Kaum eine Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat in den vergangenen Monaten so polarisiert wie „Klar“ mit Julia Ruhs. Die erste Folge im April, produziert von BR und NDR, thematisierte die Schattenseiten der Migration – konkret: die Folgen eines tödlichen Messerangriffs durch einen abgelehnten Asylbewerber im Jahr 2023. Im Mittelpunkt stand der Vater eines der Opfer.

Nach der Ausstrahlung gab es viel Zustimmung, aber auch Dutzende Beschwerden. Kritisiert wurden vor allem die emotionalisierende Darstellung sowie das Fehlen von einordnenden Fakten und Daten. Der Verein „Neue deutsche Medienmacher:innen“ bezeichnete die Folge als „Tiefpunkt in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. ZDF-Moderator Jan Böhmermann nannte das Format auf X „rechtspopulistischen Quatsch“. Ein NDR-Mitarbeiter, der an der Produktion beteiligt war, erklärte in Postings, es sei „die schlimmste Produktion, an der ich jemals mitgearbeitet habe“.

Gespannt wurde deshalb die zweite „Klar“-Ausgabe für Mittwochabend im NDR um 22 Uhr erwartet. Arbeitstitel: Bauern. Doch statt der angekündigten Reportage zeigte der NDR eine Wiederholung von „Best-of extra 3 Verkehr“. Schnell kam die Frage auf, ob nach der heftigen Kritik die Sendung abgesetzt worden sei. Die „Süddeutsche Zeitung“ sah in der „stillen Programmänderung“ gar einen „typischen Verlauf einer Krise bei der ARD“ und mangelnde Fehleraufarbeitung im Senderverbund.

Moderatorin Julia Ruhs reagierte auf die Mutmaßungen mit einer Stellungnahme: „Keine Sorge, wir von KLAR wurden nicht gecancelt, die 2. Folge kommt am 11. Juni! Ich bin übrigens sehr, sehr zuversichtlich, dass sie richtig gut wird“, postete Ruhs auf X.

Schon zuvor hatte der NDR durchblicken lassen, dass man trotz aller Kritik an der Sendung und dem Projekt festhalten wolle. Mit dem Format sollen Menschen erreicht werden, die sich im öffentlich-rechtlichen Diskurs bisher nicht vertreten fühlten. Julia Ruhs postete damals, es gehe um mehr „Meinungsvielfalt“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Sendung solle Themen und Perspektiven behandeln, „die im Diskurs zu wenig beachtet werden“. Das Konzept werde zunächst nicht verändert, eine Evaluation sei wie bei allen Pilot-Formaten „nach Abschluss der Testphase“ vorgesehen, hieß es.

Begründet wurde der verschobene Ausstrahlungstermin vom NDR nun mit dem organisatorischen Aufwand. Nach der Ausstrahlung der ersten Folge sei eine Vielzahl an Presseanfragen eingegangen, die mehr Zeit in Anspruch genommen hatten als ursprünglich geplant, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ den Sender. Eine Anfrage von WELT an den Sender blieb bislang unbeantwortet.

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