Zu viele, zu teuer: Schwarz-Rot hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, weniger Bundesbeauftragte zu beschäftigen. Einige Ämter wurden tatsächlich abgeschafft. Wofür sind die Beauftragten gut?

Gitta Connemann ist ansprechbar für die Sorgen und Probleme des Mittelstandes - und die sind so vielfältig wie der Mittelstand selbst. In den vergangenen Tagen hat die CDU-Politikerin zum Beispiel mit einem Handwerker gesprochen, der sich darüber aufregt, dass er einen Leiterbeauftragten benennen muss - "zu Recht", meint Connemann.

Der Leiterbeauftragte ist für viele ein Paradebeispiel für überbordende Bürokratie: ein extra aufwändig geschulter Mitarbeiter, nur um Leitern und Tritte zu prüfen. Der aufgebrachte Handwerker hat Connemann mit der Frage konfrontiert: "Muss das sein, traut ihr mir nicht zu, nach 45 Jahren Berufstätigkeit eine Leiter ohne Leiterschein zu besteigen?", erzählt sie in ihrem Berliner Abgeordnetenbüro.

Seit 2002 sitzt Connemann im Bundestag. Seit diesem Jahr ist sie die Beauftragte der Bundesregierung für den Mittelstand, angedockt beim Wirtschaftsministerium.

Wichtige Sorgen der Bürgerinnen und Bürger

Manche Fragen, die an sie herangetragen werden, sind sehr individuell. Aber manche trägt sie weiter in die Bundesregierung hinein. Wie die Sorge einer Gründerin, die schwanger wurde und dann erkannt hat, dass sie als Selbstständige keinen Mutterschutz genießt. Eine Lücke im Gesetz, die geschlossen werden muss, meint Connemann. "Hinter manchen Fragen stecken Aufträge für eine Bundesregierung."

Während Connemann den Blick meistens ins Innere Deutschlands richtet, schaut ihr SPD-Kollege Lars Castellucci eher raus. Er ist seit diesem Jahr der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, angedockt beim Auswärtigen Amt.

Die Lage sei ernst, sagt er, die Menschenrechte global immer mehr unter Druck. Castellucci will in den nächsten Jahren laut sein für die Humanität. Als Bundesbeauftragter könne er seine Stimme bei diesen Themen unbequemer erheben als die Kollegen, die in diplomatische Prozesse eingebunden sind, erklärt er.

Castellucci beschäftigt der Fall Maja T.

Zwar gebe es auch in Deutschland Menschenrechtsverletzungen, zum Beispiel, wenn Menschen untertauchen und dann ihre Kinder nicht ordentlich beschulen, erklärt Castellucci. Aber in erster Linie beschäftigen ihn Menschenrechtsverletzungen im Ausland, und diese Blickrichtung wird ihm auch öfter vorgeworfen.

"Man spürt, dass viele denken: Kümmere dich erst mal um uns", sagt er. Aber in solchen Momenten werbe er dafür, dass Deutschland Probleme wie Migration oder den Klimawandel nicht allein lösen könne.

Wie Connemann ist auch der Menschenrechtsbeauftragte Castellucci ansprechbar für die Ängste und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. Gerade beschäftigt ihn der Fall Maja T. - die zur linken Szene gehörende non-binäre Person ist derzeit in Ungarn in Haft. T. wird vorgeworfen, bei einem SS-Gedenken in Budapest Rechtsextremisten angegriffen und schwer verletzt zu haben. Bei einer Verurteilung drohen bis zu 24 Jahre Haft.

Maja T. berichtet von Isolationshaft und von Diskriminierung. T. war im Dezember 2023 in Berlin verhaftet und im Juni 2024 nach Ungarn ausgeliefert worden - obwohl das Bundesverfassungsgericht dies untersagt hatte. Doch die Entscheidung aus Karlsruhe war wenige Minuten zu spät gekommen.

Wenig politisches Gewicht

Ob Maja T. nach Deutschland zurückgeholt werden kann, ist aktuell offen. Castellucci setzt sich dafür ein, Maja T. entweder in Deutschland vor Gericht zu stellen oder aber wenigstens dafür zu sorgen, dass die Haftbedingungen in Ungarn tragbar sind.

Um das zu erreichen, könnte er selbst nach Ungarn fahren und mit der Regierung von Präsident Viktor Orbán in Kontakt kommen. Sein Amt lässt das zu. Aber Castellucci setzt in dieser Frage eher auf das politische Gewicht von Außenminister Johann Wadephul. "Das muss ich realistisch einschätzen, ob sich Herr Orbán beeindrucken lässt vom Menschenrechtsbeauftragten", sagt er.

Das berührt einen Kritikpunkt an den Bundesbeauftragten: Sie hätten zwar viel Einblick, aber wenig Macht und seien in der Bevölkerung bei Weitem nicht bekannt genug. Für ihre Aufgaben werden sie gut mit Büros und Mitarbeitenden ausgestattet , und das kostet - der Hauptgrund, warum Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart hatten, die Zahl der Beauftragten zu halbieren.

Mehrere Beauftragte abgeschafft

Gitta Connemann von der CDU findet das richtig und spricht zum Ende der Ampelkoalition von einem "Beauftragtenunwesen", bei dem es nicht mehr um ein Thema gegangen sei, sondern darum, "Abgeordnete mit einem Titel zu versehen". Abgeschafft wurde beispielsweise die Start-up-Beauftragte (das macht Connemann jetzt mit), der Radverkehrsbeauftragte oder der Klimapolitikbeauftragte.

Der SPD-Politiker Castellucci sieht das kritischer als seine CDU-Kollegin. Für ihn ist das "Trump im Kleinen nach dem Motto: Am ersten Tag, an dem ich regiere, mache ich alles anders". Er respektiere den Willen, mit Steuergeldern gut umzugehen. Aber man hätte sich nicht genug Zeit genommen, um gründlich abzuwägen, was gebraucht wird und was nicht.

Welche Beauftragten der Bundesregierung und Bundesbeauftragten gibt es aktuell?
Name Beauftragte/r für
Thorsten Frei Nachrichtendienste des Bundes
Elisabeth Kaiser Ostdeutschland
Bernd Fabritius Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten
Felix Klein Jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus
Ellen Hirschinger Behandlung von Zahlungen an die Konversionskasse
Katharina Stasch Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle
Lars Castellucci Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe
Thomas Rachel Religions- und Weltanschauungsfreiheit
Gunther Krichbaum Deutsch-französische Zusammenarbeit
Knut Abraham Deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit
Metin Hakverdi Transatlantische zwischengesellschaftliche, kultur- und informationspolitische Zusammenarbeit
Gitta Connemann Mittelstand
Christoph Ploß Maritime Wirtschaft und Tourismus
Roland Weber Anliegen von Betroffenen von terroristischen und extremistischen Anschlägen im Inland
Sophie Koch Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt
Michael Brand Das Leben der Sinti und Roma in Deutschland und gegen Antiziganismus
Kerstin Claus Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
Ferda Ataman Antidiskriminierung
Jürgen Dusel Belange von Menschen mit Behinderungen
Natalie Pawlik Migration, Flüchtlinge und Integration / Antirassismus
Peter Weiß Sozialversicherungswahlen
Stefan Schwartze Belange der Patientinnen und Patienten
Hendrik Streeck Sucht- und Drogenfragen
Katrin Staffler Pflege
Ariane Kari Tierschutz
Kay Scheller Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung
Louisa Specht-Riemenschneider Datenschutz und Informationsfreiheit

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