Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat entschieden, Moderatorin Julia Ruhs nicht mehr in seinem Format „Klar“ einzusetzen. Wie zuvor bereits eine WELT-Recherche offenbarte, hält der BR an Ruhs fest, der NDR hingegen sucht für die von ihm produzierten Ausgaben nach einer neuen Moderation. Die Entscheidung hatte eine Kontroverse in Teilen der Politik- und Medienlandschaft aufgeworfen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kritisierte die Entscheidung am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der Hermann Ehlers Akademie. Unter dem Titel „Debatte erwünscht? Meinungsvielfalt und Medienkultur“ stellte Ruhs dort auch ihr neues Buch „Links-grüne Meinungsmacht - Die Spaltung unseres Landes“ vor.

Als der NDR das Sendeformat mit Ruhs als Moderatorin gestartet habe, sei dies ein richtiges Zeichen gewesen, sagte Günther. Dass dieses Format nun nach nur drei Pilotprojekten künftig nur noch im Bayerischen Rundfunk gezeigt werden solle und nicht mehr im NDR, „finde ich, ist schon ein extrem schlechtes Signal“.

Günther sagte, der Bayerische Rundfunk habe da richtig entschieden. „Und ich finde, der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei uns im Norden (...) sollte sich davon lieber eine Scheibe abschneiden, denn es ist wichtig, dass diese Meinungsvielfalt gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch dargestellt wird.“

Günthers Auftritt war kurzfristig zustande gekommen. Ursprünglich war der Ministerpräsident als Gast bei der Verabschiedung des alten NDR-Intendanten Joachim Knuth in Hamburg angekündigt. Auf WELT-Anfrage bestätigte die Staatskanzlei in Schleswig-Holstein Günthers Absage dort aus „terminlichen Gründen“ – er habe in Kiel bleiben müssen und deswegen spontan bei der Akademie zugesagt. Er habe jedoch nicht beim NDR abgesagt, um zu der Veranstaltung mit Ruhs zu gehen, behauptet man.

In den sozialen Medien hatten einzelne Kommentatoren diesen Zusammenhang hergestellt.

Auch andere Politiker kritisierten das Verhalten des NDR. Christoph de Vries, Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, forderte „weniger Haltungsjournalismus und weniger Cancel Culture und stattdessen mehr Meinungspluralismus und mehr mutige Journalistinnen“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ruhs‘ Ablösung sei „skandalös und unanständig“. Ruhs selbst zeigte sich Mittwochvormittag „zutiefst enttäuscht, ja fassungslos über die Entscheidung des NDR“. Es sei ein „Armutszeugnis“, dass ihr die Moderation entzogen worden sei. „Cancel Culture wird nur dadurch möglich, weil genau diesen Chefs der Mut fehlt, sich auch mal querzustellen“, führte sie auf der Plattform X aus.

„Ihr dürft jedoch noch Hoffnung in den Bayerischen Rundfunk haben. Wir werden weiterhin das machen, was beim NDR offenbar unmöglich ist.“ FDP-Politiker Wolfgang Kubicki kritisierte das Ruhs-Aus beim NDR scharf: Auf X schrieb er: „Den außerordentlichen Erfolg und die breite Akzeptanz eines Formats zu feiern, während man gleichzeitig die Zusammenarbeit mit der verantwortlichen Journalistin beendet, ist ein bemerkenswertes Kunststück – dem NDR ist es gelungen. Noch mehr irritieren die Hintergründe.“

Und weiter: „Der Rundfunk – ob privat oder öffentlich-rechtlich – soll laut Medienstaatsvertrag die Achtung vor der Meinung anderer fördern. Ein Prinzip, das offenbar nicht einmal innerhalb des NDR Geltung hat. Beschämend und gefährlich.“ Auch CDU-Politikerin Gitta Connemann zeigte „volle Solidarität mit Julia Ruhs“ und schrieb auf X: „Ihr ‚Vergehen‘? Eine eigene Meinung abseits des Sendermainstreams. Die Führung weicht statt die Meinungsvielfalt zu schützen. Der NDR zementiert damit die Vorwürfe, die gegen den ÖRR erhoben werden. Dabei brauchen wir einen unabhängigen! Rundfunk.“

Auch Sahra Wagenknecht (BSW) kritisierte den Umgang des NDR mit Ruhs scharf kritisiert und beklagte eine fehlende Meinungsfreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Maulkorb statt Meinungsvielfalt! ‚Klar‘ ist der nächste Fall von Cancel Culture im ÖRR. Es ist ein Skandal, dass Journalisten, die vom ÖRR-Meinungsmainstream abweichen, aus dem Programm entfernt werden“, sagte die Vorsitzende des Bündnisses gegenüber WELT.

Mitarbeit: Lars Petersen

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