„Politico“ und WELT haben soeben eine Serie von Textnachrichten veröffentlicht, die junge Vertreter der republikanischen Partei ausgetauscht haben. Dass in diesen Textnachrichten im Ton höchster Begeisterung von Gaskammern und Hitler gesprochen, dass über Juden die üblichen Gerüchte verbreitet und das N-Wort verwendet wird: All dies kann niemanden überraschen, der sich jemals mit einem jungen Republikaner unterhalten hat und dabei, vielleicht seiner blauen Augen wegen, für einen rassereinen Arier gehalten wurde.

Mit dem gleichnamigen Verein, der bis etwa 2012 bestand, hat die heute Republikanische Partei nur noch wenig, eigentlich gar nichts mehr gemeinsam. Dies ist nicht mehr die Partei von Ronald Reagan und George W. Bush. Es ist die Partei der Konföderiertenflaggen und Fackelumzüge, der harten weißen Jungs.

Im Sammelsurium an Bösartigkeiten in den geleakten Textnachrichten gab es allerdings einen Satz, der besonders auffiel: „Sex ist schwul.“ Wie bitte? Doch so schwer ist die Äußerung gar nicht zu verstehen. Sie ist auch keine Erfindung der jungen Republikaner, man findet sie im Internet mittlerweile ziemlich häufig. Der Satz führt mitten ins geistige Zentrum jener Bewegungen, die heute als rechtspopulistisch und rechtskonservativ bezeichnet werden. „Sex ist schwul“ bedeutet für sie: Einer Frau Blumen zu schenken, sie zu umwerben, zärtlich zu sein, als Mann dafür zu sorgen, dass Sex kein kurzes und einseitiges Vergnügen bleibt, gehört sich für sie nicht. Der Satz soll alle Männer degradieren, die in der partnerschaftlichen Begegnung nicht die Oberhand haben, aus Sicht dieser jungen Republikaner also unmännlich sind, sprich „schwul“.

Alles außer konservativ

Was wäre denn aus ihrer Sicht männlich? Vergewaltigung vielleicht. Darauf läuft es etwa bei Incel-Bewegung hinaus. Hier tummeln sich junge Männer, die unfreiwillig ohne Sex leben. Schon 2022 hat das „Center for Countering Digital Hate“ herausgefunden, dass Incels (kurz für: involuntary celibates, wörtlich etwa: unfreiwillig Keusche) in Foren durchschnittlich alle halbe Stunde eine Vergewaltigungsfantasie posten. Auch Incels, die Gedanken an Vergewaltigung weit von sich weisen, behaupten gern, es sei schmerzhafter, auf Sex verzichten zu müssen, als vergewaltigt zu werden. Wenig überraschend kommen die amerikanischen Ermittler zu dem Schluss, dass die Gewaltbereitschaft von Incels stetig zunimmt. So nehmen sie immer wieder auf einen geistig verwirrten jungen Mann Bezug, der vor elf Jahren in Kalifornien sechs Menschen ermordete, weil keine Frau ihn haben wollte.

Eines ist ein solches Frauenbild nun ganz gewiss nicht: konservativ. Wir erinnern uns kurz: Konservative schwärmten von der stabilen Familie. Der klassische Rat an junge Männer, mit dem Konservative sich von den libertären Linken abgrenzten, lautete: „Finde einen Job, heirate deine Freundin, bekommt ein paar Kinder, sorgt dafür, dass eure Kinder gute Manieren und mindestens ein Instrument lernen.“

Gewiss war hier viel Heuchelei im Spiel. Hinter dem Abziehbild von der heilen Familie verbargen sich oft Bordellbesuche; Vergewaltigung in der Ehe wurde erst vor Kurzem – und gegen gewaltigen Widerstand – ein Straftatbestand. Aber Heuchelei ist doch immerhin eine Verbeugung des Lasters vor der Tugend. Konservative predigten jungen Männern: „Seid charmant zu Frauen“; sie sagten nicht: „Seid Dreckskerle“.

Eine kurze Geschichte der Verachtung

Ist der Satz „Sex ist schwul“ dann wenigstens faschistisch? Nein, auch wenn Faschisten schon immer zutiefst homophob und frauenfeindlich waren. Vergewaltigung war aus Sicht der Nazis jedoch für Menschen reserviert, die ohnehin ermordet werden sollten: Jüdinnen etwa oder polnische Frauen. Ihre Gattinnen gehörten aber schon hinter den Herd, so sahen sie das. Einen beinahe parodistischen Abklatsch davon findet sich heute bei sogenannten „Tradwives“. In den sozialen Medien schwärmen die davon, wie gern sie doch ihrem Ehemann die Socken stopfen und das Essen kochen, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kommt.

Dennoch: Man muss schon bis in die Antike zurückgehen, um eine Sexualmoral zu finden, die dem Satz „Sex ist schwul“ annähernd gerecht wird. Die alten Griechen und die Römer hatten keine Probleme mit Sexsklavinnen, sei es im Bordell, sei es im eigenen Heim. Ebenfalls in Ordnung: Sex mit Knaben, solange ihnen noch kein Flaum auf der Oberlippe wuchs. Sex mit erwachsenen Männern hingegen war verpönt. Dahinter steckte die Vorstellung, dass der Akt der Penetration entwürdigend sei. Penetriert werden konnten folglich nur Leute, die tiefer auf der sozialen Leiter standen: Sklaven, Prostituierte, Kinder.

Alles am Satz „Sex ist schwul“ kann die Antike aber auch nicht erklären. Griechische und römische Ehefrauen standen durchaus höher als Sklaven, Huren und Kinder. Sie waren ihren Männern zwar nicht ebenbürtig, aber sie waren keine „atmenden Sachen“. Vielleicht hilft deshalb auch ein Blick nach Russland. Zu den wichtigsten Maßnahmen Putins gehörte dieser: Die Vergewaltigung in der Ehe wurde von der Duma wieder für straffrei erklärt.

Russische Männer dürfen also wieder richtige Männer sein. Sie dürfen saufen, prügeln und über ihre Frauen herfallen. Die russischen Soldaten in der Ukraine vergewaltigen ohnehin nach Herzenslust, übrigens nicht nur Erwachsene, sondern auch kleine Mädchen und Jungen. Unvergessen die Textnachrichten, die zwischen einem russischen Soldaten und seiner Frau ausgetauscht wurden: Er fragte an, ob es in Ordnung sei, wenn er Ukrainerinnen zum Sex zwinge. Sie antwortete nur, er möge doch bitte Kondome benutzen.

Der Satz „Sex ist schwul“ fasst wohl einfach jede menschenverachtende Ideologie zusammen: das ganze Gerede von Gaskammern und Nazis, der Hass auf Juden, die Verachtung schwarzer Männer. Es sind hässliche weiße Kerle, die es nie schaffen würden, eine Frau zu gewinnen, und ihre Nähe fürchten. Umso mehr träumen sie von der absoluten Herrschaft über den weiblichen Körper.

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