Wie können die Pflegekosten in einer älter werdenden Bevölkerung finanziert werden? Vorschläge sollen von der Arbeitsgruppe von Bund und Ländern kommen. Schon kurz nachdem sie ihre Arbeit aufgenommen hat, gibt es Kritik daran. Worum geht es?
Angesichts immer höherer Milliardenkosten für die Pflege wollen Bund und Länder Vorschläge für eine umfassende finanzielle Absicherung entwickeln. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Zukunftspakt Pflege" soll nun Eckpunkte für eine Reform der Pflegeversicherung vorlegen. Diese sollen dann im kommenden Jahr in ein Gesetzgebungsverfahren einfließen, teilte die Gruppe am Montag mit. "Wir brauchen kein Reförmchen, wir brauchen eine grundlegende Reform", sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) nach der Auftaktsitzung in Berlin.
Der im Koalitionsvertrag von Union und SPD vorgesehenen AG für einen "Zukunftspakt Pflege" gehören für den Bund auch Familienministerin Karin Prien (CDU) und weitere Ministerien an, auf Länderseite die für Pflege zuständigen Ressortchefs. Beteiligt sind zudem die kommunalen Spitzenverbände und die schwarz-roten Koalitionsfraktionen im Bundestag.
Was ist das Problem?
Die Zahl der Menschen, die Pflegeleistungen bekommen, nimmt deutlich zu - und zwar "in stärkerem Maße, als durch die Alterung der Gesellschaft erwartbar ist", wie das Statistische Bundesamt erläuterte. Hintergrund ist eine Reform von 2017, die weiter gefasste Kriterien für die Einstufung einer Pflegebedürftigkeit einführte. Aktuell gibt es 5,6 Millionen Leistungsempfänger, nachdem es 2019 noch 4,0 Millionen gewesen waren. Bis 2055 könnte es nach einer Prognose der amtlichen Statistiker einen Anstieg auf 7,6 Millionen Pflegebedürftige geben.
Die Kosten für die Pflege steigen: Die Ausgaben der Pflegeversicherung stiegen im vergangenen Jahr auf 63,2 Milliarden Euro nach knapp 57 Milliarden Euro 2023. Im Jahr 2014 waren es noch 24 Milliarden Euro gewesen und 2019 gut 40 Milliarden Euro. Ein großer Kostenfaktor sind dabei steigende Personalausgaben für dringend benötigte Pflegekräfte. Seit 2022 darf es Versorgungsverträge der Pflegekassen nur noch mit Heimen geben, die nach Tarifverträgen oder ähnlich bezahlen.
Für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bedeutet das, dass sie einen Teil selbst zahlen müssen - und der steigt und steigt. Denn die Pflegeversicherung trägt anders als die Krankenversicherung nicht die vollen Kosten. Für die rund 800.000 Pflegebedürftigen in Heimen kommen Unterkunft und Verpflegung dazu, weitergegeben werden auch Umlagen für Investitionen in den Heimen und Ausbildung. Anfang 2025 summierte sich das nach Kassendaten im ersten Jahr des Heimaufenthalts im Bundesschnitt auf fast 3.000 Euro im Monat.
Was ist das Ziel der Arbeitsgruppe?
Die Gruppe soll Eckpunkte erarbeiten, um dann Anfang 2026 in die Gesetzgebung zu starten. Warken sagte, Bürger und Bürgerinnen müssten sich darauf verlassen können, dass sie im Pflegefall unterstützt werden.
Bundesfamilienministerin Prien betonte, dass 86 Prozent der Pflege zu Hause geleistet werde. Hier seien pflegende Angehörige "die stillen Helden und Heldinnen". Auch sie sollten entlastet und entsprechende gesetzliche Vorgaben geschaffen werden. Sie will deshalb das Familienpflegezeit-Gesetz noch in diesem Jahr anpacken. Es soll mit dem Pflegezeitgesetz zusammengeführt werden.
Zu konkreten Ideen auch für die Unterstützung der Pflege zu Hause sollen jetzt zwei Facharbeitsgruppen tagen. Die Eckpunkte des Reformkonzepts sollen im Dezember vorliegen.
Welche Vorschläge gibt es?
Diverse Vorschläge für eine Finanzreform liegen längst auf dem Tisch: von mehr Steuermilliarden über Deckel für Eigenanteile bis zu einem Umbau des Modells zu einer Vollversicherung, die alle Pflegekosten trägt. Die Pflegekassen fordern auch, dass der Bund Milliardenausgaben aus der Corona-Krise erstattet und Rentenbeiträge für pflegende Angehörige übernimmt.
Die Bund-Länder-AG soll auch Anreize für mehr Eigenvorsorge prüfen - und den Umfang von Leistungen.
Welche Entlastungen gibt es schon?
Die Finanznöte in der Pflege sind schon chronisch geworden. Anfang 2025 kam die nächste Beitragsanhebung nach der vorherigen im Sommer 2023. In diesem Jahr erwartet die Pflegeversicherung ein Minus von 166 Millionen Euro. Die Bundesregierung will zur Stabilisierung ein Darlehen von 500 Millionen Euro zuschießen und 2026 noch eins von 1,5 Milliarden Euro. Damit im nächsten Jahr nicht gleich wieder Beitragserhöhungen kommen müssen, fehlt aber noch Geld. Die Finanzspritzen sollen jetzt Zeit schaffen, um die große Reform anzugehen.
Einige Kostendämpfer haben vorherige Bundesregierungen schon installiert. So bekommen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner inzwischen angehobene Zuschläge, die den Anstieg der Zuzahlungen für die reine Pflege mildern sollen. Die Pflegekassen kostet das immer mehr - für 2025 wird ein Anstieg auf 7,3 Milliarden Euro erwartet, heißt es in einem Bericht des Bundesrechnungshofs. Das Pflegegeld für Menschen, die zuhause betreut werden, wurde 2024 nach mehreren Jahren wieder erhöht. Ein Bundeszuschuss wurde aber gestrichen.
Warum gibt es schon jetzt Kritik?
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, nannte den Auftakt für eine Pflegereform "enttäuschend". Die Bund-Länder-Kommission verzweige sich in zwei Arbeitsgruppen und werde in einer Vielzahl von Workshops verästelt. "Der 'Zukunftspakt Pflege' verabschiedet sich damit ins Klein-Klein, obwohl die Probleme seit Jahren bekannt sind", so Brysch. Der "Zukunftspakt Pflege" könne nur gelingen, wenn Bund und Länder ihrer Finanzierungspflicht nachkämen. Erst dann könne über eine konkrete Ausgestaltung der einzelnen Leistungen solide verhandelt werden.
Der Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherung, Florian Reuther, betonte, die Bundesregierung müsse jetzt den Mut aufbringen, die Eigenverantwortung zu stärken und die private Vorsorge zu fördern. Ein weiterer Ausbau der Leistungen im Umlagesystem der Sozialen Pflegeversicherung sei angesichts der massiven demografischen Herausforderungen finanzpolitisch nicht tragbar.
Der Vorstandschef der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, kritisierte, dass die Kassen nicht an den Gesprächen in der Bund-Länder-Gruppe beteiligt würden. Er habe Zweifel, dass "eine Bund-Länder-Kommission ohne Berücksichtigung der Pflegekassen und anderer wichtiger Akteure der Pflege der richtige Ansatz ist", sagte Storm der "Rheinischen Post".
Die von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) geplanten Darlehen zur Entlastung der Pflegekassen seien zudem nicht zielführend. "Die Pflegekassen benötigen vielmehr kurzfristig die Rückzahlung der Coronahilfen in Höhe von 5,2 Milliarden Euro. Und anschließend brauchen wir eine große Pflegereform mit nachhaltigen Strukturveränderungen", so der DAK-Chef.
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