Die wichtigste Nachricht zum neuen Asterix-Band: Baba war beim Logopäden. Baba ist der schwarze Pirat aus der Truppe, deren Schiff in jedem Heft aufs Neue von Asterix und Obelix versenkt wird. Bisher konnte er kein R aussprechen. Jahrzehntelang gehörte sein Sprachfehler zu den wiederkehrenden Witzen, die René Goscinny in die Geschichten eingeführt hat. „Es sind ’öme’! Beim Jupite’! Eno’m viele ’öme’! Das Mee’ ist nu’ so bedeckt von ’öme’n!“
Das ist nun vorbei: „Phönizische Galeere“ voraus ruft er seinen Kumpanen aus dem Ausguck zu, und die sind verblüfft: „Spricht der auf einmal das ,R‘?“ Viel Zeit zum Nachdenken haben sie aber nicht mehr. Denn an Bord des vermeintlich harmlosen Handelsschiffes sind die beiden Gallier auf dem Weg nach Lusitanien, dem heutigen Portugal. Obelix lernt dort schnell, dass sich die Lusitanier von den ihnen kulturell und phänotypisch nahestehenden Hispaniern doch gravierend unterscheiden. Sein Versuch, schmissig Flamenco zu den von landestypischer Melancholie geprägten Liedern der Lusitanier zu tanzen, scheitert.
Doch schnell passt er sich an. Als die beiden Krieger sich als Lusitanier verkleiden müssen, um in ein römisches Gefängnis und den Palast des lokalen Statthalters einzudringen, überzeugt Obelix eine römische Wache mit einem spontan improvisierten Fado von seiner Authentizität. Das Lied entpuppt sich sogar als wirksame psychologische Kriegsführung. Der Römer entfernt sich mit dem Satz: „Auf einmal habe ich Lust, auf einem arthritischen Esel durchs Avernerland zu reiten.“
Diese Art von Gags geht aufs Konto des Szenaristen Fabcaro, der sich seit „Die weiße Iris“ die Geschichten ausdenkt. Der Band wurde 2023 allgemein als der beste Asterix seit Langem gefeiert. Und auch die neue Geschichte hat einen gesellschaftssatirischen Ton. Ging es in „Die weiße Iris“ um den speziellen Markt der Erlösungssehnsüchte, die der titelgebende esoterische Kult bediente, handelt „Asterix in Lusitanien“ gleich vom globalen Großkapitalismus. Als der Statthalter Fetterbonus die reichsten Männer des römischen Imperiums zu einer Orgie in Olisipo (der antike Name von Lissabon) einlädt, sind auch Marcus Zuckergus und Elonmus auf der Gästeliste.
Man muss aber nicht befürchten, Asterix und Obelix wären plötzlich links geworden. Die „Kapitalismuskritik“ entspringt dem skeptischen, leicht kulturkonservativen Geist, von dem Asterix immer geprägt war. Negativ gezeichnet werden hier nur globale Unternehmer, die damit protzen, irgendwo Völker gefunden zu haben, die für wenig Geld noch mehr arbeiten. Mittelständische Unternehmer wie der phönizische Händler Epidemais (seit „Asterix bei den Olympischen Spielen“ eine wiederkehrende Figur) oder der lusistanische Garum-Hersteller Schaõprozes sind dagegen Sympathieträger.
Diesen Schaõprozes vor den Löwen im Circus zu bewahren, indem sie seine Unschuld beweisen, ist diesmal die Mission der Gallier. Die Geschichte beginnt, wie so viele klassische Asterix-Abenteuer beginnen: damit, dass ein von weither Reisender im Dorf ankommt, um Hilfe zu erbitten – wie Teefax in „Asterix bei den Briten“ oder Numerobis in „Asterix und Kleopatra“. Schaõprozes ist Opfer einer Intrige, mit der ein Großkonzern ihn als Konkurrenz eliminieren will. Denn sein Garum (eine im antiken Rom ubiquitäre Würzsoße aus vergorenem Fisch) schmeckt Julius Caesar besser als die industrielle Massenware. Das ärgert den Garum-Konzernchef, der aussieht wie Berlusconi.
Bis Schaõprozes befreit ist, werden viele Klischees strapaziert – überwiegend mit gutem humoristischem Ertrag: Die Lusitianier sind geprägt von einem tiefen Glauben an die Vergeblichkeit aller Bemühungen, doch paradoxerweise erwächst ihnen gerade daraus psychische Kraft. Sie tragen alle Vokuhila-Frisuren (offenbar ein spezielles französisches Vorurteil über die Portugiesen und ihren „mulet“), essen fast nur „Kabeljaõ“ und lassen von Pferden gezogene öffentliche Verkehrsmittel durch die engen hügeligen Straßen ihrer Hauptstadt fahren. Im 41. Band schaffen es Fabcaro und der Zeichner Didier Conrad, das sechs Jahrzehnte alte Asterix-Muster noch einmal neu, aktuell und witzig zu variieren.
„Asterix in Lusitanien“, Text von Fabcaro, Zeichnungen von Didier Conrad, Egmont Ehapa, 50 Seiten, 7,99 Euro (gebunden 13 Euro)
Kurz vor Erscheinen seines neuesten Abenteuers „Asterix in Lusitanien“ (am 23. Oktober) kam es zu einer Weltpremiere: eine ganze WELT AM SONNTAG, die ausschließlich mit Bildern von Albert Uderzo und seinem Nachfolger Didier Conrad illustriert wird. Leser finden in dieser Ausgabe die gewohnte Mischung aus Nachrichten, Analysen und Unterhaltung, aber auch Geschichten, die selbst die behäbigen Bewohner eines gallischen Dorfes interessieren könnten.
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