Rund 17 Millionen Menschen in Deutschland leben allein - rund 17 Prozent mehr als vor 20 Jahren. Sie sind in höherem Maße von Einsamkeit und Armut betroffen.
In Deutschland leben rund 17 Millionen Menschen alleine. "Das ist gut jede fünfte Person (20,6 Prozent)", teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Demnach ist die Zahl der Alleinlebenden in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen - und zwar um rund 22 Prozent. Im Jahr 2004 lebten rund 14 Millionen Menschen alleine, ihr Anteil an der Bevölkerung betrug damals 17 Prozent.
Der Trend sei nicht wirklich neu, sagt Soziologe Alexander Langenkamp von der Frankfurter Goethe-Universität. "Seit der Wiedervereinigung - aber auch davor in den alten Bundesländern - sehen wir, dass es immer mehr Einzelhaushalte gibt." Die Gründe sind vielfältig: Da sei der demografische Wandel mit immer mehr älteren Menschen, die dann auch durch Tod des Partners irgendwann alleine lebten, sagt der Experte.
Nicht nur negative Aspekte
Zudem gebe es eine Verschiebung der Normen: "Individualisierung wird mehr akzeptiert. Dass Leute alleine wohnen oder dass sogar Menschen in Partnerschaften in getrennten Wohnungen leben." Dazu komme die hohe berufliche Mobilität. Und durch die Bildungsexpansion gebe es mehr Leute, die finanziell unabhängig seien. "Gerade Frauen, die früher vielleicht noch auf einen Partner angewiesen waren, können es sich heutzutage leisten, alleine zu wohnen."
Die Zunahme der Alleinlebenden sei nicht per se eine schlechte Nachricht, sagt auch Janosch Schobin, der an der Universität Göttingen unter anderem zu Freundschaftssoziologie forscht. "Der Treiber dahinter ist aus meiner Sicht erst mal eine positive Wohlstandsentwicklung." Auch wenn das etwas überraschend sei, da unter den Alleinlebenden auch relativ viele ärmere Menschen seien. Zudem müsse man unterscheiden "zwischen denen, die sich autonom und bewusst dafür entscheiden und denen, die unfreiwillig alleine leben".
In höherem Maße von Armut bedroht
Alleinlebende sind laut den Daten besonders häufig von Armut bedroht. So waren nach den Ergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen 2024 rund 29 Prozent von ihnen armutsgefährdet. Diese Quote ist demnach fast doppelt so hoch wie die der Gesamtbevölkerung (15,5 Prozent).
Das könne daran liegen, dass Alleinlebende etwa im Fall einer Berufsunfähigkeit auf sich selbst gestellt seien. Oder daran, dass viele Senioren, eine Gruppe, in der Altersarmut eine Rolle spiele, alleine lebten, sagt Langenkamp. Der Statistik zufolge wohnt in der Altersgruppe 65plus gut jeder Dritte (34 Prozent) in einem Einpersonenhaushalt, bei den mindestens 85-Jährigen war es mehr als jede Zweite (56 Prozent).
"Diese Entwicklung ist auch Ausdruck wachsender sozialer Ungleichheit und ein Alarmsignal für die gesellschaftlichen Folgen von Armut", erklärte Fabian Steenken, Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz in Niedersachsen. "Wer arm ist, lebt häufiger allein und wird systematisch ausgeschlossen."
Mehr Frauen als Männer
"Aber auch unter den jungen Erwachsenen zwischen 25 und 34 Jahren war der Anteil mit 28 Prozent überdurchschnittlich hoch", erklärten die Statistiker. Das Bundesamt gab die Zahlen auf Basis von Erstergebnissen des Mikrozensus 2024 bekannt. Demnach leben Frauen den Daten zufolge etwas häufiger alleine (21 Prozent) als Männer (20 Prozent). Das liege im hohen Alter vor allem an der früheren Sterblichkeit der Männer, sagt Schobin.
Quote in Deutschland besonders hoch
Der Anteil der Alleinlebenden in Deutschland liegt deutlich über dem EU-Schnitt von 16,2 Prozent. Laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat lebten nur in den fünf nord- beziehungsweise nordosteuropäischen Staaten Litauen (27 Prozent), Finnland (26 Prozent), Dänemark (24 Prozent) sowie Estland (22 Prozent) und Schweden (22 Prozent) anteilig noch mehr Menschen alleine. Am niedrigsten war der Anteil in der Slowakei (3,5 Prozent), in Irland (8 Prozent) und Polen (9 Prozent).
Das habe unter anderem damit zu tun, "dass bei uns die jungen Leute leicht an Arbeit kommen, früher ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen, früher unabhängig werden. Und dementsprechend früher einen eigenen Hausstand gründen können", sagt Schobin.
Alleinlebende einsamer als andere Menschen
Das Bundesamt verweist auf die Zeitverwendungserhebung aus dem Jahr 2022, wonach sich gut jede vierte alleinlebende Person (26) oft einsam fühlt. Im Durchschnitt der Bevölkerung ab zehn Jahren waren es 16,3 Prozent.
Alleine leben und Einsamkeit seien nur bedingt miteinander verbunden, betont Langenkamp. "Das eine ist der Zustand, wie ich wohne, das andere ist ein Gefühl." Man könne umgeben von Menschen sein und sich einsam fühlen. Man könne aber auch alleine leben und glücklich sein.
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