Die bekannteste Tradwife ist wieder schwanger. Zum vierten Mal. Und weil die Fähigkeit zur Fortpflanzung und Kinderrundumbetreuung zum Wesenskern ihres Jobs als traditionelle Hausfrau gehört, muss sie auch ausgestellt werden. Liebevoll streichelt Nara Smith auf Instagram ihren immer größer werdenden Bauch. Woche 22, Woche 23, Woche 24 – wir können hier einem neuen Menschen beim Wachsen zusehen.

Die Kommentatorinnen sind sich einig: „Schwangerschaft ist wundervoll“. Sicher? Das klang doch in den vergangenen Jahren ganz anders, wo die Zeit vor, rund und nach der Geburt als einzige Zumutung erzählt wurde. Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen, Übelkeit: Die Liste der Symptome, oft fast schon anklagend von Frauen im Internet vorgetragen, ist lang. Als Mann erschrak man, um gleich darauf dankbar und erleichtert zu sein, nicht gebären zu müssen.

Kinder wollen die Männer natürlich trotzdem, sogar unbedingter als Frauen. Knapp 60 Prozent der Männer finden, dass Kinder im Leben ein Muss sind, aber nur 33 Prozent der Frauen sehen das so – das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos Ende 2024. Die Geburtenraten sinken seit Jahren. Die Gründe sind vielfältig, die Angst vor körperlichen Veränderungen ist einer von ihnen, und Schmerzen, Abgeschlagenheit und ein belasteter Beckenboden sind ja auch keine Petitessen. Folge: „Schwangere Frauen haben es schwer, die neun Monate nicht als Krankheit zu sehen“, so sagte es die Hebamme Stephanie Hahn-Schaffarczyk einmal gegenüber der AOK.

Dass Frauen überhaupt so selbstbewusst über die Strapazen der Schwangerschaft reden können, ist durchaus eine Errungenschaft und bedeutet die Ablösung von alten Tabus. Bis weit ins 20. Jahrhundert wurde ja allein schon der Begriff „Schwangerschaft“ gemieden, Frau waren stattdessen „in anderen Umständen“ oder „guter Hoffnung“. Jetzt werden „Umstand“ und „Hoffnung“ offensiver präsentiert als je zuvor.

Sängerin Rihanna zum Beispiel, von Rapper Asap Rocky zum dritten Mal schwanger, posiert für das Magazin „Homme girls“ lässig auf dem Sofa. Ihr Blick ist dabei beinahe herablassend, so als wende er sich in weiser Voraussicht an alle, die solch ein Foto anstößig finden. Der pralle, nackte Bauch ist mittlerweile sogar auf Laufstegen zu sehen. Die Damenmodenmarke di Petsa schickte vergangenes Jahr ein hochschwangeres Model ins Rennen, das ein mittig ausgeschnittenes Kleid trug. Ihr Babybauch wurde zum Eigentlichen der Performance.

Auf der Deutungsebene konkurrieren nun unterschiedliche Erzählungen. Erwartbar wird auf der einen Seite von „Empowerment“ gesprochen, Schwangerschaft, früher versteckt, werde selbstbewusst sichtbar gemacht; Mutterschaft, wie im Fall der Grünen-Abgeordnete Hanna Steinmüller, offensiv ausgestellt: Steinmüller trat mit ihrem schlafenden Kleinkind ans Rednerpult des Bundestags; Kitabetreuung habe es erst mittags nach der Sitzung gegeben, erklärte sie nachher, und ihr Mann sei berufstätig wie sie. Dass Steinmüller zwei Tage vor der Rede bei Instagram in einem Video über Vereinbarkeit von Beruf und Familie sprach, nährt allerdings auch den Verdacht, die Rede mit Kind könnte ein bewusstes politisches Statement gewesen sein. (Entlarvender sind ohnehin eher die Kommentare von Männern, die noch immer nicht wahrhaben wollen, dass ein Kind das Berufsleben tatsächlich erschwert.)

Der zweite Deutungsstrang sieht in der aufkommenden Inszenierung von Schwangerschaft einen Hinweis auf neues Statussymbol. Wer kann es sich angesichts von steigenden Lebenshaltungskosten, multiplen Krisen und immer undurchsichtiger werdenden Arbeitszeiten überhaupt noch leisten, ein Kind zu haben? Nara Smith und Rihanna in jedem Fall. „Es ist ein Flex, ein Kind zu bekommen, weil man dadurch zeigt, Vertrauen in die Zukunft zu haben“, erklärt der Markenberater Eugene Healey. Für alle, die es nicht wissen: Flexen bedeutet so viel wie angeben oder prahlen.

Von allen tristen Notwendigkeiten bereinigt

Immerhin: Beschwingt die eigene Mutterschaft auszustellen – stolz, tiefenentspannt und ohne Kotzflecken auf der Schulter – macht ja auch die finanziellen Ressourcen deutlich: Wer sich so präsentiert, kann unangenehme Care-Arbeit offensichtlich auslagern. Die Schwangerschafts- und Mutterschaftsinszenierung von Rihanna und Nara Smith in den sozialen Medien jedenfalls ist von allen tristen Notwendigkeiten bereinigt. Hier wird der Eindruck vermittelt, Vorelternschaft gehe ganz ohne Verzicht: Ausgelassene Partys, festliche Dinner oder professionelle Fotoshootings sind auch für die werdende Mutter kein Problem. Müdigkeit? Unpässlichkeit? Nicht doch! Entsprechend inszenierte die Babymarke Coterie das Baby in einer Kampagne als Luxusaccessoire. Nicht nur das Kinderkriegen, auch das Kind selbst wird Teil einer kulturellen Performance – die man sich allerdings erst leisten können muss.

Doch vielleicht ist die neue Ästhetisierung der Schwangerschaft selbst in besseren Kreisen kapitalistischen Zwängen geschuldet – Stichwort: Opportunitätskosten. Eine Schwangerschaft bedeutet schließlich eine Einschränkung im künstlerischen Schaffen, eine Veränderung des Körpers, der im digitalen Kapitalismus die zentrale Ware ist. Also muss die Metamorphose genutzt und der schwangere Körper kapitalisiert werden. Gut zu beobachten ist das bei Ann-Kathrin Götze, der Frau von WM-Torschütze Mario Götze. Vor der Schwangerschaft war sie Model und Influencerin. Nun ist sie auf Instagram hauptsächlich Mutter. Ihr Kind fügt sich nahtlos zwischen Iced Coffee, Lipgloss und Handtaschen ein.

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