Und dann starb der Papst. Ein alter gebrechlicher Mann, der ein Kirchenoberhaupt war, aber sich weigerte, wie ein CEO zu leben. Einer, der demütig blieb in einer Zeit, in der Demut als Schwäche gilt oder als Branding-Strategie. Und der nicht disrupten wollte, sondern dienen.

Auf Hallow kann man auch für ihn beten, selbstverständlich, wie für alles andere auch. Für leichteres Einschlafen zum Beispiel. Für Barmherzigkeit, basierend auf den Schriften der Heiligen Faustina. Oder dafür, als Frau „wenn nötig, aus dem sicheren Boot der Mittelmäßigkeit auszusteigen und Gott ganz neu zu vertrauen“.

Hallow ist eine Gebets-App, die sich selbst als „Nummer 1 Gebets-App der Welt“ bewirbt, als wäre Glauben ein Ranking. Gepriesen von konservativen Kulturkämpfern, unterstützt von Investoren wie Peter Thiel und J.D. Vance, ausgestattet mit mehr als 100 Millionen Dollar Wagnis-Kapital, beworben beim Superbowl, mit prominenten Vorbetern wie Gwen Stefani, dem „Kaiser-Urenkel und Rennfahrer“ Ferdinand Habsburg oder Mark Wahlberg, einem Mann, der einst, als er noch sündiger unterwegs war, eine Autobiografie schrieb, die mit dem Satz begann: „Ich möchte dieses Buch meinem Schwanz widmen.“ Jetzt legt er uns seine spirituelle Morgenroutine nahe.

Hallow ist der Versuch, das Beten aus der Kirchenbank zu holen und ins Ökosystem der totalen Vernetzung zu überführen. Mit Influencern, Bildchen der Jungfrau Maria und einem Interface, das wie ein Pinterest-Board von Cosplayern aussieht. Es ist alles da: sanftes Lichtflimmern, die Missa Latina, Kuschelgeschichten für Kinder, eine „Vater Unser Challenge“, ein Timer für „nicht angeleitete stille Gebetszeit“, die Möglichkeit, sich einer Community anzuschließen, ohne je in einer Kirche neben wirklichen Menschen knien zu müssen. Nicht einmal Gott fehlt. Falls man davon ausgeht, dass Gott überall ist.

Es ist eine perfekte App für unsere Zeit. Rosenkränze zählen per Touchscreen. Mönchsgesang aus dem Bluetooth-Speaker. Ein bisschen reumütige Selbstbefragung im Abo-Modell, das Jahr zu 69,99 Euro. Glaube, der nach Transzendenz dürstet und sich in Optimierung verliert, der Tracker läuft immer mit, schon wurden 920.428.377 Gebete mit Hallow gebetet. Religion, die von Ewigkeit spricht und sich dem Zyklus von Features, Updates und Wachstumskurven unterwirft.

Es ist ein Gleichnis unserer Zeit: die Integration von Spiritualität ins Betriebssystem der Plattformökonomie. Jesus im App Store, Gebet als Selfcare, die Rhetorik von Achtsamkeit und Wachstum – diesmal eben für die Seele. „Kürzlich gebetet: zwei Einheiten Rosenkranz.“ Jesus würde sicher ein Like dalassen.

Was fehlt, ist alles, was Glauben unbequem macht: Reue. Zweifel. Gottverlassenheit. Das Schweigen. Hallow ist der geglättete Gott. Einer, der nie schweigt, weil er ständig benachrichtigt. Einer, der nicht fordert, sondern motiviert. Ein Coach mit Kreuz-Kette.

„Und wenn ihr betet“, heißt es in Matthäus 6,6, „sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu.“ Aber das ist lange her.

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