Er war, als ich als junger Mensch das Theater kennenlernte, einer der Fixsterne am Horizont. Einer, der heller leuchtete als die anderen. Immerwährend, wie es schien. Wo Claus Peymann auf der Affiche stand, da wurde Theatergeschichte geschrieben. 

Legende: Claus Peymann im Renaissance Theater Berlin. (25.05.2022) KEYSTONE/DPA/Jens Kalaene

Peymann war ein Künstler, der Generationen in ihrer Theatersozialisation geprägt hat. Mit virtuosem Schauspielertheater: Claus Peymann, das bedeutet auch eine illustre Spielerinnen- und Spielerfamilie, die immer wieder in seinem Theater zu erleben war. 

Künstlerische Komplizenschaften 

Seit seinen Anfängen zeichnete Peymann eine seltene Wachheit gegenüber dem zeitgenössischen dramatischen Schaffen aus. Claus Peymann und Peter Handke, Claus Peymann und Thomas Bernhard, auch (wenngleich komplizierter) Claus Peymann und Elfriede Jelinek. Das waren zum Teil ausgesprochen langjährige, künstlerisch ertragreiche Komplizenschaften. In seinem Dramolett «Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen» hat Thomas Bernhard dem Theaterleiter und seiner Ästhetik in den 1980er-Jahren ein schillerndes Miniaturdenkmal gesetzt. 

Seine politische Unbestechlichkeit zeichnete Peymann aus, eine Streitbarkeit, die zu zahlreichen Eklats vor, hinter und auf der Bühne geführt hat. Das griechische Wort «Skandalon» bezeichnet den Stein des Anstosses. Der Skandal, so verstanden, als Anstoss, war sein künstlerisches Credo. 

Skandal-Stücke 

Der Skandal war für Peymann so etwas wie ein Trojanisches Pferd. Tarnung für die künstlerischen und moralischen Botschaften, die er, der Lehrersohn, durchaus mit einer pädagogischen Ader unter die Leute bringen wollte. 

Angefangen mit der Uraufführung von Peter Handkes «Publikumsbeschimpfung» 1966 in Frankfurt. Über seine Zeit als Schauspieldirektor in Stuttgart in den 1970er-Jahren, wo er sich für die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin einsetzte und mit Alt-Nazis wie dem «furchtbaren Juristen» Hans Filbinger anlegte. In seinen Jahren als Intendant am Bochumer Schauspielhaus in den 1980er-Jahren. In seiner Zeit am Wiener Burgtheater von 1986 bis 1999 – eine lange, künstlerisch glanzvolle Ära. 

«Ihr Glotzaugen, ihr Rotzlecker, ihr Nichtsnutze!»

Legendär ist die Uraufführung von Thomas Bernhards «Heldenplatz» 1988. Das Stück zwang die Österreicherinnen und Österreicher exakt fünfzig Jahre nach dem «Anschluss» an Hitler-Deutschland zur Auseinandersetzung mit ihrer Nazi-Vergangenheit.

Der Skandal blieb nicht aus. Empörte Bürger kippten Mist vor das Burgtheater. Im Rückblick ist die Aufführung ein Meilenstein.

Peymann war ein unbestechlicher Beobachter

In Claus Peymanns künstlerischem Werdegang spiegeln sich die Kämpfe einer Nachkriegs-Generation, die endlich mit den braunen Überresten in Politik und Gesellschaft ganz aufräumen wollte, mit dem «Staub von tausend Jahren», wie es ein Slogan sagte. 

Einer der grössten Theaterskandale in der Geschichte Österreichs

Als Claus Peymann zur Jahrtausendwende nach Berlin wechselte, an das von Bertolt Brecht gegründete Berliner Ensemble, war er an seinem erklärten Wunschziel. Im Nachwende-Deutschland wirkte sein Theater aber bald etwas in die Jahre gekommen. Im Gegensatz zu ihm selbst – der bis zu seinem Tod ein wacher, streitbarer, unbestechlicher Beobachter und Kommentator blieb.

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