Die armen Männer! Sie haben die Macht verloren, die viele Jahrtausende lang ausschließlich ihnen gehörte und nicht den Frauen. Deshalb machen sie zurzeit eine Krise durch. Sie schütteln die Köpfe, sie flattern mit den Armen, als wollten sie sagen: Schaut her. Schaut, was mit mir gemacht wird! Sie beschweren sich lautstark darüber, wie gemein, wie unfair doch die Welt sei. Sie rufen um Hilfe. Manche ticken komplett aus und fangen an, wild um sich zu schlagen.

Mit anderen Worten, die Herren der Schöpfung erleiden in den westlichen Ländern gerade eben etwas, was bisher für eine rein weibliche Domäne gehalten wurde: Sie haben einen kollektiven hysterischen Anfall. Kann ihnen geholfen werden? Gibt es eine Möglichkeit, auch sie zu befreien und ihnen ein sinnerfülltes Leben jenseits des Patriarchats zu ermöglichen?

Ja, meint die amerikanische Feministin Jessa Chrispin; zunächst aber schlägt sie in ihrem Buch „What Is Wrong With Men“ (ungefähr: „Was stimmt mit den Typen nur nicht“) vor, die Misere der Männer anhand von Filmen zu studieren, in denen Michael Douglas die Hauptrolle spielte. Sie kamen seit dem Ende der Achtzigerjahre in die amerikanischen und europäischen Kinos und feierten damals große Triumphe.

Michael Douglas stammt aus einer Schauspielerdynastie; anhand seiner Karriere lässt sich genau bemessen, wie sich das Männerbild mit der Zeit verändert hat. Sein Vater Kirk Douglas spielte in der goldenen Ära von Hollywood noch heroische Cowboys, Kriegshelden, einen Profiboxer, den Helden Odysseus, den Revolutionär Spartacus – die Welt lag seinen Kinofiguren zu Füßen. Michael Douglas dagegen zog nie in den Krieg. Er arbeitete in Büros oder auf Polizeiwachen. Die Welt lag nicht wie ein offenes Schlachtfeld vor ihm, sondern wie ein Labyrinth. Er musste sich plagen, und daran waren naturgemäß die Frauen schuld.

Nehmen wir gleich den ersten ernsthaften Film, in dem Michael Douglas die Hauptrolle spielte: „Eine verhängnisvolle Affäre“. In der Epoche des Hochpatriarchats hatten erfolgreiche Männer das quasi gottgegebene Recht auf einen Seitensprung, wie Jessa Crispin mit Recht notiert. Sobald sie in der Hierarchie hoch genug gestiegen waren, durften sie mit ihren Sekretärinnen ins Bett hüpfen oder Kolleginnen flachlegen. Die Rolle der Nebenfrau war es, nach stattgehabter Affäre zu verschwinden. Sie hatte sich zu verdünnisieren, mit der Kulisse zu verschwimmen. Idealerweise starb sie: Das ist bekanntlich der Plot von „Madame Butterfly“, einer Oper, auf die in diesem Film an prominenter Stelle hingewiesen wird. Am Ende des dritten Akts begeht die japanische Geliebte, die zugunsten einer standesgemäßen Ehefrau zurückgewiesen wurde, Sepukku, um ihre Ehre wiederherzustellen. Tragisch, aber irgendwie auch praktisch!

„Eine verhängnisvolle Affäre“ handelt davon, was geschieht, wenn die Affäre sich weigert zu verschwinden: Dann kippt die Liebestragödie und wird zum Horrorfilm.

Dan heißt der Held der Geschichte. Er schafft in seiner Anwaltskanzlei den Aufstieg, seiner Frau und seiner Tochter geht es gut, er will für seine Familie ein Häuschen in der Vorstadt kaufen. Ergo geht es mit seiner Kollegin Alex in die Heia, und sie wird prompt davon schwanger. In der guten alten Zeit wäre es noch leicht gewesen, mit dieser blöden Situation umzugehen: Er hätte zum Beispiel die lästige Dame in der Nervenheilanstalt verschwinden und ihr Kind ins Waisenhaus schaffen lassen können. Durch den Sieg des Feminismus ist Dan den Attacken von Alex aber hilflos ausgeliefert. In einer berühmten Szene kommt er mit seiner Frau nach Hause und entdeckt, dass Alex das niedliche Haustier der Tochter, ein Kaninchen, auf dem Herd gekocht hat. Ein Versuch, die Nebenfrau umzubringen, schlägt fehl. Zu guter Letzt wird sie von der Ehefrau zur Strecke gebracht.

Jessa Crispin ist aufgefallen, dass „Eine verhängnisvolle Affäre“ gar nicht so sehr vom Kampf des Mannes mit der Nebenfrau handelt. Stattdessen treten hier zwei weibliche Klischees gegeneinander an: Hier die treusorgende Gattin (und Mutter), dort die kinderlose Feministin, die Karriere gemacht hat. Wundert sich jemand, dass am Ende die Gattin die Knarre in der Hand hält?

Der Film „Basic Instinct“ (dem wir die Schamhaarenthüllung von Sharon Stone verdanken) treibt die Sache einen entscheidenden Schritt weiter. Michael Douglas spielt hier keinen netten Vorstadtpapi, sondern einen alkohol- und drogensüchtigen Polizisten, der zwei Touristen erschossen hat und durch den Film stolziert wie ein alternder Rockstar. Sharon Stone spielt eine Krimiautorin, die heimlich Männer umbringt, die ihr emotional zu nahe kamen; ihr letztes Opfer war tatsächlich ein alternder Rockstar, dem sie einen Eispickel in den Schädel geschlagen hat. Müssen wir eigens erwähnen, dass sie natürlich bisexuell ist?

Die Autorin ist mit anderen Frauen befreundet, die Männer ermordet haben. Wenn man genauer hinschaut, schreibt Jessica Crispin, dann hatten alle Mörderinnen gute Gründe für ihre Taten: Die Männer wollten sie in einer von Neon beleuchteten Plastikwelt einsperren. Der von Michael Douglas verkörperte Polizist erweist sich im Verlauf des Films als rechte Kanaille, voller Verachtung für Schwule, Latinos, Schwarze und Frauen; die einzige Sexszene mit der Sharon-Stone-Figur gipfelt in einer Vergewaltigung. Weil sie ihn aber liebt, kommt es am Ende zum Versprechen einer Ehe plus Kindersegen; der Eispickel, mit dem die blonde Frau ihn eigentlich belohnen wollte, bleibt leider ungenutzt in seinem Versteck unter dem Kopfkissen.

Lebendig begraben und entkommen

Den Ausweg aus dem Gefängnis des Patriarchats weist der Film „The Game – Das Geschenk seines Lebens“. Michael Douglas spielt hier einen miesepetrigen alternden Patriarchen, der Angst vor seinem 48. Geburtstag hat, weil sein Vater just zu diesem Datum Selbstmord begangen hat. Der Patriarch hat einen jüngeren Bruder, einen fröhlichen Taugenichts, der ihm zum Ehrentag ein geheimnisvolles Spiel schenkt, das von einer auf Verschwörungen spezialisierten Firma eingefädelt wird. Und hinab geht es in ein finsteres Wunderland!

Als Seelenführerin durch die Unterwelt dient dem Patriarchen eine mysteriöse blonde Frau, die erst am Schluss ihr wahres Gesicht zeigt. Zunächst einmal findet der Held eine Clownspuppe; sie liegt genau an der Stelle vor seinem Haus, wo er als Kind den leblosen Körper seines Vaters gefunden hat. Dann wird das Haus verwüstet und seine Garderobe in Unordnung gebracht. Wenn er zur Arbeit gehen will, kommt ihm ständig etwas dazwischen. Sein Auto stürzt ins Wasser, er überlebt nur knapp.

Schließlich (wir überspringen ein paar Verwicklungen) sind seine Konten leergeräumt, und der Patriarch findet sich lebendig begraben auf einem Friedhof in Mexiko wieder. Er befreit sich, verkauft seufzend seine Armbanduhr – ein Geschenk seiner Mutter – und fährt mit dem Bus zurück nach San Francisco. Dort stellt er fest: Seine Villa ist leer, sie wurde verkauft. Das Spiel hat den Patriarchen um alles gebracht: seinen Ruf, sein Geld, sein Zuhause, seinen Job, er ist nichts mehr. Am Ende springt er wie einst Papa in den Tod, aber alles war gar nicht echt, er steht von den Toten wieder auf, sein Bruder begrüßt ihn mit einem Glas Sekt, seine Freunde applaudieren. Die blonde Seelenführerin ist eine Angestellte der auf Verschwörungen spezialisierten Firma und lädt ihn als Gleichberechtigte, nicht als Untergebene, auf einen Kaffee ein; Ende offen.

Was kommt jetzt? Wie sieht das Leben nach dem Exitus des Patriarchats aus, wenn der Mann all seine Statussymbole verloren hat, nicht mehr seinem selbstmörderischen Vater nacheifern muss und eigene Wege ins Offene gehen kann? Hierüber schweigt sich „The Game – Das Geschenk seines Lebens“ leider aus. Statt einer Lösung sehen wir nur: Punkt, Punkt, Punkt. Und auch Jessica Crispin weiß keine Antwort, obwohl ihr Buch außer der lesenswerten Analyse verschiedener Filme auch weitschweifige Passagen über Krieg, Frieden, Amerika, Hochleistungssport und andere theologische Probleme enthält. Dabei liegt die Lösung klar auf der Hand! Man muss nur für einen Augenblick Michael Douglas komplett vergessen.

2018 kam der Film „Ocean’s Eight“ in die Kinos, der zum Genre des Heist Movie gehört: Gezeigt wurde also ein intelligent geplanter und elegant ausgeführter Diebstahl. Sandra Bullock spielte hier den Kopf einer Gang aus acht Damen, die sich bei einer Galaveranstaltung ins Metropolitan Museum einschleichen, um dort großzügig Juwelen abzuräumen. Dass das Patriarchat tot ist, wird gleich am Anfang vorgeführt; da sitzt Sandra Bullock vor der Wandgrabstätte ihres verstorbenen Bruders. Später spricht sie in einem deutschen Redeschwall von einem (fiktiven) Ehemann, der mittlerweile dermaßen dement sei, dass er seine Pantoffeln im Eisfach des Kühlschranks vergessen habe. Eine treffendere Metapher für das Ende der Männerherrschaft kann man sich gar nicht ausdenken.

Der befreite Mann

Im Grunde geht es bei dem ganzen Diebstahl übrigens um Rache: Der Ex-Freund der Heldin hat sie verraten und der Polizei ausgeliefert, es ist nur gerecht, dass am Ende er für diesen Diebstahl verurteilt hat, den er nicht begangen hat.

Es gibt in „Ocean’s Eight“ indessen auch einen Mann, der kein kompletter Armleuchter ist: den Detektiv der Versicherungsgesellschaft, der den Fall’ aufklären soll. Gespielt wird er – unrasiert, übergewichtig, keineswegs humorlos – von dem Engländer James Corden. Dem Versicherungsdetektiv ist die Lösung des Falles von Herzen wurscht, er will seinen Vorgesetzten nur irgendetwas liefern, egal was. Mit der Sandra-Bullock-Figur verbindet ihn eine gar nicht so heimliche Sympathie. Als die Meisterdiebin ihm ihren miesen Ex-Freund auf dem Silbertablett serviert, greift er sofort zu. Der von James Corden gespielte Detektiv kümmert sich nicht um Eigentum und Macht; er ist stinkfaul und lebt eigentlich nur dem Genuss. Er ist der aus den Zwängen des Patriarchats befreite Mann.

Jessa Crispin:: What is Wrong With Men. Patriarchy, the Crisis of Masculinity, and How (Of Course) Michael Douglas Films Explain Everything. Pantheon, New York 2025. 288 S., ca. 20 Dollar

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