Die Berliner Clubcommission hat ein Antisemitismusproblem. Darauf deuten zumindest erneut mehrere Vorfälle der jüngsten Vergangenheit hin. Der Interessenverband der hiesigen Clubszene, der sich seinem Selbstverständnis nach verpflichtet hat, Clubkultur als vielfältige, diskriminierungsfreie Räume zu sichern und Inklusion zu fördern – und dafür durch Mittel des Berliner Senats finanziert wird –, hatte sich eigentlich vorgenommen, sich intensiver mit dem Thema Antisemitismus auseinanderzusetzen, nachdem er für sein Statement zum Hamas-Terror vom 7. Oktober viel Kritik einstecken musste.

Fast apathisch wirkte eine Instagram-Kachel zum Jahrestag, die wie ein nüchternes Trauergedächtnis an ein Busunglück erinnerte: „In Gedenken an die unschuldigen verlorenen Leben“ – ohne ein Wort zu Hamas, Terror, Antisemitismus oder den jüdischen Opfern.

Auch das damalige Vorstandsmitglied der Clubcommission und Mitbegründerin der hauseigenen „Awareness Akademie“, Lewamm Ghebremariam, fiel in diesem Zusammenhang negativ auf: Sie versah auf Instagram einen Beitrag mit einem Herz-Emoji und dem Kommentar „Just a reminder“, der den Hamas-Angriff als legitimen „Widerstand“ gegen „Besatzung und Apartheid“ darstellte. Zudem teilte sie eine Story mit dem Slogan „Free Palestine from German guilt“ – eine Aussage, die in Medien wie „Tagesspiegel“, „taz“ und „Jungle World“ scharf kritisiert wurde.

Entwicklungen, die den Mitgründer der Clubcommission und langjährige prägende Stimme der Berliner Clubszene, Sascha Disselkamp, im Oktober vergangenen Jahres dazu veranlassten, seinen Rücktritt aus dem Vorstand bekanntzugeben – aus Protest gegen die unzureichende Verurteilung des Hamas-Terrors und die mangelhafte Auseinandersetzung mit Antisemitismus im Verband.

Jetzt setzen sich die problematischen Tendenzen fort: Das 2024 neu gewählte Vorstandsmitglied Zuher Jazmati sorgt erneut für Kontroversen. Jazmati, besser bekannt als „Xanax Attax“ – DJ, Podcaster und Mitbegründer des queer-arabischen Pop-Kollektivs „ADIRA“ – markierte vor Kurzem auf Instagram einen Beitrag der „Student Coalition Berlin“ mit einem „Gefällt mir“ – einer Gruppe, die immer wieder durch antisemitische und terrorverherrlichende Parolen im Zusammenhang mit Hochschulbesetzungen auffällt.

Der Post zeigte eine Palästina-Flagge sowie einen Paraglider – eine eindeutige Anspielung auf den Hamas-Angriff auf das Nova-Festival – und war mit den Worten „...until total liberation“ versehen. Der begleitende Aufruf mobilisierte zur Teilnahme am „Palästina-Block“ der „International Queer Pride“, beschuldigte Israel des Völkermords und endete mit der Parole „Stonewall was an Intifada“.

Nachdem unter anderem Journalist Nicolas Potter und der Autor dieses Beitrags Kritik äußerten, reagierte Jazmati mit einer Instagram-Story, in der er sich demonstrativ mit einer Cap zeigte, auf der ein rotes Dreieck prangt. Das Symbol wird unter anderem in der israelfeindlichen „Pro-Palästina“-Szene als Ausdruck von Solidarität mit der Hamas verwendet, da es an Zielmarkierungen in deren Propagandavideos erinnert. Seine Kritiker bezeichnete Jazmati zudem als „antideutsche Propagandisten und erfolglose DJs“.

Letzten Freitag deutete er dann in einer weiteren Instagram-Story an, offenbar nicht mehr dem Vorstand der Clubcommission anzugehören, und sprach von einer vermeintlichen „rassistischen Shitshow“ der vergangenen Wochen. Von Seiten der Clubcommission gab es dazu bislang keine öffentliche Stellungnahme.

Dazu reiht sich ein weiterer Vorfall: Für eine Jury, die im Rahmen eines Open Calls darüber entscheidet, welche Kollektive, Crews und Initiativen die ehemalige Feuerwache Tempelhof von August bis Oktober für clubkulturelle Veranstaltungen nutzen dürfen, berief die Clubcommission ausgerechnet die bekennende BDS-Unterstützerin Yuko Asanuma. Die in der Berliner Clubszene gut vernetzte Bookerin und Kuratorin teilt seit Monaten offen israelfeindliche bis antisemitische Inhalte auf ihrem Account bei „X“.

Bereits vier Tage nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober – bei dem unter anderem fast 400 junge Raver auf dem Nova-Festival ermordet, Frauen systematisch massenvergewaltigt und zahlreiche Geiseln verschleppt wurden – postete Asanuma auf „X“ ein Bild in zwei Teilen: Die obere Hälfte zeigt ein historisches Foto des Brandenburger Tors aus der NS-Zeit mit Nazi-Fahnen, die untere ein aktuelles Bild desselben Bauwerks, auf das die israelische Flagge projiziert wurde. Dazu schrieb sie auf Japanisch: „Deutschland (und viele EU-Länder) haben versucht, die Juden auszurotten, und unterstützen nun einen Staat, der die Palästinenser vernichten will. Es ist unerträglich, tatenlos zuzusehen, wie zwei Millionen Menschen im Gazastreifen getötet werden.“

Eigentlich nicht erwähnenswert, dass ein derartiger Vergleich, der den industriellen Massenmord an sechs Millionen europäischen Juden mit dem Verteidigungskrieg Israels gegen die Terrororganisation Hamas gleichsetzt, selbst nach der umstrittenen Antisemitismusdefinition der Jerusalem Declaration on Antisemitism (JDA) alle Kriterien des Antisemitismus erfüllt.

„Teil der zionistischen Propagandamaschine“

Nur wenige Wochen später retweetete Asanuma einen Beitrag der Holocaust-Gedenkstätte Auschwitz, in dem der Opfer des 7. Oktobers gedacht und Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen den Terror der Hamas bekräftigt wurde. Dazu schrieb sie: „Man kann nicht anders, als sich zu fragen, ob selbst die Auschwitz-Gedenkstätte inzwischen Teil der zionistischen Propagandamaschine geworden ist. Traurig.“

Als ob das nicht genug wäre, sitzt nun auch beim diesjährigen „Tag der Clubkultur“ – dem alljährlichen Event der Clubcommission, das mit einer Preisverleihung herausragende Clubs und Kollektive für ihren Einsatz für Community, gesellschaftlichen Zusammenhalt und kulturelles Engagement ehrt – mit Wanda Gaimes eine weitere israelfeindliche DJ und Aktivistin in der Jury. Gaimes ist Mitbegründerin des queer-feministischen Kollektivs „Lecken“ und Kuratorin des Diskursprogramms „WHOLE TALKS“ beim größten queeren Electronic-Festival Deutschlands, WHOLE. Auch das Festival geriet kürzlich in die Kritik, da dort tagelang Schilder mit den Aufschriften „Intifada is Queer“ und „FCK Zionist“ demonstrativ und weithin sichtbar präsentiert wurden, ohne dass die Veranstalter einschritten.

Auf diese Kritik reagierte Gaimes in einer Instagram-Story mit haltlosen und absurden Vorwürfen, wonach „antideutsche Informanten“ queere Veranstaltungen gezielt infiltrierten, um Besucher auszuspionieren und deren Daten direkt an die Polizei weiterzuleiten. Gleichzeitig verherrlichte sie jene, die die kontroversen Schilder präsentierten, als „Helden“.

Bereits Monate zuvor teilte die ehemalige Postdoktorandin und Dozentin an der Humboldt-Universität zu Berlin auf ihrem Instagram-Account ein Video, das die israelischen Geiseln Naama Levy und Karina Ariel bei ihrer medial inszenierten Geiselübergabe durch die Hamas zeigt. Darin bedanken sich die Geiseln scheinbar für ihre „gute Behandlung“ und halten ein sogenanntes „Freilassungszertifikat“ in der Hand. Gaimes versah das Video mit der Beschriftung „I$4aeli Hostage thanking Qassam Brigades for the humane Treatment“ – eine gezielte und zynische Verbreitung einer erzwungenen Propagandainszenierung, die die brutale Gewalt der Hamas verharmlost, das Leid der Opfer instrumentalisiert und darauf abzielt, das Bild der Terrororganisation zu beschönigen.

In einer weiteren Story veröffentlichte sie ein Bild, das im oberen Teil eine israelische Geisel der Hamas vor und vermeintlich nach ihrer Verschleppung zeigt, im unteren Teil hingegen einen palästinensischen Gefangenen der israelischen Armee, der als „Geisel“ bezeichnet wird, ebenfalls vor und nach seiner Haft. Dabei wird die israelische Geisel so dargestellt, als habe sie die Gefangenschaft unbeschadet überstanden, während der Palästinenser im Nachher-Bild stark abgemagert wirkt – ein manipulativer Propagandavergleich, der die Gewalt der Hamas relativiert, Israel dämonisiert und die Realität grob verzerrt.

Obwohl der israelfeindliche bis antisemitische Aktivismus der betreffenden Personen aufgrund ihrer öffentlichen Präsenz in den sozialen Medien weithin bekannt ist und der Clubcommission die Kritik an ihren Aktivitäten nicht entgangen ist, übt sie sich bislang in beharrlichem Schweigen. Es entsteht der Eindruck, die Kontroverse aussitzen zu wollen, ohne sich einer öffentlichen Debatte zu stellen oder Konsequenzen zu ziehen.

Diese taktische Ignoranz wirft die drängende Frage auf, wie es möglich sein konnte, dass zentrale Positionen und Plattformen des offiziellen Verbands der Berliner Clubkultur mit Personen besetzt wurden, die offen antisemitische Narrative verbreiten und den Terror der Hamas verharmlosen. Völlig unbegreiflich bleibt außerdem die Ernennung einer bekennenden BDS-Unterstützerin in die Jury einer Institution, die vorgibt, die gesamte Berliner Clubszene zu vertreten – und mit dieser Entscheidung ihre eigenen Werte ad absurdum führt.

Als maßgebliche Vertretung der Berliner Clubszene trägt die Clubcommission die Verantwortung, auf antisemitische und diskriminierende Entwicklungen entschieden zu reagieren und die Prinzipien ihrer eigenen Grundsätze zu schützen. Im Leitbild heißt es dazu:

„Bei uns ist kein Platz für Hass, Hassrede und Vorurteile, auch nicht für bestimmte Formen wie Antisemitismus, Klassismus, Rassismus, Sexismus und Rechtsextremismus [...] Durch eine Vielzahl von Initiativen wollen wir ein Umfeld der künstlerischen Freiheit und des freien Ausdrucks schaffen, in dem sich jeder ausdrücken, entwickeln und in der Clubkultur wohlfühlen kann.“

Vor diesem Hintergrund sind eindeutige, transparente und öffentlich nachvollziehbare Maßnahmen dringend erforderlich, mit denen die Clubcommission antisemitischen Tendenzen entschieden und nachhaltig entgegentritt.

Thorsten Sommer ist DJ und lebt in Berlin.

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