Man kann Politikersätze nach verschiedenen Kategorien sortieren. Zum Beispiel nach Klarheit oder Wahrheitsgehalt. Die sind allerdings überschätzt. Sie führen nämlich zu wenig. Wenn alle sofort verstehen, was gemeint ist, oder – noch viel schlimmer – unmittelbar zustimmen, weil das Argument so schlagend ist, wird jede vielversprechende Debatte im Keim erstickt. Es gibt dann keine Gelegenheit, sich selbst in ein günstiges oder zumindest überhaupt ein Licht zu setzen.
Viel produktiver ist die Vagheit. Ein Satz wie der von Kanzler Merz: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen“ ist in Sachen Vagheit ganz vorn dabei.
Alle wissen irgendwie, was gemeint ist, aber eben auch nicht so ganz genau. Der Sprecher zündet eine Nebelkerze. Und alle anderen, die sich gern zitiert sehen, im Fernsehen, in den Zeitungen oder zumindest auf Social Media, stochern begeistert in dem sich in Windeseile verbreitenden Nebel herum. Die Opposition zückt erfreut den Rassismus-Joker. Und selbst Parteifreunde wie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schalten sich mit so hinterhältigen wie eigennützigen Relativierungen ein. „Berlin ist eine vielfältige, internationale und weltoffene Stadt. Das wird sich immer auch im Stadtbild abbilden“, sagte Wegner, der sich in diesen Tagen zwecks „Kooperationsprojekten“ in Namibia aufhält. Berlin kann sich in Sachen Stadtbild von Namibia sicher noch einiges abschauen.
Man könnte dem gescholtenen Kanzler nun zugutehalten, dass er sich, wie es einem Politiker ziemt, mit Worten begnügt, aus denen mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso nichts folgt.
Ganz anders im badischen Schwanau. Dort verschwanden vor ein paar Tagen 20 Blumenkübel. Laut „Badischer Zeitung“ seien sie als Alternative zu mit Reflektoren beklebten Betonklötzen aufgestellt worden. Sie sollten helfen, den Verkehr in der Dreißigerzone zu beruhigen und Parkbuchten besser sichtbar zu machen. Wie nun bekannt wurde, sah ein honoriger Bürger darin keine Verbesserung, sondern ein Problem mit dem Stadtbild. Die Dinger sind nämlich wieder aufgetaucht, und zwar auf dem Gelände der Firma Herrenknecht.
Als Architekt der Blumenkübelmigration outete sich der 82-jährige Bohrmaschinengigant Martin Herrenknecht, ohne dessen unternehmerisches Genie wir immer noch tunnellos über den Gotthardpass zuckeln würden. Nach Angaben des Unternehmens hätten die Blumenkübel für Verwirrung im Stadtbild gesorgt. Herrenknecht ließ sie deshalb ohne Zögern entfernen – eigenen Worten zufolge zum „Schutz seiner Mitarbeiter“.
Die Staatsanwaltschaft wiegelt ab: Bislang gebe es keine ausreichenden Hinweise dafür, dass Herrenknecht oder sein Unternehmen einen strafbaren Diebstahl begangen hätten. So sollten die Pflanzenbehälter allem Anschein nach „nicht dauerhaft der Gemeinde vorenthalten werden“. Zudem sei ihr Aufenthaltsort jederzeit bekannt gewesen.
Offenbar strebt Herrenknecht mit seiner bürgerschaftlichen Eigeninitiative eine pragmatische Lösung des von der Politik hausgemachten Stadtbild-Problems an. Er habe, so hieß es aus dem Unternehmen, großen Respekt vor den Zuständigkeiten und Entscheidungswegen der örtlichen Gremien. Grundsätzlich stehe Herrenknecht auch hinter Tempo-30-Zonen – schließlich gehe es ihm um mehr Verkehrssicherheit, nicht weniger. Zugleich ließ er per „Badische Zeitung“ mitteilen, allen künftig eventuell neu aufgestellten Kübeln drohe das gleiche Schicksal – die nacht-und-nebelige Verpflanzung aus dem Stadtbild und hinter die herrenknechtschen Grenzen. Vielleicht ein Modellfall auch für Berlin?
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