Das Konzert von Imagine Dragons am Auffahrts-Donnerstag im Zürcher Stadion Letzigrund war laut den Veranstaltenden mit knapp 48'000 Eintritten ausverkauft. Das Trio aus Las Vegas um Fronthüne Dan Reynolds spielte fast zwei Stunden und tauchte das Stadion dabei in die grellsten Varianten sämtlicher Farben – und blieb trotzdem schrecklich eintönig.
Und zwar aus folgenden drei Gründen:
1. Sie sind viel zu bescheiden
«Wir wünschen uns für heute nur eines», sagt der 37-jährige Sänger nach den ersten paar Liedern, «nämlich, dass ihr euch gehen lassen könnt.» Ein schöner Vorsatz, dessen Bedeutung allerdings mit jeder in eine ähnliche Richtung zielenden Ansage und Danksagung verwässert wird und irgendwann mehr einstudiert als ehrlich wirkt.

Dabei darf man Reynolds und seiner Truppe durchaus glauben, dass sie dankbar sind für das, was sie ihren Job nennen dürfen. Aber sie spielen diese Woche zweimal im vollen Letzi und gehören zu den meistgestreamten Artists der Welt – das sollte auch mal abgefeiert werden, statt sich durchwegs bescheiden zu geben und sich damit etwas unglaubwürdig zu machen.
Ein Rockstar-Klischee steht jedoch fix auf der Setlist: Pünktlich nach einer Stunde trennt sich der Frontmann von seinem Oberteil. Aber nicht als Befreiungsschlag im Moment, sondern als geplante Demonstration des Ergebnisses unzähliger Stunden im Gym. Er tut das auch konsequent in den Musikvideos seiner Band sowie bei Live-Sessions – wahrscheinlich zieht er es sogar auf Beerdigungen durch.
2. Sie wollen allen gefallen
Die Melodien sind für Arenen geschrieben und die Songtexte so vage und relatable gehalten wie Horoskope. Alle drei, vier Nummern werden Konfetti übers Publikum gepustet und während «Take Me to the Beach» riesige Strandbälle in die Menge geworfen. Coldplay haben diese Elemente salonfähig gemacht und nun gehören sie ins Standard-Repertoire aller Acts, die befürchten, dass sie mit ihrer Musik alleine nicht genug Stimmung erzeugen können.

Einmal nimmt sich Reynolds Zeit, sämtlichen Menschen in der ersten Reihe einen High-Five zu geben. Und kurz vor Schluss schwenkt er eine Ukraine-Flagge auf der Bühne, wie er vor Jahren bei jeder Show eine LGBTIQ-Flagge schwang. Für letztere Community setzt sich die Band zwar ein, etwas plakativ wirkte es dennoch. All das funktioniert, ja, aber es ist auch uninspiriert – und manchmal sogar anbiedernd.
3. Sie bringen das Radio ins Stadion
Im Live-Repertoire von Imagine Dragons türmen sich die Radio-Hits mittlerweile. Entsprechend schunkelt ihr Publikum durchgehend mit, sich gehen – wie Dan Reynolds es sich eigentlich wünscht – lässt es sich aber selten. Obwohl die Lieder mit ihren Pop-Strukturen und Refrain-Chören voll auf Arena getrimmt sind, nehmen sie diese nur teilweise ein.

Dann zum Beispiel, wenn die wabernden Synthies ihrer 2012er-Breakout-Single «Radioactive» im ganzen Körper spürbar sind, der Refrain die Fans aus der Reserve lockt und die Visuals für einmal nicht wie Airbrush-Wände an «Chilbi-Attraktionen» aussehen.
Und nochmals von vorne
Am Samstag wiederholen Imagine Dragons die Letzi-Übung. Wer die Songs der Band, Dan Reynolds' gestählten Oberkörper und Kitsch mag, kommt auf seine Kosten. Wer aber Überraschungen oder wenigstens kleine Ecken und Kanten erwartet, sollte nochmals im Konzertkalender blättern.
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