Servus, Gruezi und Hallo! In diesem Jahr lädt Basel zum Eurovision Song Contest. Und der ESC wäre nicht der ESC, hätten einige der Gäste aus 37 Ländern nicht auch ein schräges musikalisches Geschenk mitgebracht. Wir stellen Ihnen die skurrilsten "Höhepunkte" vor.

Nein, beim Eurovision Song Contest (ESC) ist der rote Teppich natürlich nicht rot. Türkis passt doch auch viel besser zu der Veranstaltung, die sich traditionell irgendwo zwischen Gesangswettbewerb, Paradiesvogelschau und Gradmesser für den aktuellen Zeitgeist in Europa bewegt. Dementsprechend farblich akzentuiert war die Auslegeware, über die die Gesangs-Gladiatoren aus insgesamt 37 Ländern zur offiziellen Eröffnung der ESC-Festspielwoche in Basel am Sonntag flanierten.

Um den Gesang ging es dabei erst mal nicht in erster Linie, sondern ums Sehen und Gesehen werden. Und wer hingeguckt hat, konnte natürlich unter anderem die deutschen ESC-Hoffnungsträger in diesem Jahr, Abor & Tynna, erspähen, wenn auch ohne ihren Mentor Stefan Raab.

Auch die Konkurrenz des Duos gab sich die Ehre, darunter so einige Acts, deren diesjährigen Beiträge alles sind, nur nicht von der Stange. Wir haben die schrägsten Kandidatinnen und Kandidaten beim ESC 2025 zusammengestellt.

Australien: Go-Jo - "Milkshake Man"

Australien! Da denkt man nicht nur sofort an Kängurus, Koalas und das Dschungelcamp. Auch die ESC-Verrücktheit der Menschen down under ist legendär. Und so hat das Land nun bereits seit zehn Jahren das außerordentliche Privileg, Teil der Eurovision zu sein, auch wenn es mit rund 15.000 Kilometern Entfernung von der Schweiz sozusagen am anderen Ende der Welt liegt.

Anlässlich des Jubiläums habe man "etwas Ungewöhnliches" machen wollen, heißt es seitens des australischen ESC-Senders SBS - als habe man in der Vergangenheit etwa mit der auf Stelzen eine Arie schmetternden Kate Miller-Heidke ("Zero Gravity", 2019) oder mit Sheldon Riley hinter einer Gesichtsgardine ("Not The Same", 2022) 08/15-Beiträge in den Wettbewerb entsandt. 2025 hört der Beauftragte für das Ungewöhnliche dagegen auf den Namen Go-Jo. Das jedenfalls ist das Pseudonym des Sängers Marty Zambotto, der für Australien in diesem Jahr seinen Hut in den ESC-Ring wirft.

Was Go-Jo unter anderem so exzeptionell macht? Er kann zum Beispiel Gitarre spielen und Einrad fahren. Und zwar gleichzeitig! Noch dazu ist er aber ein Tiktok-Star. 2023 geht sein Lied "Mrs. Hollywood" weltweit viral. Das beschert ihm in jenem Jahr auch Platz neun in der Liste der australischen Stars mit den meisten Streams auf dem Erdball.

Beim ESC will er dem Publikum nun einen musikalischen Milkshake schmackhaft machen, der in Zusammenarbeit mit der Popband Sheppard entstanden ist. "What can get you high when you're oh so sad? It's the milk from the milkshake man" ("Was kann dich high machen, wenn du so traurig bist? Es ist die Milch vom Milkshake-Mann"), heißt es etwa im Gaga-Text von "Milkshake Man". Na, wir hoffen mal, es sind keine Magic Mushrooms in dem Gebräu. Sonst dürfte es wirklich schwerfallen, gleichzeitig Gitarre zu spielen und Einrad zu fahren.

Estland: Tommy Cash - "Espresso Macchiato"

Milkshake? Dann doch lieber einen "Espresso Macchiato". Jedenfalls wenn man Tommy Cash fragt. Wie bitte? Der jüngere Bruder von Johnny Cash macht auch beim ESC mit? Nein, der ist im vergangenen Jahr leider verstorben. Aber ein gewisser Tomas Tammemets aus Estland hat sich just dessen Namen als Pseudonym zugelegt. Und das, obwohl er mit Country-Musik eigentlich nicht so viel am Hut hat.

Stattdessen charakterisiert sich Tommy Cash - also der aus Estland - selbst als "postsowjetischer Rapper" mit einer "osteuropäischen Seele" und einem "skandinavischen Lebenslauf". Unter diesen Vorzeichen fungiert er bereits seit über zehn Jahren als Sänger. Dass er schon über die Grenzen Estlands hinaus bekannt geworden ist, liegt jedoch nicht nur an seiner Musik. Auch die Modebranche mischt er gern mal in skurrilen Outfits bei den Fashion Shows in Mailand oder Paris auf.

Eine Geschmacksprobe seiner Allroundkunst liefert der 33-Jährige nun auch beim ESC ab. Und das nicht nur, weil er in seinem Beitrag ein Hohelied auf den "Espresso Macchiato" singt. Auch seine wechselhafte Erscheinung dürfte vielen sofort ins Auge stechen. Den Esten und Estinnen jedenfalls gefällt es: Tommy Cash wurde beim landeseigenen Vorentscheid zum haushohen Sieger gekürt. In diesem Sinne, wie es in seinem Lied heißt: "No stresso, no stresso, no need to be depresso."

Lettland: Tautumeitas - "Bur man laimi"

Auch die Nachbarn aus dem südlichen Lettland versprühen mit ihrem diesjährigen ESC-Beitrag nicht gerade Stresso. Eher könnte man meinen, sie hätten sich vielleicht einen der australischen Mushroom-Milkshakes gegönnt. Tautumeitas muten mit "Bur man laimi" wie Besucherinnen aus einer anderen Welt an. Einer mit Elfen vielleicht. Und Feen. Und Einhörnern.

Das ist natürlich auch so gewollt. Was die Formation Celtic Woman mit ihren keltischen Weisen für Irland ist, sind Tautumeitas in gewisser Hinsicht für Lettland. Nicht umsonst sind drei der sechs Frauen in der Band studierte Ethnomusikologinnen. Doch nicht nur musikalisch kennen sich Tautumeitas bestens mit Folklore aus. Auch in ihren Texten setzen sie die Tradition der als Dainas bekannten lettischen Gedichte fort.

"Bur man laimi" bedeutet übersetzt so viel wie "Bring mir Glück". Glück könnte für Tautumeitas auch nötig sein, sollte die euphorisierende Wirkung ihres Songs auf die ESC-Gemeinde ausbleiben.

Island: Væb - "Róa"

Was hat Island mit seinen gerade mal knapp 400.000 Einwohnerinnen und Einwohnern nicht schon an Pop- und Rockgrößen hervorgebracht? Björk natürlich, aber zum Beispiel auch Sigur Rós und Of Monsters and Men. Auch beim ESC ist das kleine Land seit 1986 beinahe ununterbrochen Dauergast, auch wenn es so einige Male bereits im Halbfinale ausgeschieden ist und noch nie den Sieg erringen konnte.

Ob es in diesem Jahr mit dem aus den Brüdern Hálfdán Helgi und Matthías Davíð Matthíasson bestehenden Duo Væb besser läuft, darf allerdings bezweifelt werden. Sind die beiden Dreikäsehoch womöglich Wiedergänger der ebenso irren wie unvergessenen Jedward-Zwillinge aus Irland? Oder wandeln sie auf den Pfaden von Marcus & Martinus, die es beim ESC im vergangenen Jahr lediglich auf den für schwedische Verhältnisse unrühmlichen neunten Platz schafften?

"Róa" ("Rudern") heißt der Song, mit dem Væb nun in Basel ganz nach vorn segeln möchten. Doch wenngleich im Text lediglich der Kampf eines Menschen mit seinem Boot gegen Wind und Wellen beschrieben zu sein scheint, hat "Róa" durchaus ein Geschmäckle. So wird darin etwa der frühere isländische ESC-Kommentator Gísli Marteinn Baldursson erwähnt. Er hatte aus Protest gegen Israels ESC-Teilnahme während des israelischen Vorgehens in Gaza 2024 seinen Job quittiert. Umso paradoxer ist es, dass Væb vorgeworfen wurde, für "Róa" ausgerechnet bei einem israelischen Song abgekupfert zu haben. Der Vorwurf wurde allerdings entkräftet.

Malta: Miriana Conte - "Serving"

Die für Malta in Basel an den Start gehende Miriana Conte sorgte schon weit im Vorfeld des diesjährigen Song Contests für Wirbel. Das jedoch weder damit, dass sie musikalisch als eine Art maltesische Beyoncé durchgehen könnte, noch damit, dass sie in Sachen Body Positivity der Israelin Netta, die 2018 den ESC mit ihrem Song "Toy" gewonnen hatte, in nichts nachsteht.

Vielmehr war es Contes Song, der bei einigen Beobachterinnen und Beobachtern zu aufgeregter Schnappatmung führte. Genau genommen war es der Text. So hörte das Lied auf den Titel "Kant". Das ist maltesisch und heißt so viel wie "Gesang". Weil der Song ansonsten aber komplett englischsprachig daherkommt, konnte man auch das Wort "Cunt" heraushören - im Englischen eine vulgäre Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsorgan.

Zu viel für die stets um den biederen Schein bemühte Europäische Rundfunkunion (EBU), die den ESC veranstaltet. Sie verdonnerte Malta und seine Sängerin dazu, den Liedtitel zu ändern. Der lautet nun "Serving", womit Conte den Moralaposteln zumindest ein Schnippchen schlägt. "Serving Cunt" ist schließlich ein geflügelter Ausdruck in der LGBTQ+-Community für betont feminines Auftreten.

"I've got a secret you should know, come a little close, I'll whisper slow" ("Ich habe ein Geheimnis, das du kennen solltest, komm' ein bisschen näher, ich flüstere langsam"), säuselt Conte, die auch schon an der Castingshow "X Factor" teilgenommen und mehrere erfolglose ESC-Bewerbungen hinter sich hat, in "Serving". Könnte das Geheimnis ihr heimlicher Favoritenstatus sein? Denn auch wenn die Sängerin zu den Freaks beim diesjährigen ESC gezählt werden kann, stehen ihre Chancen mit ihrem zeitgeistigen Auftritt gar nicht schlecht.

Finnland: Erika Vikman - "Ich komme"

Zwischen Maltas Miriana Conte und der Finnin Erika Vikman gibt es so einige Parallelen. Mit der finnischen TV-Sendung "Idols" hat auch Vikman schon einmal an einer Castingshow teilgenommen. Auch sie ist in der Vergangenheit bereits einmal mit einer ESC-Bewerbung gescheitert. Und auch sie tritt mit einem Lied an, dessen Titel bereits aus ganz ähnlichen Gründen wie Contes "Kant" für Gesprächsstoff sorgte.

Allerdings bei umgedrehten Vorzeichen. Während der Text von Vikmans Song ansonsten komplett in finnischer Landessprache gehalten ist, weicht er lediglich im Refrain ins Deutsche aus. "Ich komme, ich komme", rief die Sängerin beim heimischen Vorentscheid im Latex-Domina Dress dem Publikum entgegen, während sie auf einem überdimensionalen Mikrofonständer wie auf Rammsteins Peniskanone ritt. Für die Finninnen und Finnen der unbestreitbare Höhepunkt der Show - sie beglückten Vikman und "Ich komme" prompt mit dem Ticket für Basel.

Doch auch diese Performance ist selbstredend nicht unumstritten. "Die EBU sagt, das sei ihr alles etwas zu sexy. Sie wollen, dass ich meinen Arsch bedecke", plauderte Vikman über das Hickhack hinter den Kulissen aus. Umso gespannter darf man sein, wie sie die Sexyness ihres Auftritts in der Schweiz herunterregulieren will. "Ich bin Erika, wie schön, dich zu treffen", singt Vikman irgendwo zwischen den orgastischen Refrain-Parts. Aber nicht noch, die Freude ist ganz auf unserer Seite.

Schweden: KAJ - "Bara Bada Bastu"

Von Finnland ist es nicht weit nach Schweden. Erst recht nicht beim diesjährigen ESC. Denn so wie in Basel das eigentlich österreichische Duo Abor & Tynna für Deutschland antritt, repräsentiert das an sich aus Finnland stammende Comedy-Trio KAJ diesmal die schwedische ESC-Nation.

Ja, Schweden und der ESC sind nicht nur wegen ABBA für immer und ewig miteinander verbunden. Gemeinsam mit Irland sind die Skandinavier mit inzwischen sieben Siegen auch Rekordhalter bei dem Gesangswettbewerb. Möglicherweise deshalb werden KAJ mit "Bara Bada Bastu" zum engsten Favoritenkreis in Basel gezählt. Dabei landeten Blödel-Beiträge wie ihrer in der ESC-Geschichte zwar häufiger weit vorn, aber nie auf dem Siegesthron.

Was würde zu einer finnischen Comedy-Truppe, deren Name auf die Initialen ihrer Mitglieder zurückgeht, besser passen als eine Ode an die Sauna? Nichts?! Eben. Und so bedeutet "Bara Bada Bastu" dann auf Deutsch auch nichts anderes als "Einfach in die Sauna gehen". Im Text heißt es auch: "Heize ein und lass heute all den Stress hinter dir." Ob das gesammelte ESC-Publikum - von Aserbaidschan bis Australien - da wirklich mitgeht, ist nur eine der spannenden Fragen beim ESC 2025.

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