In ihrem Podcast „News Core: Politik bis Popkultur“ unterhalten sich Imke Rabiega und Julian Theilen über Trends und aktuelle Debatten. Das folgende Transkript ist eine Essenz der Podcastfolge „Gingers are black? und Almanci Make Up“. Da Imke verhindert ist, bestreitet Julian diese Folge ausnahmsweise im Alleingang.
TikTok-Stimme: Ich muss euch nur noch mal daran erinnern: Alle, die rothaarig sind, also rotes Haar haben – das sind Schwarze. Alle Rothaarigen sind Schwarze. Wenn jemand rote Haare hat, ist er schwarz. Siehst du einen weißen Mann mit roten Haaren? Das ist ein schwarzer Mann. Siehst du eine weiße Frau mit roten Haaren? Das ist eine schwarze Frau. Rothaarige sind schwarz, alle Rothaarigen.
Julian: Eine schwarze Frau hat den TikTok-Trend „Gingers are Black“ gegründet. Mittlerweile hat dieser Trend die bürgerlichen Medien erreicht und damit auch uns bei News Core. Da stecken so viele Themen drin, die die Gegenwart der letzten Jahre umgetrieben haben: race, Diskriminierung, allyship, usw. Worum geht es eigentlich? Eine schwarze Frau hat auf TikTok mit diesem Video die Diskussion losgetreten, indem sie sagte, dass Rothaarige eigentlich die Schwarzen der Weißen sind, weil sie auch Außenseiter sind, also auch Diskriminierung erfahren. Und natürlich ist das alles irgendwie halb im Spaß gesagt, aber dadurch hat sich eine kuriose Bruder- und Schwesternschaft zwischen schwarzen Menschen und Rothaarigen herausgebildet.
TikTok-Stimme: Ich mag Redheads. Einige der größten schwarzen Leute aller Zeiten sind Redheads: Malcolm X, Blake Griffin, Bill Burr. Das sieht aus wie eine sehr strategische Koalition.
Julian: Dieser schwarze Mann spricht von einer strategischen Koalition – gegen wen eigentlich? Gegen weiße Vorherrschaft und das ungefragte Anfassen der Haare, gegen Sexualisierung und Unterdrückung. Das sind alles Dinge, die anscheinend sowohl Schwarze als auch Rothaarige erleben. Natürlich muss man das alles mit einem Augenzwinkern sehen, und die Rothaarigen – das ist das Lustige an diesem Trend – nehmen diese Einladung dankend an.
TikTok-Stimme: Also gut, hört zu, weiße Leute. Jetzt, da Rothaarige endlich vereinnahmt wurden und ihren rechtmäßigen Platz bei unseren schwarzen Brüdern und Schwestern einnehmen dürfen, müssen wir ein paar Grundregeln für den Rest von euch typenhaft aussehenden Leuten festlegen. Erstens: Ihr dürft das G-Wort (Ginger, Anmerkung der Redaktion) nicht mehr verwenden, klar? Dieser Begriff ist jetzt uns vorbehalten – und außerdem haben jetzt auch alle Schwarzen den G-Wort-Pass. Wir gehören zur bi-Community, verstanden? Wir sind P.O.H.C. – „People of Hair Color“, Menschen mit Haarfarbe. Zweitens: Wer Sonnenschutzfaktor 50 oder höher benutzt, betreibt kulturelle Aneignung. Und nein, wir sind nicht alle Iren, okay? Das ist ein Klischee.
Julian: Hier wird super ironisch mit den ganzen Codes der Diskriminierung gespielt. Das „G-Wort“ wird genannt. Es wird auf der ganzen Klaviatur der woken Sprache gespielt – „People of Hair Color“, kulturelle Aneignung, usw. Erst bin ich zusammengezuckt, als ich von diesem Trend gehört habe, weil ich dachte: Wird hier wirklich der Schmerz von Rothaarigen mit dem von Schwarzen verglichen, die über Jahrhunderte ausgebeutet und versklavt wurden? Aber da hatte das Internet wohl ein viel feineres Gespür und eine feinere Distanz, als ich befürchtet hatte. Das hat mir zum Beispiel auch Feven erzählt, eine schwarze Frau aus Berlin, die den Trend mit sehr viel Lachen verfolgt.
Feven: Ich habe bisher nur super lustige Videos gesehen und das Gefühl, dass die meisten, die solche Videos machen, damit ganz sensibel umgehen. Es ist doch klar, dass das nicht gleichzustellen ist. Aber es ist trotzdem wichtig, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass es auch unter rothaarigen Personen Diskriminierung gibt und sie ausgegrenzt werden. Es ist doch ganz süß, dass sich zwei Minderheiten zusammentun und sich so einen Spaß im Internet machen.
Julian: Es gab schon so ein, zwei Videos, bei denen ich sehr laut lachen musste. Da war etwa ein junges Paar: er rothaarig, sie schwarz. Sie schrieben: „Wir dachten immer, wir wären ein interracial Paar, aber anscheinend sind wir gleich.“ Der Kern, warum dieser Trend so gut funktioniert, ist, denke ich, dass die Kulturkämpfe in den vergangenen Jahren – zum Teil auch aus gutem Grund – sehr verbittert, unnachgiebig und anklagend geführt wurden. Jetzt kommt hier in die Race-Debatte plötzlich etwas Spielerisches, Leichtes und Humorvolles. Die Grenzen, die vor vielen Jahren klar gezogen wurden, lösen sich plötzlich auf. Es werden Gemeinsamkeiten gesucht, wie in diesem Fall zwischen Schwarzen und Rothaarigen, und trotzdem wird darauf vertraut, dass der andere, also in diesem Fall der Rothaarige, versteht, dass er natürlich am Ende doch nicht die gleiche Diskriminierungserfahrung hat. Dadurch entsteht ein gemeinsames Mitgefühl. Rothaarige fühlen sich gesehen. Schwarze fühlen sich von den Rothaarigen gesehen. Rothaarige erzählen, was sie alles von schwarzen Menschen lernen können und erkennen die Antidiskriminierungsarbeit der Community an. Das ist ein sehr süßer und schöner Moment des Internets.
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