Beim Bundesverfassungsgericht müssen drei Stellen neu besetzt werden. Der Wahlausschuss des Bundestags soll heute eine Empfehlung abgeben. Ob die Wahl dann erfolgreich verlaufen wird, ist völlig offen.

Wer wählt die Richter des Bundesverfassungsgerichts?

Grundsätzlich werden die 16 Richterinnen und Richter jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Durch diese Form der Wahl, insbesondere durch vom Volk gewählte Gremien, erhalten sie ihre demokratische Legitimation. Aktuell ist der Bundestag für die Nachbesetzung der drei Stellen zuständig. In einem ersten Schritt wird sich der Richterwahlausschuss des Parlaments mit den Personalien befassen. Die Sitzung soll heute Abend stattfinden.

Der Ausschuss hat insgesamt zwölf Abgeordnete. Diese schlagen dem Gesamtparlament Kandidaten zur Wahl vor. Die eigentliche Wahl erfolgt dann im Plenum des Bundestages. Sie ist für den kommenden Freitag angesetzt. Bei erfolgreicher Wahl würden die Richterinnen bzw. Richter anschließend vom Bundespräsidenten ernannt. Ihre Amtszeit endet nach zwölf Jahren oder am Ende des Monats, in dem sie 68 Jahre alt werden.

Welche Mehrheit ist bei der Richterwahl nötig?

Sowohl für den Vorschlag des Wahlausschusses als auch für die Wahl im Plenum ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Ein wichtiges Merkmal der deutschen Richterwahl ist daher, dass ein recht großer Konsens zwischen Regierung und Opposition über die Kandidaten gesucht werden muss. Das unterscheidet das deutsche System zum Beispiel von den Vereinigten Staaten, wo mit einfacher Mehrheit gewählt wird. Extrem polarisierende Kandidaten sollen so keine Chance haben.

Wer sucht die Kandidatinnen und Kandidaten aus?

CDU/CSU und SPD wechseln sich traditionell mit dem Vorschlagsrecht ab. Allerdings hat schon vor vielen Jahren die SPD ihr Vorschlagsrecht auch schon mal an die Grünen abgetreten, die Union ihres an die FDP. Die Linke und die AfD blieben bisher außen vor. Trotz des Vorschlagsrechts einer Partei muss aber immer die nötige Zweidrittelmehrheit gefunden werden.

Nach der letzten Bundestagswahl haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament geändert. Union, SPD und Grüne haben gemeinsam keine Zweidrittelmehrheit mehr. Sie sind deshalb auf die Linke angewiesen.

Gibt es eine öffentliche Anhörung wie in den USA?

Nein, die gibt es nicht. Vorgespräche mit Kandidatinnen und Kandidaten werden vor einer Wahl nur nicht öffentlich geführt. Lange Zeit lief die Wahl im Bundestag allein über den Wahlausschuss von 12 Abgeordneten. Seit 2015 ist der gesamte Bundestag für die Wahl zuständig. Die Kritik, dass das Wahlsystem zu wenig transparent ist, lässt sich nicht von der Hand weisen und ist quasi ein "Dauerbrenner". Gleichzeitig kann man aber durchaus sagen, dass das System über Jahrzehnte funktioniert und insgesamt gesehen zu guten Ergebnissen geführt hat. Das Gericht hat - mit vergleichsweise unbekannten Richterinnen und Richtern - eine breite Akzeptanz als Kontrollinstanz.

Wer steht aktuell zur Wahl?

Für einen der Richterposten hat die Union das Vorschlagsrecht. Ihr ursprünglicher Kandidat scheiterte aber vor allem am Widerstand der Grünen. Zuletzt machte das Bundesverfassungsgericht deshalb eigene Vorschläge für die Nachbesetzung, was nach den gesetzlichen Vorschriften im Falle einer fehlenden Einigung zwischen den Parteien auch so vorgesehen ist. Einer der Vorschläge aus Karlsruhe war Günter Spinner, derzeit Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht. Diesen Vorschlag hat die Union nun übernommen.

Für zwei weitere Stellen hat die SPD das Vorschlagsrecht. Sie hat die Rechtsprofessorinnen Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold nominiert.

Wie realistisch ist eine Einigung?

Dies gilt derzeit als offen. Wichtig ist vor allem, dass es der Koalition von Union und SPD gelingt, neben den Grünen auch die Linksfraktion mit ins Boot zu holen. Sie ist aufgrund der notwendigen Zweidrittelmehrheit das Zünglein an der Waage. Die Linke ist derzeit aber gerade auf die Union nicht gut zu sprechen. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Union nicht bereit war, ihre Fraktionschefin Heidi Reichinnek als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu wählen, das die Geheimdienste kontrolliert. Daraufhin hat die Linke mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht, auch beim Thema Richterwahl.

Zugleich hat sie deutlich gemacht, dass sie künftig eigene Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen möchte. Weiteres Problem: In der CDU gilt ein Unvereinbarkeitsbeschluss, der jede Zusammenarbeit mit der Linken untersagt. Das macht eine Verständigung mit der Linken ebenfalls schwierig. Auch zwischen Union und SPD knirschte es zuletzt gewaltig. Einige Unionspolitiker hatten die von der SPD nominierte Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf scharf kritisiert und erklärt, sie sei nicht wählbar. Ihr wurde unter anderem vorgeworfen, sich für ein liberales Abtreibungsrecht stark zu machen.

Die AfD-Fraktionsspitze will den Unions-Kandidaten wählen. "Das werden wir auch als Vorstand der Fraktion vorschlagen", sagte die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Spinner mache "auf uns einen vernünftigen Eindruck", sagte Weidel.  Die beiden Kandidatinnen, die die SPD für weitere Richterämter vorschlagen will, werde die Fraktion dagegen nicht unterstützen.

Was passiert, wenn die Wahlen im Bundestag scheitern?

Die frühere Ampel-Regierung hatte in der vergangenen Legislaturperiode bereits erkannt, dass es aufgrund der neuen politischen Mehrheitsverhältnisse künftig schwierig werden könnte, im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit zustande zu bringen - auch hinsichtlich der Wahl von Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts. Daher wurde Ende des vergangenen Jahres ein sogenannter "Ersatzwahlmechanismus" eingeführt. Konkret: Wenn im Bundestag keine Einigung gelingt, dann "kann sein Wahlrecht auch vom anderen Wahlorgan ausgeübt werden". Geregelt wurde dies in § 7a Absatz 5 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG).

Das bedeutet: Wenn sich die Parteien im Bundestag nicht einigen, könnte irgendwann der Bundesrat einspringen und den Wahlakt übernehmen.

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