Was haben Jan Böhmermann und Jakob Augsteins Wallaby, eine Art Mini-Känguru, gemeinsam? Sie neigen zum Boxen, befinden sich aber momentan eher in der Defensive.

Der Erste, ein „geübter Sensationsseismograf“ („Zeit“) und stets um Hochanständigkeit bemühter ZDF-Moderator, flachste Anfang der Woche zerknirscht, er wolle, notfalls im Tag-Team mit Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, jeden von der Bühne boxen, der das Existenzrecht Israels leugne. Und meinte damit womöglich schon so halb den Ehrengast, den er in sein wochenlanges Berliner „Magazin Royale“-Gastspiel im Haus der Kulturen der Welt geladen hatte, den Rapper Chefket, der gern Palästina-T-Shirts trägt, auf denen zwischen Fluss und Meer von Israel nichts zu sehen ist. Am Jahrestag des israelischen 7. Oktober sollte der Mann die gereimten Ableitungen seines womöglich wirren Weltbilds zur Aufführung bringen.

Das stellte sich sekündlich weniger als gute Idee dar, der schließlich der Stecker gezogen wurde. So müssen ein aus Butter modellierter Helmut Kohl und die unter dem gehässigen Titel „Neue Nationalgalerie“ an die Wand getackerten Konterfeis geschätzter Kollegen wie Ulf Poschardt und Anna Schneider die Chose alleine wuppen. Ein paar Grabsteine deutscher Milliardäre, vorsorglich schon vor deren Ableben aufgestellt, in Ermangelung eines Sterbedatums mit ihrem Kontostand verziert, stehen stumm dabei. Nebst ein paar sich efeuartig am Gemäuer empor rankender Elektroscooter. Ganz große Kunst ist da nahe dem Reichstag zu besichtigen, da waren sich die Kritiker von „SZ“ bis zur „NZZ“ einig. Die anderen geladenen Musiker erklärten sich derweil mit Chefket solidarisch ; sie sagten unisono ab.

Böhmermann sieht sich sicher ungern zum Buhmann gestempelt. Frisch in Erinnerung ist der Besinnungsaufsatz, den er vergangenes Jahr in der „Zeit“ veröffentlichte. Die „traurige Einsicht“ darin: Menschen seien „ohne Freund-Feind-Denken und Sündenbock“ nicht zu „echtem Fortschritt“ fähig. Und fortschreiten möchte Böhmermann in eine astreine Moralzukunft, die genauso schwarz-weiß (eigentlich grün) ist, wie man sie sich vorstellt. Weshalb er alle anderen, die, nur zum Beispiel, gern Motoren röhren hören und parallel zu bedenken geben, dass die deutsche Autoindustrie – Ernährerin der Nation und damit maßgeblicher Finanzier von Böhmermanns Staatsknetenjob – sich im Fall eines Verbrenneraus auch gleich an die Chinesen ausliefen könne, als „Menschen von gestern“ abkanzelte. Heute sieht Böhmi selber recht gestrig aus. Zumindest nach den eigenen Kriterien.

Das Wallaby muss man sich hingegen, seiner misslichen Lage zum Trotz, als glückliches Wesen vorstellen. Zwar hüpft es Augenzeugenberichten zufolge einigermaßen ratlos durch Kladower Vorgärten, ist aber immerhin dem champagnersozialistischen Zoo entronnen, den Jakob Augstein in seinem Garten unterhält. Dem Vernehmen nach sollen zur Privatmenagerie des „Spiegel“-Erben und „Freitag“-Verlegers auch Pfaue gehören. Die Auswahl der Tiere folgt offenbar einer wenig subtilen Symbolik, mit der sich ihr Besitzer identifizieren kann: tiefe Taschen und gespreiztes Auftreten.

Augstein ist mit seinem Spleen in bester Gesellschaft. Der jugoslawische Staatschef Tito ergötzte sich in seiner Sommerresidenz auf der Insel Brioni an einem Safari-Park, bevölkert von Elefanten, Zebras und Antilopen. Gaddafi sendete mit seiner Sammlung von Löwen und Gazellen eine unmissverständliche Botschaft von Fressen-und-Gefressen-Werden. Einem Nilpferd namens Pepe aus dem Besitz des kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar widmete sich jüngst ein Spielfilm. Der ugandische Diktator Idi Amin soll seine Krokodile mit Oppositionellen gefüttert haben. Dagegen nimmt sich Augsteins verirrtes Känguru vergleichsweise demokratisch aus. Am Donnerstagabend wurde es eingefangen und zurückgebracht. Absagen war keine Option.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.