Die Wissenschaftlerin und Antisemitismusforscherin der TU Berlin, Monika Schwarz-Friesel, hat an Vertreter sogenannter Qualitätsmedien appelliert, stereotype Formulierungen und Sprachbilder im Kontext des Nahostkonflikts und gegenüber Israel zu vermeiden. Auf Einladung des Von Halem Verlags plädierte sie am Dienstagabend bei den Kölner Mediengesprächen für einen geschichtsbewussten Sprachgebrauch, „ohne in die Antisemitismus-Kiste zu greifen“. Scharfe Kritik an Israel und der dortigen Regierung sei „selbstverständlich möglich, aber ohne antisemitische Tendenzen“.

In ihrem Impulsvortrag der Veranstaltung „Antisemitismus in den Medien“ verwies die Inhaberin des Lehrstuhls für Kognitive Medienlinguistik an der TU Berlin beispielhaft auf die oft zu findende Formulierung eines „Geiselaustauschs“ zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas. In Wahrheit aber würden israelische Geiseln und palästinensische Verbrecher freigelassen, sagte sie. Unter anderem WELT hatte über eine solche problematische Formulierung beim ZDF berichtet, die Moderatorin Dunja Hayali bei einer Live-Moderation im „Morgenmagazin“ unterlief. Das ZDF hatte den Fehler anschließend bedauert.

„Georg Restle hätte sofort zurücktreten müssen“

Auch bei der Zuschreibung „propalästinensisch“ von Demonstrationen oder Demonstranten mahnte Schwarz-Friesel zur Vorsicht. „Wären sie propalästinensisch, würden sie gegen die Hamas demonstrieren.“ Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet über weitere Beispiele der Rednerin. Als einen Fall für ein „besonders eklatantes Journalismusversagen“ nannte Schwarz-Friesel eine Sendung von „StudioM“, dem Onlineableger des ARD-Politmagazins „Monitor“ aus dem Juni 2025.

Thema: „Gaza und die Medien: Versagt der Journalismus?“, zu Gast war neben „Monitor“-Redaktionsleiter Georg Restle auch der Aktivist und YouTuber Tilo Jung.

Jung habe dann „Verschwörungsphantasien“ geäußert, und von „konzertierten Einschüchterungsversuchen von ‚Springerpresse‘, israelischer Botschaft, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und dem Zentralrat der Juden gegen Journalisten wie ihn“ (Jung, Anmerkung d. Red) gesprochen.

Moderator Georg Restle habe, so die Wissenschaftlerin, nicht nur nicht eingegriffen, sondern diese Reaktivierung eines antisemitischen Ressentiments im weiteren Verlauf des Gesprächs noch bestärkt. „Wir haben hier“, schlussfolgerte Schwarz-Friesel, „eigentlich einen riesigen Medienskandal (...), Georg Restle hätte sofort zurücktreten müssen. Es ist nichts passiert.“

Wissenschaftlerin sieht Versagen von Zivilgesellschaft und Medien

Man sehe daran, „wie habitualisiert dieses antiisraelische Narrativ in Verbindung mit antisemitischen Stereotypen schon ist“. Eine Tendenz, so Schwarz-Friesel laut „FAZ“ weiter, auch der jüngst ausgelobte Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis an die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann zeige: Deren Arbeit für die ARD falle immer wieder durch „ihre extrem antiisraelischen Perspektivierungen“ auf.

Auch die Berliner „Tageszeitung“ („taz“) kam in der Liste ihrer Negativbeispiele vor, unter dem Stichwort „Verbalantisemitismus“, wie die Wissenschaftlerin ihn nannte. In einem Artikel über die Sendung „Freitagnacht Jews“, in der eigentlich über das Judentum in Deutschland aufgeklärt werden sollte, habe eine „taz“-Autorin im April 2021 geschrieben: „Ist das jetzt eine Sendung für Juden? Oder für Deutsche?“ Dies sei eine fatale Ausgrenzung, so Schwarz-Friesel.

Durch die massive Zunahme antisemitischer Vorfälle in Deutschland seit dem Überfall der Hamas auf israelische Zivilisten am 7. Oktober 2023 sei die jüdische Community traumatisiert, Zivilgesellschaft und Medien in Deutschland hätten versagt, kritisierte Schwarz-Friesel. Israel werde dämonisiert. Die Judenfeindschaft sei seit Jahren immer gleich geblieben, eine „Wiederholung der Wiederholung“. Antisemitismus finde sich in Deutschland unter Linksextremisten, Rechtsextremisten, unter Muslimen und in der „gebildeten Mitte“.

Zunehmende Ausgrenzungserfahrungen von Juden in Deutschland

Abraham Lehrer, Vorsitzender der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, berichtete bei in dem Mediengespräch von zunehmenden Ausgrenzungserfahrungen der Gemeindemitglieder etwa am Arbeitsplatz. Wegen des militärischen Vorgehens Israels im Gaza-Streifen nach dem Hamas-Überfall würden Sätze wie „Lass uns mal eine zeitlang getrennte Wege gehen“ häufiger fallen, schilderte Lehrer. Pauschale Verurteilungen wie „Ihr seid doch alle Mörder“ müssten sich auch jüdische Kinder hierzulande anhören.

Lehrer würdigte aber auch die Zeichen der Solidarität von demokratischen Parteien und Verbänden. Auch Lehrer betonte, dass Kritik an der israelischen Regierung möglich sei. Keinem Demokraten könne es gefallen, dass zwei Rechtsextreme im israelischen Regierungskabinett säßen.

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