Die Gallier stechen wieder in See: Asterix und Obelix reisen nach Lusitanien, um dem von Römern unterdrückten Volk beizustehen. Band 41 der Reihe ist eine Detektivgeschichte, wie sie klassischer kaum sein könnte. Das ist eine Stärke und eine Schwäche.

Saudade ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl. Ein melancholischer Zustand, der Nostalgie und Sehnsucht ausdrückt, aber auch die Freude an Erinnerungen, an liebgewonnene Freunde oder Orte. Vielleicht passt dieses Gefühl sehr gut zu "Asterix". Der Comic-Klassiker hat viele heute Erwachsene in ihrer Kindheit begleitet. Die Reihe weckt die Sehnsucht nach einer unbeschwerten Zeit, lässt einen aber auch auf lustige Momente und spannende Leseabenteuer zurückblicken.

Saudade ist ein Gefühl, das tief mit der portugiesischen Lebensweise verbunden ist. So passt es wunderbar, dass die tapferen Gallier Asterix und Obelix in ihrem neuen Abenteuer nach Portugal reisen, oder besser gesagt in die römische Provinz Lusitanien.

"Asterix in Lusitanien" heißt der 41. Band der Reihe und auf ihm lastet eine gewisse Bürde. Vor zwei Jahren hat Autor Fabcaro (bürgerlich Fabrice Caro) erstmals einen "Asterix"-Band vorgelegt, zusammen mit Zeichner Didier Conrad, der bereits seit 2013 dabei ist. Bei Leserschaft und Kritik kam "Die weiße Iris" äußerst gut an - auch ntv.de zeigte sich begeistert. Den beiden gelang das lustigste Album seit Langem und der beste Band, seit eine neue Künstlergeneration die Reihe übernommen hat, dank einer guten Portion Experimentierfreude.

Der Druck ist also nicht gering. Und vielleicht haben Fabcaro und Conrad mit ihrem neuen Werk genau das Richtige getan: Sie haben keine Neuauflage von "Die weiße Iris" vorgelegt, sondern Tempo rausgenommen, um sich dafür auf die Geschichte konzentrieren zu können, in bester Manier der "Asterix"-Schöpfer Albert Uderzo und René Goscinny.

Ein Zenturio namens Pistorius

Das fängt schon klassisch an: Schnurres, ein alter Bekannter, erreicht das wohlbekannte gallische Dorf. Wer erinnert sich da nicht an die Besuche des Ägypters Numerobis und des Briten Teefix, die die Gallier in Abenteuer verwickelt haben? Auch Schnurres bittet die unbesiegbaren Einwohner um Hilfe. Er berichtet von Schãoprozess, einem Lusitanier, der den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden soll. Der Vorwurf: Er soll versucht haben, Caesar mit Garum zu vergiften, einem Sud aus vergorenem Fisch, der in der Antike als Standardgewürz diente.

Asterix und Obelix sowie Hündchen Idefix machen sich auf den Weg, um die Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen und es den Römern mal wieder zu zeigen. Doch schnell merken sie, dass hinter den Vorwürfen mehr steckt als ein Justizirrtum. Sie müssen es mit dem korrupten Präfekten Fetterbonus und seinem Spitzel Karies aufnehmen. Und mit römischen Legionären unter der Führung von Zenturio Pistorius.

Nachdem "Die weiße Iris" in heimatlichen Gefilden spielte, geht es diesmal wieder in die weite Welt hinaus. "Asterix in Lusitanien" ist dabei im Kern eine Detektivgeschichte, anhand der Leserinnen und Leser Land und Leute entdecken können. Schon Goscinny und Uderzo haben ihre Helden gern auf Spurensuche geschickt, herausgekommen sind einige Höhepunkte der Reihe, darunter "Die goldene Sichel" und "Asterix und der Arvernerschild".

Fabcaro und Conrad knüpfen hier an, genau wie bei den typischen "Asterix"-Zutaten: Piraten und Running Gags, sprechende Namen und Figuren mit bekannten Gesichtern, darunter jene von Silvio Berlusconi oder des britischen Comedians Ricky Gervais - dessen Zenturio in der deutschen Version nach Verteidigungsminister Boris Pistorius benannt ist.

Tech-Milliardäre und Garum-Kapitalismus

Im Mittelpunkt steht aber die Darstellung der Traditionen und Eigenheiten der Gastgeber. Es geht um die Schönheiten des iberischen Westens, um farbenfrohe Häuser, ganz viel Kabeljau - zum Verdruss von Obelix - und die Calcada Portuguesa, die berühmten Muster auf den Wegen. Ein bisschen Tourismusmarketing muss wohl sein. Auch das Gefühl der Saudade zieht sich als roter Faden durch den Band, die bittersüße Melancholie entpuppt sich sogar als Geheimwaffe.

Gleichzeitig bleibt der Band der Tradition treu, gesellschaftliche Debatten abzubilden. Fabcaro zieht die Tech-Milliardäre durch den Kakao und seziert die Rentendebatte, die in Frankreich noch heftiger als in Deutschland geführt wird. Vor allem aber nutzt er das Garum, das von Lusitanien in die ganze römische Welt verschifft wird, für Kritik an den Auswüchsen des Welthandels und des Kapitalismus. Zum Höhepunkt des Bands gerät eine Marketing-Konferenz bei einem Garum-Hersteller, an der Asterix und Obelix durch Zufall teilnehmen. Jeder Angestellte wird seine Freude haben an dem hohlen Management-Sprech, das hier zelebriert wird.

Das alles macht "Asterix in Lusitanien" zu einem klassischen Abenteuer. Erzählerisch und auch zeichnerisch ist es entsprechend zurückhaltender als der Vorgänger. Es ist ein handlungsorientierter Band, der eine runde Geschichte erzählt, kein Gagfeuerwerk wie "Die weiße Iris". War das eine bewusste Entscheidung oder wurden die Künstler vom Verlag eingefangen? Das lässt sich kaum sagen. Fest steht: Auch Goscinny und Uderzo haben in ihren Alben immer wieder Tempo und Ton variiert. Vor deren klassischen Reiseabenteuern braucht sich Band 41 nicht zu verstecken.

Dennoch: Etwas mehr Experimentierfreude hätte "Asterix in Lusitanien" gutgetan. Mit der starken Anlehnung an die Klassiker, den vielen Anspielungen auf frühere Begebenheiten, werden vor allem alte Fans und Traditionalisten angesprochen. Reicht das noch für junge Leserinnen und Leser? Immerhin in einem Punkt geht "Asterix" mit der Zeit: Das Aussehen von Baba, dem schwarzen Ausguck der Piraten, wurde überarbeitet und er hat seinen Sprachfehler verloren. Daran gab es seit Langem Kritik.

"Asterix in Lusitanien" ist als Hardcover im Buchhandel und als Softcover im Zeitschriftenhandel erhältlich. Im Dezember veröffentlicht Egmont Ehapa Media zudem eine Luxus-, im November eine Superluxusedition.

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