Im "Tatort: Kammerflimmern" werden die Träger von Herzimplantaten durch genau die Geräte mit Stromschlägen getötet, die ihnen eigentlich das Leben retten sollen. Reiner Tech-Horror oder eine ernst zu nehmende Gefahr?

Als am Sonntagabend im neuen Schweizer "Tatort" reihenweise Menschen tot umfielen, nachdem Hacker deren Herzimplantate in tödliche Waffen verwandelt hatten, dürften sich nicht nur die geschätzt rund 200.000 bis 300.000 ICD-Träger in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem mulmigen Gefühl an die Brust gefasst haben. Der Schweizer Rundfunk versuchte, im Anschluss in einer eigenen Sondersendung des Gesundheitsmagazins "Puls" mit eigens eingerichtetem Expertenchat besonders besorgte Zuschauer zu beruhigen.

Tatsächlich ist das Gesundheitswesen wegen sensibler Patientendaten und der potenziellen Vulnerabilität kritischer Infrastrukturen ein besonders attraktives Ziel für Cyberkriminelle. Laut dem ENISA Threat Landscape Report betrafen 53 Prozent aller Sicherheitsvorfälle in Europa zwischen Januar 2021 und März 2023 den Gesundheitssektor, wobei Krankenhäuser mit 42 Prozent die Hauptzielscheibe waren. In Deutschland kämpfte beispielsweise die Uniklinik Frankfurt nach einem Hackerangriff im Oktober 2023 monatelang mit den Folgen und musste zeitweise auf Faxgeräte zurückgreifen.

Was im "Tatort" als apokalyptisches Szenario daherkommt, beschäftigt Sicherheitsforscher also schon seit Jahren. Bereits 2017 schlug der Rückruf von fast 500.000 implantierbaren Herzschrittmachern (davon rund 5000 in der Schweiz) des Herstellers Abbott durch die US-amerikanische Aufsichtsbehörde FDA wegen möglicher Sicherheitslücken Wellen: Die Schwachstellen betrafen - genau wie im Film - die Firmware der Geräte, die genau wie jedes 08/15-Smartphone regelmäßige Updates brauchen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Potenzielle Hacker hätten die Geräte per Funk manipulieren, schneller laufen lassen oder die Batterie leeren können.

Sicherheitslücke im Brustkorb

Die Idee für "Kammerflimmern" ist tatsächlich aber sogar noch älter: Bereits 2008 hatte der mittlerweile verstorbene White-Hat-Hacker Barnaby Jack demonstriert, wie er drahtlos auf Herzschrittmacher zugreifen und deren Funktionen manipulieren konnte, um zum Beispiel tödliche Stromschläge auszulösen. Doch selbst wenn die Hersteller betonen, dass solche Angriffe in der Praxis schwierig umzusetzen sind und bisher keine Fälle von böswilligen Hacks mit Patientenschaden bekannt wurden: Wer will sich schon einen Stromschocker implantieren lassen, ohne von der hundertprozentigen Zuverlässigkeit des Apparats überzeugt zu sein?

Während im "Tatort" die Hacker eine dreistellige Millionensumme fordern und die Schweizer Behörden in Panik versetzen, ist die reale Bedrohungslage aber dennoch differenzierter zu betrachten. Theoretisch sind die Angriffe möglich, praktisch würde ein solcher Massenangriff wie im Film aber enormes technisches Know-how und Ressourcen erfordern. Doch auch wenn die massenhafte Fernsteuerung von Herzimplantaten (noch) ins Reich der Dystopie gehört, ist die eigentliche Botschaft von "Kammerflimmern": In einer Welt, in der selbst unsere Herzschläge von Software abhängen, ist absolute Sicherheit eine Illusion.

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