Keine Eile - das ist Kanzler Merz' Position zu einer erneuten Richterwahl. Anders sehen das die Grünen und schreiben einen Brief an die Koalitionsfraktionen. Erstmals meldet sich auch Unionsfraktionschef Spahn zu Wort.
Die Grünen im Bundestag drängen die Koalition, eine Sondersitzung zur Wahl von drei Verfassungsrichtern noch in dieser Woche zu ermöglichen.
Die Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann forderten ihre Amtskollegen Jens Spahn von der Union und Matthias Miersch von der SPD in einem Brief auf, "die Durchführung einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages für diese Woche zu beantragen mit dem Ziel, die Wahl der drei vom Richterwahlausschuss nominierten Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht vorzunehmen". Das Schreiben liegt der Nachrichtenagentur dpa vor.
"Wir halten es für unverantwortlich, diese wichtige Entscheidung des Bundestags über Wochen offenzulassen", mahnen die Grünen-Fraktionschefinnen.
Es sei auch eine Frage des Respekts den Kandidierenden gegenüber. Diese hätten sich seit Wochen auf die Wahl vorbereitet. Ihnen gegenüber bestehe eine Verantwortung nach gemachten Zusagen und dem klaren Votum des Richterwahlausschusses.
Widerstand gegen SPD-Kandidatin
Am Freitag waren die Wahlen zweier neuer Richterinnen und eines Richters für Karlsruhe kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags abgesetzt worden. Der Druck gegen die von der SPD vorgeschlagene Potsdamer Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf war in der Union zu groß geworden. Die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren.
Die Grünen forderten schon an diesem Tag einen Neuanlauf bei einer Sondersitzung in der laufenden Woche und untermauerten dies nun mit dem Brief. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte allerdings am Sonntag im ARD-Sommerinterview erklärt, bei der Wahl gebe es keine Eile.
"Dimension der Bedenken unterschätzt"
Am Montag hatte CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn erstmals öffentlich eingeräumt, dass auch er einen Anteil an der missglückten Richterwahl habe. In einem Brief an die Unionsfraktion schrieb er, dass die positive Bilanz der Koalition dadurch "überschattet wurde, ärgert mich sehr". Der Brief liegt mehreren Medien vor.
"Die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen eine der Kandidatinnen haben wir unterschätzt", gestand Spahn ein. "Die Notbremse am Freitag kam zu spät." Zu dem Zeitpunkt sei man nicht mehr in der Lage gewesen, einen Kompromiss mit der SPD zu finden.
"Der letzte Freitag war für die Koalition ein schwerer Tag. Da gibt es nichts schönzureden", räumte Spahn ein. "Auch wenn eine vertagte Richterwahl sicher keine Staatskrise ist." Spahn schrieb weiter, es bestehe keine Eile, eine Lösung zu finden, weil das Verfassungsgericht voll arbeitsfähig sei.
"Nicht gut gewappnet"
Union und SPD hätten einen Anteil daran gehabt, dass man am Freitag keine Lösung mehr habe finden können, so Spahn. Die Koalitionsfraktionen seien "nicht gut gewappnet" gewesen gegen eine von außen kommende Emotionalisierung und Polarisierung.
Spahn bedauerte, dass dabei der Eindruck entstanden sei, ein Plagiatsverdacht sei die zentrale Kritik an der Kandidatin gewesen. Man dürfe nicht zulassen, dass die Meinung von Unionspolitikern zum Thema Abtreibung als "rechts oder gar rechtsextrem diffamiert" werde. Etliche Unionspolitiker hatten ihren Widerstand gegen Brosius-Gersdorf mit deren Haltung zum Schwangerschaftsabbruch begründet.
Brosius-Gersdorf wird allerdings laut übereinstimmenden Medienberichten nicht auf ihre Kandidatur verzichten. Sie will demnach am Dienstag eine entsprechende Erklärung abgeben.
Dagmar Pepping, ARD Berlin, tagesschau, 15.07.2025 05:19 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.