine erwartbare Reaktion, schließlich hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden: Compact darf nicht verboten werden. Allerdings wich die Begründung des Gerichts deutlich von der Zusammenfassung Elsässers ab.
Gericht stellte kein Gütesiegel aus
"Das Grundgesetz garantiert auch den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit", hatte der Vorsitzende Richter Ingo Kraft in der mündlichen Verkündung gesagt und damit eindeutig die Macher von Compact, also vor allem auch Jürgen Elsässer, gemeint.
Das Magazin richte sich mit vielen Inhalten gegen die verfassungsmäßige Grundordnung. Sowohl in ihren Print- als auch den Online-Medien würden sie deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund als Staatsbürger zweiter Klasse ansehen und damit klar gegen das Prinzip der Menschenwürde und auch gegen das Demokratieprinzip verstoßen, legte das Gericht ausführlich dar.
Keineswegs hat das Gericht also festgestellt, dass Compact diesen Volksbegriff nicht vertrete. Im Gegenteil: Das Magazin Compact stehe sehr deutlich hinter dem "Remigrationskonzept" von Martin Sellner, einem Vordenker der "Identitären Bewegung", führte der Vorsitzende Richter aus. Danach sollen Menschen zumindest durch Druck zur sogenannten Remigration in ihre Heimatländer bewegt werden. Das sei mit den Werten des Grundgesetzes alles andere als vereinbar.
Hürden für ein Verbot sehr hoch
Für ein Vereinsverbot eines Presseerzeugnisses gelten aber besonders hohe Hürden. Denn Meinungs- und Pressefreiheit sind hohe Güter. Für ein Verbot von Compact reiche es noch nicht. "Noch" nicht, betonte das Gericht.
Ein Verbot komme nur in Betracht, wenn die verfassungswidrigen Aktivitäten einer Vereinigung wirklich prägend für diese sind. Das sehen die Richterinnen und Richter hier noch nicht. Denn Compact veröffentlicht auch andere Inhalte, vieles davon falle noch in den Bereich der polemisch zugespitzten Machtkritik.
Elsässer zieht Schlüsse für mögliches AfD-Verbot
In seinen Interviews nach dem Urteil spannte Elsässer dann auch noch den Bogen zur AfD: "Unmittelbar wird auch die AfD von diesem Urteil profitieren. Denn wenn es unmöglich war, Compact zu verbieten, ist es auch unmöglich, die AfD zu verbieten. Der AfD wird im Grunde dasselbe vorgeworfen wie uns vorgeworfen wurde", führte der Compact-Chefredakteur aus.
Rechtlich sind solche Schlussfolgerungen falsch. Auch wenn sich in der Tat einige ähnliche Fragen stellen. Das Compact-Urteil sagt nichts über den Ausgang eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens aus.
Zwei komplett unterschiedliche Verfahren
Das Verbot ist Ausdruck einer wehrhaften Demokratie, es ist aber zugleich die absolute Ausnahme. Grundsätzlich gilt sowohl für Vereine als auch für Parteien: Das Grundgesetz setzt erst einmal auf die Auseinandersetzung in der Gesellschaft, auf die Macht des Wortes, auf Überzeugung. Aber es sieht Verbote als letztes Mittel ausdrücklich vor. Das ist ein verbindendes Element zwischen beiden Verfahren.
Ansonsten gibt es viele Unterschiede: Vereinsverbote des Bundesinnenministeriums werden vom Bundesverwaltungsgericht überprüft. Für ein Parteiverbotsverfahren braucht es zunächst einen Antrag. Den kann nur die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat stellen. Ob eine Partei dann tatsächlich verfassungswidrig ist und damit verboten wird, darüber entscheidet allein das Bundesverfassungsgericht.
Drei zentrale Fragen für Parteiverbot
2017 hat das Bundesverfassungsgericht im NPD-Verbotsverfahren die Voraussetzungen für ein Parteiverbot konkretisiert. Danach kommt es für ein Parteiverbot im Grunde auf drei Fragen an: Verfolgt die Partei verfassungsfeindliche Ziele? Geht sie planvoll gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Verfassung vor? Und hat sie politisch so viel Einfluss, dass sie ihre Ziele möglicherweise umsetzen könnte?
Karlsruhe würde also bei einem entsprechenden Antrag zunächst prüfen, ob die AfD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Deren Politik müsste die "unentbehrlichen Grundprinzipien" unserer Verfassung, also Menschenwürde, Demokratie oder Rechtsstaat angreifen, so das Bundesverfassungsgericht 2017. Auch wenn es Innenminister Alexander Dobrindt gelegentlich anders sagt: Zwischen den Grundprinzipien steht ein "oder". Es reicht also, wenn eine Partei eines davon angreift.
Die Menschenwürde würde wie im Compact-Verfahren also auch in einem Verbotsverfahren gegen die AfD im Zentrum stehen. Und dabei ginge es vor allem auch um den "ethnisch-abstammungsmäßigen" Volksbegriff. Dass dieser gegen die Menschwürde und damit gegen die Verfassung verstößt, hat auch das Bundesverwaltungsgericht sehr deutlich klargestellt.
Zurechnung von Aussagen entscheidend
Entscheidend für ein Parteiverbot wäre, ob man der Partei durch genügend Belege nachweisen kann, dass sie diesen Volksbegriff vertritt, auch wenn es im Parteiprogramm anders steht. Das Verfassungsgericht würde also prüfen, ob man die Aussagen zum Beispiel von Vorstandsmitgliedern und Abgeordneten der Partei als Ganzes zurechnen kann. Das dürfte in einem Parteiverbotsverfahren - anders als im Compact-Verfahren - die größte Hürde sein. Die anderen Voraussetzungen dürften dann wesentlich klarer erfüllt sein.
Gelegentlich wird zwar behauptet, eine Partei müsse aktiv kämpferisch und aggressiv gegen die Verfassungsordnung vorgehen, so wie es das Bundesverfassungsgericht noch in den 1950er-Jahren im KPD-Urteil verlangt hatte. 2017 hat Karlsruhe aber eindeutig klargestellt: Es reicht, wenn eine Partei "planvoll" ihre verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt. Selbst wenn sie das ganz ohne Gewalt mache und nur mit legalen Mitteln arbeite, könne eine Partei verfassungswidrig sein, wenn durch sie die Demokratie in Gefahr ist.
Anders als bei der NPD 2017 könnte die AfD aufgrund ihrer Wahlergebnisse auch in die Lage kommen, ihre Ziele umzusetzen. Daran würde es also mit Sicherheit nicht scheitern.
Andere Inhalte dürften zweitrangig sein
Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Compact-Urteil darauf abgestellt, dass in dem Magazin auch viele andere von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckte Inhalte enthalten seien. Die verfassungswidrigen Aktivitäten seien also noch nicht prägend für das Compact-Magazin. Daran ist das Verbot gescheitert.
Auch eine Partei verfolgt natürlich viele unterschiedliche Ziele. In einem Parteiverbotsverfahren dürfte dies aber keine Rolle spielen. Hier kommt es einzig darauf an, ob eine Partei planvoll ihre verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt und möglicherweise umsetzen kann. Dann ist ein Verbot zum Schutz der Demokratie möglich, auch wenn sie noch andere verfassungsgemäße Ziele verfolgt.
Aber natürlich ist auch ein Parteiverbotsverfahren kein Selbstläufer. Und ob man ein solches anstrengen will, ist zunächst eine politische Entscheidung.
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